Schultze war Sohn von Karl August Sigismund Schultze (1795–1877), einem Professor für Anatomie und Physiologie. Er entstammte einer Gelehrten- und Beamtenfamilie. Sein Bruder Max Johann Sigismund Schultze (1825–1874) war Anatom und Zoologe. Die Brüder August Sigismund Schultze und Richard Sigismund Schultze waren Juristen. Sein Neffe, Oskar Max Sigismund Schultze, war, wie sein Vater Max Johann Sigismund, Anatom und Ordinarius für das Fachgebiet an der Universität Würzburg.
Er habilitierte sich 1853 in Greifswald für Anatomie und Physiologie und erhielt den Titel Privatdozent. Schultze fühlte sich jedoch mehr zur praktischen Medizin hingezogen. 1854 wurde er Assistent an der Universitätsfrauenklinik zu Berlin unter Dietrich Wilhelm Heinrich Busch. 1856 wurde er dort für das Fachgebiet Gynäkologie habilitiert und Dozent für Geburtshilfe und Frauenkrankheiten. Als 1858 nach dem Tod von Busch Eduard Arnold Martin nach Berlin berufen wurde, folgte er, als dessen Nachfolger, dem Ruf an die Universitätsfrauenklinik Jena. Im Wintersemester 1864/65 war Bernhard Sigmund Schultze Rektor der Universität Jena.[2]
1903 schied er aus der akademischen Lehrtätigkeit aus, ohne dass sein Schüler Felix Skutsch sein Nachfolger werden konnte. Am 27. März 1903 wurde er aus diesem Anlass zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt und ihm wurde die Ehrenbürgerschaft der Stadt Jena verliehen. Aufgrund seiner hervorragenden Leistungen in seinem medizinischen Fachgebiet wurde ihm 1912 von Großherzog Wilhelm von Sachsen-Weimar-Eisenach die Ehrung erteilt, den Familiennamen „Schultze-Jena“ führen zu dürfen[4], wonach die gesamte Familie Schultze-Jena hieß.
Schultzes Grab auf dem städtischen Friedhof wird aufgrund der Ehrengräbersatzung der Stadt Jena durch die Stadt Jena erhalten.[5]
Bernhard Sigmund Schultze erwarb sich besondere Verdienste durch seine Arbeiten über die gynäkologischen Untersuchungsmethoden, die Wiederbelebungasphyktischer Neugeborener (1860 hatte er dazu die „Schultzeschen Schwingungen“ eingeführt[8]), die Behandlung der Gebärmutterkrankheiten und das Hebammenwesen. Gustav Döderlein, von 1946 bis 1959 selbst Ordinarius in Jena, bezeichnete Schultze als Reformator der Geburtshilfe und Begründer der modernen Gynäkologie.
Schultze beschrieb in seiner Arbeit Über die anomale Duplicität der Axenorgane als Erster, dass die Gebärmutter in der Embryonalzeit aus zwei Anlagen entsteht. Die von ihm 1866 erstmals veröffentlichte Methode der Wiederbelebung Neugeborener mittels Schwingen, galt seinerzeit als sehr erfolgreich.
Um 1864 hatte er die bimanuelle Palpation zur gynäkologischen Untersuchung ausgebaut.[9]
Über die anomale Duplicität der Axenorgane. Virchow’s Archiv VII
Das Nabelbläschen, ein constantes Gebilde in der Nachgeburt des ausgetragenen Kindes. W. Engelmann, Leipzig 1861 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Ueber die Lageveränderungen der Gebärmutter. Volkmann’s Slg. klin. Vortr., Breitkopf und Härtel, Leipzig, 1873
Zur Klarstellung der Indicationen für Behandlung der Ante- und Retroversionen und -flexionen der Gebärmutter. Volkmann’s Slg. klin. Vortr., Breitkopf und Härtel, Leipzig, 1879
Unser Hebammenwesen und das Kindbettfieber. Volkmann’s Slg. klin. Vortr., Breitkopf und Härtel, Leipzig, 1884
Lehrbuch der Hebammenkunst. W. Engelmann, Leipzig 1860 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Zur Therapie hartnäckiger Retroflexion der Gebärmutter. Slg. klin. Vortr., Breitkopf und Härtel, Leipzig, 1891
Unser Hebammenwesen und die Reformpläne. Volkmann’s Slg. klin. Vortr., Breitkopf und Härtel, Leipzig, 1903
Die Axendrehung (Cervixtorsion) des myomatösen Uterus. Volkmann’s Slg. klin. Vortr., Breitkopf und Härtel, Leipzig, 1906
Über den Scheintod Neugeborener und über Wiederbelebung scheintot geborener Kinder. J. A. Barth, Leipzig, 1918
Gustav Döderlein: Bernhard Sigmund Schultze-Jena, 1827–1919. Reformator der Geburtshilfe und Begründer der modernen Gynäkologie. Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena 7, 2/3 (1957/58), S. 149–153.
Lutz Hempel: Bernhard Sigmund Schultze: Leben und Werk.Promotion A, Jena 1990.
Udo Möller: Bernhard Sigmund Schultze-Jena (1827–1919). Bahnbrechender Geburtshelfer und Gynäkologe, in: Christian Fleck, Volker Hesse, Günther Wagner (Hrsg.): Wegbereiter der modernen Medizin. Jenaer Mediziner aus drei Jahrhunderten. Von Loder und Hufeland zu Rössle und Brednow. Verlag Dr. Bussert & Stadeler, Jena Quedlinburg 2004, ISBN 3-932906-43-8, S. 143–151.
Werner Buchholz (Hrsg.): Die Universität Greifswald und die deutsche Hochschullandschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Kolloquium des Lehrstuhls für Pommersche Geschichte der Universität Greifswald in Verbindung mit der Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Franz Steiner Verlag, 2004, ISBN 3-515-08475-4 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Hermann Trimborn: Leonhard Schultze Jena. In: Ingeborg Schnack (Hrsg.): Marburger Gelehrte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Lebensbilder aus Hessen, 1). Elwert. Marburg. 1977. S. 479.
↑Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff: Kurze Übersichtstabellen zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 44.
↑Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 44.