Begräbnisgesang op. 13 ist eine Komposition für gemischten Chor und Blasorchester von Johannes Brahms. Sie entstand 1858 und wurde am 2. Dezember 1859 in Hamburg uraufgeführt.
Johannes Brahms komponierte das Werk als 25-Jähriger im Oktober 1858, als er in Detmold als Klavierlehrer und Chorleiter tätig war. Ursprünglich hatte er für die Instrumentation auch tiefe Streicher vorgesehen, doch berichtete er im März 1859 in einem Brief an Joseph Joachim: „Meinen Grabgesang habe ich prächtig instrumentiert! Er sieht ganz anders aus, seit ich die ungehörigen Bässe und Celli gestrichen habe.“[1] Spekulationen, Brahms habe das Werk noch in Detmold mehrfach aufgeführt,[2] sind nicht belegt. Auch widerspricht dem eine briefliche Äußerung an Carl Grädener vom November 1859, in der Brahms schreibt: „Noch gar kein Hofconcert hatten wir, Singübungen wenig“.[3] Uraufgeführt wurde das Werk am 2. Dezember 1859 im Wörmerschen Saal des Hamburger Conventgartens; der Komponist selbst dirigierte seinen Hamburger Frauenchor.[4] Als Titel hatte Brahms ursprünglich Gesang zum Begräbnis vorgesehen, dies aber später zu Grabgesang geändert. Der endgültige Titel Begräbnis-Gesang wurde beim Druck des Werkes 1860 vom Verleger Jakob Melchior Rieter-Biedermann festgelegt.
Über den Kompositionsanlass sind keine gesicherten Fakten überliefert. Neben der Erinnerung an den zwei Jahre zuvor verstorbenen Freund Robert Schumann könnte auch Brahms’ Beziehung zu dessen Ehefrau Clara eine Rolle gespielt haben. Nach Übersendung des Manuskripts antwortete Clara Schummann an Brahms: „Das lass mir einmal an meinem Grabe singen – ich meine, bei diesem Stücke habest du doch an mich gedacht.“[5] Jürgen Neubacher verweist darauf, dass im Eingangsmotiv des Werkes Clara Schumanns Intialen „C. SCH.“ als Tonsymbol identifiziert werden können.[6]
Text
Der Text besteht aus den sieben Strophen des Chorals Nun laßt uns den Leib begraben von Michael Weiße. Er erschien erstmals 1531 im Gesangbuch der Böhmischen Brüder.[7] Dieses Lied ist bis heute in Gesangbüchern verbreitet und findet sich in textlich überarbeiteter Form unter dem Titel Nun legen wir den Leib ins Grab unter der Nr. 520 im Evangelischen Gesangbuch.[8] Die Verse des Textes sind streng achtsilbig, entziehen sich aber einem metrischen Schema.
Nun laßt uns den Leib begraben,
bei dem wir kein’n Zweifel haben,
er werd am letzten Tag aufstehn,
und unverrücklich herfür gehn.
Erd ist er und von der Erden,
wird auch wieder zu Erd werden,
und von Erden wieder aufstehn,
wenn Gottes Posaun wird angehn.
Seine Seel lebt ewig in Gott,
der sie allhier aus seiner Gnad
von aller Sünd und Missetat
durch seinen Bund gefeget hat.
Sein Arbeit, Trübsal und Elend
ist kommen zu ein’m guten End,
er hat getragen Christi Joch,
ist gestorben und lebet noch.
Die Seel, die lebt ohn alle Klag,
der Leib schläft bis am letzten Tag,
an welchem ihn Gott verklären
und der Freuden wird gewähren.
Hier ist er in Angst gewesen,
dort aber wird er genesen,
in ewiger Freude und Wonne
leuchten wie die schöne Sonne.
Nun lassen wir ihn hier schlafen,
und gehn allsamt unser Straßen,
schicken uns auch mit allem Fleiß,
denn der Tod kommt uns gleicher Weis.
Das Werk ist formal zweiteilig gegliedert, wobei in der Schlussstrophe die Melodie der ersten Strophe wiederaufgenommen wird. Die Gruppen der Strophen I–III und IV–VI sind in sich symmetrisch angelegt, so dass sich folgendes Strophenschema ergibt: A – B – A’ – C – D – C’ – A’. Die strophische Anlage wird durch kurze instrumentale Zwischenspiele betont. Die Anfangs- und Schlussstrophe sind durch einen responsorialen Wechsel zwischen einer Vorsängergruppe (I. Strophe: Bass II; VII. Strophe: Alt) und dem Chor charakterisiert; das Schweigen der Sopranstimme in diesen Strophen nimmt satztechnisch ähnliche Merkmale des Deutschen Requiems (1865–68) vorweg.
Die Komposition steht in der Grundtonart c-Moll, der zweite Teil ist nach Dur aufgehellt. Das Zeitmaß ist durchgehend gemessen (Marcia funebre). Die Melodik ist modal beeinflusst. Die konsequente Rhythmisierung führt unweigerlich zu Betonungsfehlern, die Brahms durch die Melodieführung auszugleichen bemüht war, denen aber aufführungspraktisch vor allem durch eine eher mensurale, also gewichtsneutrale Wiedergabe der Taktzeiten begegnet werden kann, was zu einer Aufführungsweise führt, „die zugleich gewichtig und doch schwebend ist“.[9]
Literatur
Michael Anderl: Begräbnisgesang für Chor c-Moll, op. 13. In: Claus Bockmaier, Siegfried Mauser (Hrsg.): Johannes Brahms – Interpretationen seiner Werke. Band 1. Laaber-Verlag, Laaber 2013, ISBN 978-3-89007-445-0, S. 86–90.
Karl Michael Komma: Vorwort. In: Günter Graulich (Hrsg.): Johannes Brahms. Begräbnisgesang op. 13. Partitur (= Carus 40.181). Carus, Stuttgart 1983, ISMN979-0-007-06410-5, S. 2; Voransicht.
Siegfried Kross: Die Chorwerke von Johannes Brahms. Max Hesse, Berlin und Wunsiedel 1958, S. 76–85.
Margit L. McCorkle: Johannes Brahms. Thematisch-bibliographisches Werkverzeichnis. Henle, München 1984, ISBN 3-87328-041-8, S. 40–43.
Jürgen Neubacher: Brahms’ Begräbnisgesang op. 13. Neue Quellen und Erkenntnisse zur Werkgeschichte. In: Brahms-Studien, Band 12, 1999, ISSN0341-941X, S. 97–117.
Werner Oehlmann, Alexander Wagner: Reclams Chormusik- und Oratorienführer. 7. Auflage. Reclam, Stuttgart 1999, ISBN 3-15-010450-5, S. 395 f.
Victor Ravizza: Sinfonische Chorwerke: Begräbnisgesang für Chor und Blasinstrumente op. 13. In: Wolfgang Sandberger (Hrsg.): Brahms Handbuch. Metzler, Stuttgart und Bärenreiter, Kassel 2009, ISBN 978-3-476-02233-2, S. 299; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
Hanns Christian Stekel: Sehnsucht und Distanz. Theologische Aspekte in den wortgebundenen religiösen Kompositionen von Johannes Brahms (= Europäische Hochschulschriften. 23,592). Lang, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-631-30416-1, S. 99 ff.
↑Andreas Moser (Hrsg.): Johannes Brahms im Briefwechsel mit Joseph Joachim. 1. Band (= Johannes Brahms Briefwechsel. Band 5). 3., durchgesehene und vermehrte Auflage. Deutsche Brahms-Gesellschaft, Berlin 1921, S. 239; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
↑Willi Schramm: Johannes Brahms in Detmold. Kistner & Siegel, Leipzig 1933, S. 62; llb-detmold.de.
↑Ein New Gesengbuchlein. Jungbunzlau 1531, DKL 153102, XL 8 im VD 16. Neudruck als: Gesangbuch der Böhmischen Brüder 1531. In originalgetreuem Nachdruck herausgegeben von Konrad Ameln. Bärenreiter, Kassel, Basel 1957, OCLC633865841.
↑Ulrike Süss, Michael Fischer: 520 – Nun legen wir den Leib ins Grab. In: Gerhard Hahn, Jürgen Henkys (Hrsg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Band9. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-50332-6, S.79–84.