Bad Wilsnack befindet sich am Südwestrand der Prignitz, nur wenig nördlich der Mündung der Havel in die Elbe, ungefähr auf der Hälfte der Bahnstrecke Berlin–Hamburg. Die Stadt liegt an der Karthane, einem kleinen Fluss, der im Herzen der Prignitz entspringt und bei Wittenberge in die Elbe fließt. Das Gebiet um Bad Wilsnack ist Teil des brandenburgischen Biosphärenreservates Flusslandschaft Elbe-Brandenburg. Nur wenige Kilometer südlich der Stadt liegt das „Storchendorf“ Rühstädt.
Des Weiteren gehören die Wohnplätze Arnoldsruh, Kampehl und Lanken zur Stadt.
Geschichte
Im Jahr 1384 wurde Wilsnack, dessen frühe Geschichte durch seine Lage im wendisch-sächsischen Grenzgebiet bestimmt wurde, zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Anlass war die Zerstörung der Kirche, als der Ritter Heinrich von Bülow am 15. August 1383 Ort und Kirche niederbrennen ließ. In der Ruine sollen auf dem Altar drei Hostien mit roten Flecken gefunden worden sein, die man für Blut hielt – Blutwunderhostien. Am 20. Februar 1384 stellte Papst Urban VI. Wilsnack einen Ablassbrief zum Wiederaufbau der Wallfahrtskirche aus. Wilsnack wurde dadurch ein Wallfahrtsort für die Region und für Gläubige aus vielen Ländern, von den britischen Inseln ebenso wie aus dem Baltikum, aus Ungarn oder Skandinavien. Wilsnack galt als Santiago Nordeuropas und somit als einer der wichtigsten Wallfahrtsorte in Europa.[4]
Mit den Geldern der Wallfahrer bauten die Bischöfe von Havelberg die Kirche ab 1384 als Wunderblutkirche St. Nikolai wieder auf; später dienten sie dem Bistum als Einkunftsquelle. Wilsnack war vor allem bei böhmischen Pilgern als Wallfahrtsziel beliebt, weshalb sich Jan Hus 1403 vehement gegen die Verehrung des Wunderblutes aussprach. Als die Magdeburger Synode 1443 die Wallfahrten beenden wollte, setzte sich der Havelberger Bischof gemeinsam mit Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg und mit Unterstützung des Papstes gegen das angestrebte Verbot durch. Die Wallfahrten endeten mit der Verbrennung der vermeintlichen Bluthostien durch den ersten evangelischen Geistlichen im Jahre 1552, wofür er zunächst inhaftiert und später des Landes verwiesen wurde. Der Wunderblutschrein aus der Mitte des 15. Jahrhunderts ist jedoch noch vorhanden. Infolge der Hostienzerstörung ebbten die Pilgerströme im Laufe des 16. Jahrhunderts allmählich ab und bewirkten einen wirtschaftlichen Niedergang der Stadt.
Die Herrschaft Wilsnack kam 1560 an die Familie von Saldern, die kurz zuvor bereits den Sitz der Bischöfe, die Plattenburg, als Pfandbesitz erhalten hatte. Im Prälatenhaus zu Wilsnack nahmen sie ihren Sitz. Das Herrenhaus wurde 1780 zu einem Schloss erweitert. Ende des 19. Jahrhunderts war Hugo von Saldern (1821–1896) Besitzer von Gut Wilsnack, sein Nachfolger[5] wurde ein jüngerer Vetter, Achim von Saldern. Er war der letzte Eigentümer des Gutes, welches als unteilbares Fideikommiss geführt wurde.[6] Zum Rittergut Wilsnack gehörte zeitgleich das Rittergut Oevelgründe. Beide zusammen umfassten 1420 ha Land.[7] 1945 wurde die Familie enteignet. Das Herrenhaus brannte 1976 ab.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde Wilsnack von kaiserlichen, sächsischen, dänischen und schwedischen Truppen geplündert. Stadtbrände verursachten mehrfach Schäden, etwa in den Jahren 1690, 1703, 1826 und 1828. Am 2. September 1826 verloren 85 Familien ihre Unterkunft, als ein Feuer 24 Wohnhäuser zerstörte.
Schwere Schäden entstanden auch durch Überschwemmungen, so 1709 durch einen Bruch des Elbdeichs. Am 6./7. März 1830 wurden die heutigen Ortsteile Groß Lüben und Klein Lüben nach mehreren Dammbrüchen völlig überschwemmt. Die Dammbrüche entstanden durch Eisgang und Eisstau auf der Elbe; die Schäden waren beträchtlich.[8]
1846 wurde die Eisenbahnlinie Hamburg–Berlin (Strecke nördlich der Elbe) fertiggestellt, die auch einen Haltepunkt in Wilsnack besaß. Von nun an war die beschauliche Stadt für erholungssuchende Großstädter gut erreichbar, und es begann ein bescheidener wirtschaftlicher Aufschwung. 1899 sandte der Stadtförster Gustav Zimmermann (1841–1914) Moorproben in einer Heringsdose nach Berlin, um diese auf ihre Heilwirkung untersuchen zu lassen. Dabei wurde ein recht hoher Gehalt an Eisenoxiden (über 28 Prozent) und Huminsäuren festgestellt. Wilsnack entwickelte sich daraufhin zum Kurort. Am 1. Mai 1907 konnte die Moorbadeanstalt als städtische Kureinrichtung eingeweiht werden, in der vor allem rheumatische Leiden sowie Unterleibserkrankungen, chronische Gallenblasen-, Blinddarm-, Venen- und Krampfaderentzündungen behandelt wurden. 1928 wurde eine Moorbahn in Betrieb genommen. Im September 1929 erhielt die Stadt nach der Eröffnung eines Genesungsheims für Sozialversicherte („Goethehaus“, jetzt Seniorenresidenz „Haus Goethe“) vom preußischen Staatsministerium offiziell den Titel „Bad“. Dies hatte einen kontinuierlichen Anstieg der Gästezahlen zur Folge, was zum weiteren Aufschwung des Ortes beitrug. 1940 kam der Badebetrieb infolge des Zweiten Weltkriegs jedoch zum Erliegen.
Das hartnäckige Bemühen der Wilsnacker Bürger um Wiedereröffnung des Kurbades nach Kriegsende führte 1946 zur Wiedererteilung der entsprechenden Genehmigung durch die Sowjetische Militäradministration. In der Folgezeit entwickelte sich Bad Wilsnack mit rund 3000 Besuchern pro Jahr zu einem der größten Moorbäder der DDR. Der Zustand der Kureinrichtungen war jedoch zuletzt so schlecht, dass nach der Wende die Verwaltung des Landes Brandenburg an eine Abwicklung des Bades dachte. Diese wurde durch das private Engagement eines Arztehepaars verhindert, welches im Dezember 1990 die Kurklinik Bad Wilsnack GmbH gründete. 1993 konnte bereits die neue Elbtalklinik eingeweiht werden. 1997 wurde schließlich das tief unter der Stadt befindliche Solevorkommen angebohrt, um dieses ebenfalls für den Kurbetrieb zu nutzen. Seit 2003 ist Bad Wilsnack als Thermalsole- und Moorbad staatlich anerkannt.
Zur Erinnerung an Stadtförster Zimmermann, dem die Entdeckung der Moorvorkommen zu verdanken ist, enthüllte die Stadtverwaltung im Jahr 2006 einen Gedenkstein vor der Kurhalle.
Zur Zeit der Wende 1989/1990 versammelten sich ab Oktober 1989 jeweils montags etwa tausend Menschen in der Wunderblutkirche zum Friedensgebet. Der folgende Kerzenumzug folgte dem Vorbild der Montagsdemonstrationen in größeren Städten der DDR. Der erste Nachwendebürgermeister Bad Wilsnacks, Dietrich Gappa, wurde im Mai 1990 in der ehemaligen Wallfahrtskirche gewählt. Im selben Jahr wurde wieder Religionsunterricht in der Schule erteilt.[9]
Groß Lüben und Klein Lüben gehören seit dem 1. Februar 1974 zu Bad Wilsnack.[10] Grube wurde am 31. Dezember 2001 eingemeindet.[11]
Bevölkerungsentwicklung
Jahr
Einwohner
1875
2 252
1890
2 257
1910
2 076
1925
2 277
1933
2 293
1939
2 300
Jahr
Einwohner
1946
3 661
1950
3 213
1964
2 696
1971
2 610
1981
3 136
1985
3 053
Jahr
Einwohner
1990
2 838
1995
2 616
2000
2 833
2005
2 837
2010
2 635
2015
2 558
Jahr
Einwohner
2020
2 553
2021
2 536
2022
2 588
2023
2 577
Gebietsstand des jeweiligen Jahres, Einwohnerzahl: Stand 31. Dezember (ab 1991)[12][13][14], ab 2011 auf Basis des Zensus 2011
Politik
Stadtverordnetenversammlung
Die Stadtverordnetenversammlung von Bad Wilsnack besteht aus 16 Stadtverordneten und dem ehrenamtlichen Bürgermeister. Die Kommunalwahl am 9. Juni 2024 führte zu folgendem Ergebnis:[15]
Richter wurde in der Bürgermeisterwahl am 9. Juni 2024 mit 61,2 % der gültigen Stimmen für eine Amtszeit von fünf Jahren[19] gewählt.[20]
Wappen
Blasonierung: „In Blau auf grünem Boden eine silberne Kirche mit rot-geschindeltem Dach und Dachreiter, schwarzer Tür, schwarzen Fenstern und einem Rundturm beiderseits des Portals; die Türme haben schwarz-beknaufte rote Spitzdächer.“[21]
Wappenbegründung: Ein wohl noch dem 14. Jahrhundert angehörendes Siegel lässt von der Umschrift nur noch ...WILSNA... erkennen. Es zeigt, wie auch der noch erhaltene Stempel des im Jahre 1586 gebrauchten SIGILLVM WILZNACK und alle späteren Siegel, das Bild der einst vielbesuchten Wallfahrtskirche zum heiligen Blut. Das Wappenbild entstand im Hinblick auf den mittelalterlichen Wallfahrtsort. Vielleicht sollte im Wappen auch ein Unterstellungsverhältnis zum Ausdruck kommen, da Wilsnack damals zum Tafelgut des Bischofs von Havelberg gehörte und auch von den Havelberger Bischöfen seine Gerechtsamkeit erhielt.
Das Wappen wurde am 8. Januar 1992 genehmigt.
Flagge
Die Flagge ist Blau - Weiß - Grün (1:1:1) gestreift und mittig mit dem Stadtwappen belegt.
Sehenswürdigkeiten
Stadtbild
Das Stadtbild Bad Wilsnacks ist geprägt von der Wunderblutkirche an der Großen Straße. An dieser Straße befinden sich auch das Alte Rathaus, ein Fachwerkbau aus dem 18. Jahrhundert, sowie das Neue Rathaus von 1865, inzwischen Sitz des Amtes Bad Wilsnack/Weisen. Die Große Straße ist wegen einer Vielzahl von meist zweistöckigen Fachwerkhäusern sehenswert, die zum Teil aus dem späten 17. Jahrhundert stammen und unter Denkmalschutz stehen.
Das Haus Große Straße 27 aus dem Jahr 1692 hat trotz der schmalen Front zwei Eingänge. Unter Denkmalschutz steht auch die ehemalige Apotheke, Große Straße 25. Die Gebäude, zum Teil reine Wohnhäuser, zum Teil mit Ladengeschäften im Erdgeschoss, wurden nach der Wende saniert.
In der Liste der Baudenkmale in Bad Wilsnack stehen die in der Denkmalliste des Landes Brandenburg eingetragenen 30 Baudenkmale der Stadt (Stand 2015).
Geschichtsdenkmale
Auf dem Städtischen Friedhof erinnert seit 1965 ein Gedenkstein an den ehemaligen jüdischen Friedhof und damit an die jüdischen Mitbürger des Ortes
Das Thermalbad wird durch die Kristall-Bäder AG aus Stein betrieben. Es umfasst:
vier Thermal-Heilwasserbecken mit unterschiedlicher Sole-Konzentration
Außenbecken mit Wildbachstrudler
Edelstein-Meditationsgrotte
acht Themensaunen und zwei Dampfbäder, Eisnebelgrotte
Osmanischer Hamam und Sauna-Bistro
Salzwasserwand und -sauna
Innen- und Außensalzsee mit 24%iger Sole
Wirtschaft und Infrastruktur
Ansässige Unternehmen
Neben Handwerksbetrieben sind die KMG Kliniken AG mit Elbtalklinik, eine Fachklinik für Orthopädie und Rheumatologie, das Kurmittelhaus, die Seniorenresidenz und das Hotel ambiente, die Kristall Kur- und Gradiertherme sowie Cleo Schreibgeräte GmbH größere Arbeitgeber Bad Wilsnacks. Die Cleo Schreibgeräte GmbH hat ihren Sitz in der ehemaligen Jahnschule, die 1911 gebaut wurde.
Karl Saur (um 1901–1978), Bürgermeister von Bad Wilsnack
Literatur
nach Autoren / Herausgebern alphabetisch geordnet
Annett Dittrich, Kerstin Geßner: Küchengarten, Lustqvartir und Goethepark. Der Wilsnacker Gutspark als historischer Bezugspunkt einer märkischen Kleinstadt – eine gartengeschichtliche Bestandsaufnahme. In: Die Gartenkunst 2022/1, S. 136–150.
Hartmut Kühne, Anne-Katrin Ziesak (Hg.): Wunder – Wallfahrt – Widersacher. Die Wilsnackfahrt. Verlag Friedrich Pustet 2005.
Bärbel Mann: Kurort Bad Wilsnack. Vom Wallfahrtsort zum Moorheilbad. In: Die Mark Brandenburg, Heft 89, 2013, S. 26–31.
Klaus Neitmann (Hrsg.): Historisches Ortslexikon für Brandenburg. Bearbeitet von Lieselott Enders (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs (Staatsarchiv Potsdam). Band3). Teil 1: Prignitz – N–Z. Verlag Klaus-D. Becker, Potsdam 2012, ISBN 978-3-88372-033-3, S.959ff.
Rainer Oefelein: Wanderführer „Brandenburg: Auf den Spuren des mittelalterlichen Pilgerwegs von Berlin nach Wilsnack“. Outdoor-Handbuch (2006), ISBN 3-89392-589-9
Jan Peters: 600 Jahre Wilsnack. Von den Anfängen bis 1700. Rat der Stadt, Bad Wilsnack 1984.
Jan Peters: Märkische Lebenswelten. Gesellschaftsgeschichte der Herrschaft Plattenburg-Wilsnack, Prignitz 1550–1800. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2007.
↑Hans Friedrich v. Ehrenkrook: Genealogisches Handbuch der Adeligen Häuser / A (Uradel) 1953. In: Unter Aufsicht des Ausschusses für adelsrechtliche Fragen / in Gemeinschaft mit dem Deutschen Adelsarchiv (Hrsg.): GHdA Gesamtreihe von 1951 bis 2015. BandI, Nr.5. C. A. Starke, Glücksburg/Ostsee 1953, S.325–328 (d-nb.info [abgerufen am 20. August 2021]).
↑Karl Jenrich: Album der Zöglinge der Klosterschule Roßleben von 1854 bis 1904. Nebst Nachträgen zum Album vom Jahre 1854. In: Klosterschule Rossleben (Hrsg.): Schulverzeichnis. hier Achim v. Saldern, Zögling-No.: 510. Selbstverlag der Klosterschule, Rossleben 1904, S.125 (d-nb.info [abgerufen am 20. August 2021]).
↑Paul Ellerholz, E. Kirstein, Traug. Müller, W. Gerland, Georg Volger: Handbuch des Grundbesitzes im Deutschen Reiche, I., Das Königreich Preussen, I. Lieferung, Provinz Brandenburg, 1896. Hrsg.: Nach amtlichen und authentischen Quellen bearbeitet. 3. Auflage. R. StrickerNicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1896, S.240–241 (digi-hub.de [abgerufen am 20. August 2021]).
↑
Amts-Blatt der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin, Jahrgang 1830, 14. Stück vom 2. April 1830, S. 67 Online bei Google Books
↑Ev. Kirche St. Nikolai Bad Wilsnack. In: Schnell-Kunstführer, Nr. 2125, Schnell & Steiner, Regensburg 1994, S. 37
↑Gemeinden 1994 und ihre Veränderungen seit 1. Januar 1948 in den neuen Ländern. Verlag Metzler-Poeschel, Stuttgart, 1995, ISBN 3-8246-0321-7, Herausgeber: Statistisches Bundesamt
↑Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Statistischer Bericht A I 7, A II 3, A III 3. Bevölkerungsentwicklung und Bevölkerungsstand im Land Brandenburg (jeweilige Ausgaben des Monats Dezember)