Windelband trat zuerst als Historiker der Philosophie, darin seinem Lehrer Kuno Fischer folgend, in Erscheinung, sodann als einer ihrer bedeutenderen Systematiker, hierin seinen Lehrer Hermann Lotze weiterführend. Lotze, der den Bereich des Seienden, der sich (nach Kant) durch quaestio facti nach faktiven Erkenntnisbedingungen vermittelt, und den Bereich des Geltenden, der durch quaestio iuris nach aktiven Bedingungen seiner Erkenntnis vermittelt erscheint, unterschied, ließ die quaestio iuris von der quaestio facti in Abhängigkeit treten. Dieses Verhältnis kehrt Windelband um, indem er bestimmt, dass als faktive (tätige) Wahrheit zu gelten habe, was zuvor einem gültigen Urteil entspringt.
Windelband bemühte sich vor allem um die Abgrenzung von Naturwissenschaften und Kulturwissenschaften (Geisteswissenschaften). Die Naturwissenschaften verfahren „nomothetisch“, d. h., die sind mit der Auffindung allgemeiner Gesetze befasst („nomothetisch“ = „Gesetze erstellend“). Die Kulturwissenschaften haben es dagegen mit dem Einmaligen, Individuellen und Besonderen zu tun, sie verfahren „idiographisch“ („idiographisch“ = „Einzelnes beschreibend“). Gleichwohl machte Windelband aber deutlich, dass die idiographischen Wissenschaften auf die nomothetischen angewiesen sind: „Andererseits bedürfen nun aber die idiographischen Wissenschaften auf Schritt und Tritt der allgemeinen Sätze, welche sie in völlig korrekter Begründung nur den nomothetischen Disziplinen entlehnen können.“[4]
Windelband trat außerdem als Philosophiehistoriker hervor. Sein Lehrbuch der Geschichte der Philosophie 1892 erlebte viele Auflagen und wurde von Heinz Heimsoeth fortgeführt. Sein wichtigster Schüler war Heinrich Rickert.
Wilhelm Windelband fand seine letzte Ruhe auf dem Heidelberger Bergfriedhof. Seine Grabstätte wird geschmückt von einem schlichten Grabmal, einem liegenden Quader aus Granit, auf dem die Lebensdaten von Wilhelm Windelband, die seiner Ehefrau Martha Windelband und die der gemeinsamen Tochter Elly Stutz, geborene Windelband, vermerkt sind.[5] Die Grabstätte befindet sich in der Abteilung X, sie liegt direkt im Anschluss an die Waldabteilung.
Werke
Die Lehren vom Zufall. Berlin 1870. 80 S. Diss. Univ. Göttingen 1870.
Über die Gewissheit der Erkenntniss. Eine psychologisch-erkenntnisstheoretische Studie. Berlin 1873. IV, 96 S. Habil. Univ. Leipzig 1873.
Die Geschichte der neueren Philosophie in ihrem Zusammenhange mit der allgemeinen Cultur und den besonderen Wissenschaften dargestellt. 2 Bde. Leipzig 1878–1880. Bd. 1: Von der Renaissance bis Kant. 1878. VIII, 580 S. Bd. 2: Die Blüthezeit der deutschen Philosophie. Von Kant bis Hegel und Herbart. 1880. VI, 398 S.
Präludien. Aufsätze und Reden zur Einleitung in die Philosophie. Freiburg Breisgau 1884. VI, 326 S.
Geschichte der alten Philosophie. Handbuch der classischen Alterthums-Wissenschaft in systematischer Darstellung. Mit besonderer Rücksicht auf Geschichte und Methodik der einzelnen Disziplinen. Hrsg. v. Iwan Müller. Abt. 5. Bd. 1. Tl. 1. Nördlingen 1888. VIII, 338 S.
Geschichte der Philosophie. Freiburg Breisgau 1892. 516 S.
Platon. Frommanns Klassiker der Philosophie. Bd. 9. Straßburg 1900. 190 S.
Lehrbuch der Geschichte der Philosophie. 3. Aufl. d. Geschichte der Philosophie. Tübingen 1903. VIII, 576 S. 7. unveränd. Aufl. Tübingen 1916 (Digitalisat).
Über Willensfreiheit. Zwölf Vorlesungen. Tübingen 1904. VIII, 224 S.
Die Philosophie im deutschen Geistesleben des XIX. Jahrhunderts. Fünf Vorlesungen. Tübingen 1909. 120 S.
Präludien. Aufsätze und Reden zur Philosophie und ihrer Geschichte. 4., aberm. verm. Aufl. 1911. Bd. 1: XII, 276 S. Bd. 2: IV, 322 S.
Logik. Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften. In Verb. m. Wilhelm Windelband hrsg. v. Arnold Ruge. Bd. 1. Tl. 1. Tübingen 1912. VIII, 276 S.
Die Prinzipien der Logik. Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften. In Verb. m. Wilhelm Windelband hrsg. v. Arnold Ruge. Bd. 1. [Tl. 2] Tübingen 1913. 60 S.
Einleitung in die Philosophie. Grundriß der philosophischen Wissenschaften. Hrsg. v. Fritz Medicus. Bd. 1. Tübingen 1914. XII, 442 S.
Die Hypothese des Unbewussten. Festrede gehalten in der Gesamtsitzung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften am 24. April 1914. Heidelberg 1914. 22 S.
Geschichtsphilosophie. Eine Kriegsvorlesung. Fragment aus dem Nachlass. Hrsg. v. Wolfgang Windelband. Kant-Studien. Ergänzungshefte. Bd. 38. Berlin 1916. 68 S.
Literatur
Tsun-Hwa Chang: Wert und Kultur. Wilhelm Windelbands Kulturphilosophie. Königshausen & Neumann, Würzburg 2012, ISBN 978-3-8260-4960-6.
Horst Gundlach: Wilhelm Windelband und die Psychologie: Das Fach Philosophie und die Wissenschaft Psychologie im Deutschen Kaiserreich. Heidelberg University Publishing, Heidelberg 2017. doi:10.17885/heiup.203.276 (Digitalisat).
↑Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 261.
↑Wilhelm Windelband im Mitgliederverzeichnis der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
↑Wilhelm Windelband: „Geschichte und Naturwissenschaft“ [Rede zum Antritt des Rektorats der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg, gehalten am 1. Mai 1894], in: ders.: Präludien. Aufsätze und Reden zur Philosophie und ihrer Geschichte, Bd. 2, 9. Aufl., Tübingen 1924: Mohr.
↑Leena Ruuskanen: Der Heidelberger Bergfriedhof im Wandel der Zeit. Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2008, ISBN 978-3-89735-518-7.