Ein wesentlicher Interessensschwerpunkt Kühnes war die Verdauungsphysiologie. Er entdeckte das eiweißspaltende Verdauungsenzym Trypsin, welches er 1867 benannte. Er beobachtete das Vorliegen einer inaktiven Vorstufe (Zymogen) des Enzyms, charakterisierte es hinsichtlich seiner Aktivität im alkalischen Milieu und beschrieb Trennverfahren.[1] Ihm gelang 1867 die weitgehende Isolierung des Trypsins.[5] Der Begriff „Enzym“ wurde durch ihn geprägt[6] und verdrängte den bis dahin verbreiteten Begriff „Ferment“.[7]
In seinen Arbeiten zum Sehen ab 1877 griff Kühne die Arbeiten des Physiologen Franz Boll auf, der 1876 beschrieben hatte, dass das später als Rhodopsin bezeichnete Sehpigment unter dem Einfluss von Licht verblasse und im Dunkeln seine Farbe regeneriere. Kühne bestätigte diese Beobachtungen, bezeichnete das Pigment aber aufgrund der von ihm beobachteten violetten Farbe als „Sehpurpur“. Er widersprach Boll auch dahingehend, dass der Farbverlust und die Regeneration nur in einem lebenden Organismus möglich seien und demonstrierte dies an einer isolierten Netzhaut (Retina). Weiterhin brachte er das Rhodopsin in Lösung und postulierte einen Proteinanteil. Die photochemische Reaktion erwies sich als abhängig von der Wellenlänge des Lichtes und der Lichtintensität.[1][8][9] Aus seinen vielfältigen Untersuchungen zum Sehen im Tierversuch gingen auch die sogenannten Optogramme hervor, Abbildungen von zuvor fixierten Gegenständen auf der Netzhaut eines toten Lebewesens. Zeitgenössischen Überlegungen, diese Optogramme für forensische Zwecke zu nutzen, begegnete Kühne distanziert.[1]
Bereits als junger Forscher hatte sich Kühne der Muskelphysiologie zugewandt, über die er zeitlebens forschte. An Froschmuskeln stellt er Forschung zur Muskelkontraktion und zur Erregungsausbreitung in Nerven an. Er postulierte die Existenz einer Endplatte zwischen Muskel und Nerv, die von Julius Friedrich Cohnheim bestätigt werden konnte.[1]
Die Physiologin Ida Henrietta Hyde wurde 1896 unter Kühne und gegen dessen anfänglichen Widerstand an der Universität Heidelberg promoviert. Später wandelte er sich zum Förderer ihrer Karriere.[10]
Grab von Willy (Wilhelm) Kühne und seiner Frau auf dem Heidelberger Bergfriedhof
Über die peripherischen Endorgane der motorischen Nerven. Engelmann, Leipzig 1862. (archive.org)
Untersuchungen über das Protoplasma und die Contractilität. Engelmann, Leipzig 1864. (archive.org)
Über die Verdauung der Eiweißstoffe durch den Pankreassaft. In: Virchows Archiv für pathologische Anatomie. Band 38, 1867, S. 130–172.
Literatur
Hans Neurath, Robert Zwilling: Willy Kühne und die Anfänge der Enzymologie. In: Semper apertus. Sechshundert Jahre Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. 1386–1986. Band 2, Springer, Heidelberg 1985, ISBN 3-540-15425-6, S. 361–370.
Douglas A. Lanska: Historical aspects of the major neurological vitamin deficiency disorders: overview and fat-soluble vitamin A. In: S. Finger, F. Boller, K. L. Tyler (Hrsg.): History of Neurology. Elsevier, 2010, ISBN 978-0-444-52009-8, S. 438f. (Zu Kühnes Forschungen zum Sehen.)
Dagmar Drüll: Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803–1932. (Hrsg.): Rektorat der Ruprecht-Karls-Universität-Heidelberg. Springer Berlin Heidelberg Tokio. 2012. 324 S. ISBN 978-3-642-70761-2
↑ abcdefghiHans Neurath, Robert Zwilling: Willy Kühne und die Anfänge der Enzymologie. In: Semper apertus. Sechshundert Jahre Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. 1386–1986. Band 2, Springer, Heidelberg 1985, ISBN 3-540-15425-6, S. 361–370.
↑Willy Kühne: Über künstlichen Diabetes bei Fröschen. Huth, 1856.
↑Der biographische Abriss in Semper apertus nennt seinen Jenaer Lehrer fälschlicherweise Carl Gustav Lehmann.
↑Axel W. Bauer: Kühne, Friedrich Wilhelm. In: Enzyklopädie Medizingeschichte. 2005, S. 812.
↑K. Zimmermann: Bauchspeicheldrüse. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 89–106, hier: S. 90.
↑Axel W. Bauer: Kühne, Friedrich Wilhelm. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin u. a. 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 812.
↑Elmar Seebold, Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24. Auflage.
↑S. Costanzi, J. Siegel, I. G. Tikhonova, K. A. Jacobson: Rhodopsin and the others: a historical perspective on structural studies of G protein-coupled receptors. In: Current Pharmaceutical Design. Band 15, Nummer 35, 2009, S. 3994–4002, ISSN1873-4286. PMID 20028316. PMC 2801150 (freier Volltext). (Review).
↑Douglas A. Lanska: Historical aspects of the major neurological vitamin deficiency disorders: overview and fat-soluble vitamin A. In: S. Finger, F. Boller, K. L. Tyler (Hrsg.): History of Neurology. Elsevier, 2010, ISBN 978-0-444-52009-8, S. 438f.
↑Louise S. Grinstein, Carol A. Biermann, Rose K. Rose (Hrsg.): Women in the Biological Sciences. A Biobibliographic Sourcebook. 1997, S. 247.