Fließ, Sohn einer jüdischen Familie, hatte in Berlin, wo er 1883 promoviert wurde, Medizin studiert und bei Hugo Kronecker eine Weiterbildung zum Physiologen erhalten, bevor er sich als Hals- und Nasenspezialist niederließ.[1] Seine Praxis befand sich in Berlin-Tiergarten (Wichmannstraße 4a). Er schrieb im Jahr 1906[2] eine erste Abhandlung über einen angeblichen zeitlichen Zusammenhang zwischen Erkrankung, Gesundung und Todesdatum. Er glaubte, bei Krankheitsverläufen seiner Patienten einen solchen Zusammenhang gefunden zu haben, und nannte ihn Biorhythmus.
Fließ hat Emma Eckstein operiert.
Fließ war ein enger Freund und Vertrauter Sigmund Freuds, der an Fließ’ Theorie zur Therapierbarkeit der Dysmenorrhoe durch Einwirkungen an der Nasenschleimhaut besonderes Interesse fand.[3] Insbesondere die Sexualätiologie der Neurosen und das Interesse an dem Thema Bisexualität hat die beiden beinahe gleichaltrigen Mediziner eng verbunden. Die gemeinsamen Treffen bezeichnete Freud gerne als „Kongresse“. Mit Fließ führte Freud seine Selbstanalyse durch und konnte so seine Metapsychologie (Bedeutung des dynamischen Unbewussten, Rolle der infantilen Sexualität) weiterentwickeln. Fließ und Freud entfremdeten sich zunehmend; im Jahr 1903 trafen sie sich zum letzten Mal. Die Briefe von Freud an Fließ aus den Jahren 1887 bis 1904 blieben erhalten und wurden 1950 in gekürzter Form von Marie Bonaparte, Anna Freud und Ernst Kris herausgegeben. 1985 erschien eine ungekürzte Ausgabe.[4]
Wilhelm Fließ hatte zwei Söhne und eine Tochter (Paulinchen). Sein Grab befindet sich auf dem Berliner Friedhof Dahlem.[5]
Neue Beiträge zur Klinik und Therapie der nasalen Reflexneurose. Leipzig und Wien 1893.
Die Beziehungen zwischen Nase und weiblichen Geschlechtsorganen (In ihrer biologischen Bedeutung dargestellt)Digitalisat. Franz Deuticke, Leipzig und Wien 1897.
Die Beziehungen zwischen Nase und weiblichen Geschlechtsorganen (In ihrer biologischen Bedeutung dargestellt). Leipzig und Wien 1897. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2007.
Der Ablauf des Lebens. Grundlegung zur exakten Biologie. 1906
Vom Leben und Tod. 1914
Zur Periodenlehre. 1925
Von den Gesetzen des Lebens. Campus Verlag, Edition Qumran, Frankfurt am Main 1985.
Literatur
Sigmund Freud: Briefe an Wilhelm Fließ, 1887–1904. 2. Auflage. S. Fischer, 1999 (Mit Errata und Addenda).
Oskar Pfennig: Wilhelm Fließ und seine Nachentdecker Otto Weininger und Hermann Swoboda. Berlin 1906.
Hermann Swoboda: Die gemeinnützige Forschung und der eigennützige Forscher. Antworten auf die von Wilhelm Fließ erhobenen Beschuldigungen. Wien / Leipzig 1906.
Stefan Goldmann: „Ein Therapeut von Gottes Gnaden“. Wilhelm Fließ im Briefwechsel mit Hermann Sudermann (1881–1887). Gießen 2017.
Fliess, Wilhelm, in: Élisabeth Roudinesco; Michel Plon: Wörterbuch der Psychoanalyse : Namen, Länder, Werke, Begriffe. Übersetzung aus dem Französischen. Wien : Springer, 2004, ISBN 3-211-83748-5, S. 253–255.