Dieser Artikel beschreibt die Gestaltsänderung durch äußere Einwirkung. Zur Verstümmelung von Signalen siehe Signalverstümmelung.
Verstümmelung (alternative seltenere Schreibweise: Verstümmlung) bezeichnet die als nachteilig bewertete, radikale Veränderung der Gestalt durch äußere Einwirkung.[1][2] Der Begriff kann sowohl für den Vorgang wie auch für das Ergebnis stehen.[3] Verstümmelung kann mit Verlust von Funktion oder wichtiger Bestandteile einhergehen.[1][4] Der Begriff bezieht sich auf biologische Körper oder wird im übertragenen Sinn zum Beispiel auf Gegenstände oder Kommunikation angewendet.[5]
Das Wort Verstümmelung ist die Substantivierung von verstümmeln, in älterer Form verstümbeln, verstümpeln. In diesen Formen fließen die Stammworte stumm und stumpf, die sich in der Bedeutung berühren können, zusammen.[6]
Körperverstümmelung
Beschreibung
Die Körperverstümmelung, auch körperliche Verstümmelung genannt, ist eine auf Dauer als einschränkend bzw. nachteilig bewertete Verletzung des biologischen, insbesondere menschlichen Körpers durch äußere Einwirkung und führt zum Verlust der körperlichen Integrität. In der Regel bezeichnet der Begriff die Beschädigung des Körpers durch Verlust eines oder mehrerer Körperteile (ohne Tötungsabsicht), als Synonym zuweilen aber auch andere Körpermodifikationen wie z. B. Deformationen. Körperverstümmelung kann Behinderung nach sich ziehen.
Im spätrömischen Strafrecht galt die Verstümmelungsstrafe als ökonomisch und beliebt, auch weil sie die bestrafte Person stigmatisierte, ohne das Tabu der Tötung zu brechen. Das Verhängen von Leibesstrafen oblag hierbei dem Ermessen von Beamten. Die ausschweifende Anwendung der Verstümmelung veranlasste Justinian I. zu einer Novelle (134.13), in welcher der Missbrauch zwar verboten, die Strafe aber nicht abgeschafft wurde.
Das frühmittelalterlichefränkische Recht sah das Zufügen von Verstümmelungen als eine Form der Leibesstrafe vor. Verstümmelungen wurden zusätzlich zur Todesstrafe und auch als selbstständige Strafen verhängt. Meist waren es spiegelnde Strafen: so wurde dem Meineidigen die Hand abgehackt oder die Zunge herausgerissen, der Sittlichkeitsverbrecher wurde kastriert.[9] Die spiegelnde Verstümmelungsstrafe lebte noch in der Constitutio Criminalis Carolina fort.[10]
In der byzantinischenEkloge (741) nahm die Verstümmelung als Strafe einen wichtigen Platz ein: das Gesetz sah bei Diebstahl, Falschmünzerei und schwerer Körperverletzung die Amputation einer Hand vor; dem Meineidigen wurde die Zunge entfernt. Die Strafe für Gotteslästerung war Blendung, Unzucht mit Tieren wurde mit Kastration bestraft, der Ehebruch mit dem Abschneiden der Nase. Auch hier lässt sich eine spiegelnde Anwendung der Strafe im Sinne der Talion beobachten. Obwohl die Verstümmelungsstrafe in offensichtlichem Widerspruch zur christlichen Moral steht, rechtfertigten einige Gelehrte sie als humanitären Akt und als Ersatz für die römisch-heidnische Todesstrafe.[11]
Nicht als Strafe im eigentlichen Sinn wurde das Abschneiden der Nase auch angewandt, um Personen von der Kaiserwürde auszuschließen. Diese Funktion fand jedoch mit der erneuten Thronbesteigung des so verstümmelten Justinian II. ein Ende, da deren Nutzlosigkeit offensichtlich wurde.
Relativ bekannt ist das in manchen islamischen Ländern praktizierte Abhacken einer Hand bei Menschen, die eines Diebstahls für schuldig befunden wurden (siehe auch: Scharia).
Militärgerichte verhängten darüber hinaus wiederholt Verstümmelung als Strafe, beispielsweise bei den Bauernunruhen in Salzburg am Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618–48).[12]
Verstümmelung als Kriegsverbrechen
Ob und in welchen Fällen Verstümmelung als Kriegsverbrechen bewertet wird, ist nach Angaben der Vereinten Nationen, u. a. in den Genfer Konventionen, sowie dem 8. Artikel des Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs festgelegt. Der Tatbestand des Kriegsverbrechen liegt u. a. vor, wenn vorsätzlich eine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gegen die nach dem jeweiligen Genfer Abkommen geschützten Personen oder Güter verursacht wird, sowie bei der Tötung oder Verwundung wehrloser Soldaten, die sich bereits ergeben haben.[13][14]
Bis heute sind zahlreiche Fälle aus unterschiedlichen Kriegsgebieten dokumentiert (beispielhafte, unvollständige Auswahl):
Bei Auffinden verstümmelter Leichen sind zunächst das Motiv und der Zeitpunkt zu klären. Meist werden Opfer nach Eintritt des Todes defensiv verstümmelt, um die Identität zu verschleiern und/oder die Entsorgung des Leichnams zu erleichtern. Bei der nekromanischen Verstümmelung wird ein Teil der abgetrennten Körperteile (oder Haare) vom Täter mitgenommen, was Fallanalytikern Rückschlüsse auf Motive und Vorlieben des Täters ermöglicht, wobei auch das oder die verwendeten Werkzeuge bei der Ermittlung von Tätern oder Tatverdächtigen helfen können.[19]
Darüber hinaus gibt es bestimmte Formen der nicht tödlichen bestrafenden oder kennzeichnenden Verstümmelung, die dem kriminellen Milieu zugeordnet werden, wie das sogenannte Glasgow Smile (ein beidseitiger Messerschnitt von den Mundwinkeln zu den Ohren des Opfers) oder auch Yubitsume das erzwungene Entfernen einzelner Finger, oder Fingerglieder, zum Zeichen der Abbitte bei der japanischen Yakuza.
Einige Beispiele für strafrechtlich relevante Fälle, bei denen Opfer verstümmelt wurden, nach Tatzeit:
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Körperliche Verstümmelung wird schon sehr lange in Kunst und Literatur thematisiert und wurde in der Geschichtsschreibung, unter anderem im Zuge von Hinrichtungen und Bestrafung, sowie im Zuge der Hexenverfolgung schriftlich erwähnt und/oder künstlerisch dargestellt. Als Handlung oder Ergebnis ist sie darüber hinaus in zahlreichen Filmen präsent. Bei den aufgelisteten Werken handelt es sich um eine Auswahl.
Literatur
„Ich will meinen Eifer gegen dich richten, dass sie unbarmherzig an dir handeln sollen. Sie sollen dir Nase und Ohren abschneiden, und was von dir übrig bleibt, soll durchs Schwert fallen. Sie sollen deine Söhne und Töchter wegnehmen und, was von dir übrig bleibt, mit Feuer verbrennen.“
Je nach Art des Films variiert die jeweilige Form der Darstellung. Die Altersfreigabe kann bei Filmen, die leichte, nicht tödliche Formen der Verstümmelung zeigen durchaus bei 12 Jahren liegen; Beispiele dafür sind der abgetrennte Zeh, bei einer vorgetäuschen Entführung in The Big Lebowski (Ethan und Joel Coen, 1998) und der abgeschossene Arm von „Madame Eboshi“ in Prinzessin Mononoke (Hayao Miyazaki, 1997). Dagegen sind Horrorfilme, die dem Torture Porn zugerechnet werden in der Regel frei ab 18 und waren zum Teil indiziert und gar nicht oder nur gekürzt erhältlich (z. B. Tanz der Teufel).
↑William G. Eckert: The Whitechapel murders: The case of Jack the Ripper. In: The American Journal of Forensic Medicine and Pathology. Band2, Nr.1, 1981, ISSN0195-7910, S.53, doi:10.1097/00000433-198103000-00010.
↑Mark Benecke, Miguel Rodriguez y Rowinski: Luis Alfredo Garavito Cubillos: criminal and legal aspects of serial homicide with over 200 victims. In: Archiv für Kriminologie. Band210, Nr.3–4, 2002, ISSN0003-9225, S.83–94, PMID 12462935.