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Topiramat (Handelsname: Topamax) ist ein Arzneistoff gegen Epilepsie und Migräne. Einzelberichte beschreiben einen positiven Effekt von Topiramat in der Cluster-Kopfschmerz-Prophylaxe.[3] Es wurde in Deutschland bis zum Patentablauf 2009 nur von Janssen-Cilag vertrieben.
Topiramat wirkt über verschiedene Mechanismen, die eine übermäßige Erregung von Nervenzellen verhindern. Topiramat blockiert die (verstärkend wirkende) Glycin-Bindungsstelle am erregenden glutamatergen AMPA-Rezeptor[4] und verstärkt durch Bindung an GABA-Rezeptoren deren hemmenden Effekt. Außerdem inaktiviert Topiramat den spannungsabhängigen Natriumkanal, wodurch die Zelle gehindert wird, schnell aufeinanderfolgende Aktionspotentiale zu generieren. Des Weiteren wirkt es modulierend auf bestimmte spannungsabhängige Calciumkanäle und bewirkt eine schwache Hemmung gewisser Isoenzyme der Carboanhydrase.
Pharmakokinetik
Topiramat wird vom Körper gut aufgenommen und wird als Tablette verabreicht. Die Halbwertszeit beträgt zwischen 20 und 30 Stunden. Topiramat wird überwiegend unverändert über die Niere ausgeschieden. Daher muss bei verminderter Nierenleistung die Dosis des Arzneimittels gesenkt werden. Durch die Antiepileptika Carbamazepin und Phenytoin wird der Topiramatspiegel im Blut gesenkt. Bei Therapiekombination mit diesen muss die Topiramatdosis angepasst werden.
Anwendung
Topiramat wird in Dosen von 25 bis 200 mg als Antiepileptikum eingesetzt. Es wird bei Erwachsenen und Jugendlichen als Zusatzmedikament bei fokalen und generalisierten Anfällen sowie beim Lennox-Gastaut-Syndrom eingesetzt. Des Weiteren ist Topiramat für die Prophylaxe von Migräne-Anfällen zugelassen. Zur Migräne-Prophylaxe werden in der Regel 50 bis maximal 100 mg des Wirkstoffes eingesetzt.[5]
Manche Patienten profitieren auch von 200 mg Topiramat pro Tag zur Migräne-Prophylaxe.[6][7]
Die Dopaminfreisetzung im corticomesolimbischen System wird durch Topiramat reduziert, vermutlich könnte der Arzneistoff in der Therapie von Alkoholabhängigen eingesetzt werden. In einer doppelblinden, randomisierten und placebokontrollierten Studie wurde diese Behandlungsoption genauer untersucht. Während 14 Wochen erhielten 371 Probanden entweder Topiramat in steigender Dosis (bis 300 mg/Tag ab der fünften Woche) oder Placebo. Zusätzlich zur medikamentösen Therapie wurden wöchentlich kurze Einzelgespräche geführt.
Werden die Tage mit starkem Alkoholkonsum betrachtet, so reduzierte sich dieser Anteil in der Topiramat-Gruppe von 81,5 % auf 43,8 % und in der Placebo-Gruppe von 82 % auf 51,8 %. In der Topiramat-Gruppe kam es häufiger zu Nebenwirkungen wie zum Beispiel Parästhesien, Geschmacks- oder Konzentrationsstörungen.
Die Autoren der Studie sehen in Topiramat eine vielversprechende Therapieoption bei Alkoholabhängigkeit. Es müssen noch verschiedene Parameter wie zum Beispiel Dosierung und Wirkdauer abgeklärt werden.[11][12]
Einer doppelblinden placebokontrollierten Studie der Universität von Pennsylvania zufolge erhöht Topiramat die Wahrscheinlichkeit, abstinent von Kokain zu bleiben, sowie die Wahrscheinlichkeit, eine dreiwöchige Abstinenzzeit zu erzielen, gegenüber Placebo deutlich.[13] Eine weitere Studie kam zum Schluss, dass Topiramat das Verlangen nach Kokain bei 25 % der Teilnehmer deutlich senken kann.[14]
Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit
Topiramat hat bei Maus, Ratte und Kaninchen teratogene Wirkungen gezeigt. Daten aus Schwangerschaftsregistern (Nordamerikanisches Antiepileptika-Schwangerschaftsregister, NAAED, sowie das Epilepsie- und Schwangerschaftsregister des Vereinigten Königreichs) zeigten Fälle von schwerwiegenden Fehlbildungen des Kindes, wenn die Mutter im ersten Schwangerschaftstrimenon Topiramat eingenommen hatte. Ebenso weisen präklinische Daten auf ein teratogenes Potential des Arzneistoffs hin. In Deutschland wurde ein Stufenplanverfahren eingeleitet.[15] Für die Behandlung der Migräne darf Topiramat in der Schwangerschaft nicht eingenommen werden.
Topiramat wird in der Milch säugender Ratten ausgeschieden. Begrenzte Beobachtungen beim Menschen weisen auf einen erheblichen Übertritt in die Muttermilch hin.[16] Im September 2022 hat der europäische Pharmakovigilanzausschuss (PRAC) auf Antrag Frankreichs mit einer Überprüfung Topiramat-haltiger Arzneimittel bezüglich des Risikos neurologischer Entwicklungsstörungen bei Kindern begonnen, deren Mütter in der Schwangerschaft Topiramat eingenommen haben.[17] Frankreich verschärfte 2022 die Verschreibungs- und Abgabebedingungen für Topiramat: Künftig muss die Erstverordnung von Topiramat für Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter durch einen Neurologen oder einen Kinderarzt erfolgen, die zudem mindestens einmal jährlich die Notwendigkeit der Behandlung überprüfen müssen. Dabei ist jedes Mal von den Fachärzten und den Frauen (bzw. bei Minderjährigen deren Erziehungsberechtigten) ein Aufklärungsbogen zu unterschreiben, der in der Apotheke bei jeder Rezepteinlösung vorgelegt werden muss. Im Falle einer Schwangerschaft darf Topiramat Frauen mit Epilepsie in Frankreich nur noch verordnet werden, wenn alle anderen Behandlungsoptionen nicht ausreichen oder nicht vertragen werden. Keinesfalls soll eine bestehende antiepileptische Therapie bei Kinderwunsch oder Schwangerschaft jedoch ohne ärztliche Rücksprache abgesetzt werden. Als Antiepileptika der Wahl in der Schwangerschaft werden in Deutschland sowie in Großbritannien Lamotrigin und Levetiracetam empfohlen.[18]
Im September 2023 hat der Sicherheitsausschuss (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) weitere Empfehlungen zusammengestellt, um die Topiramat-Exposition ungeborener Kinder im Mutterleib zu verhindern. Für Frauen, die Topiramat zur Behandlung von Epilepsie verwenden, rät der PRAC nun, das Arzneimittel während der Schwangerschaft generell nicht anzuwenden, es sei denn, es steht keine andere geeignete Behandlung zur Verfügung. Gibt es bei Frauen im gebärfähigen Alter keine weiteren Optionen zur Pharmakotherapie, bleibt es – wie zuvor schon bekannt – dabei, mit verlässlichen Methoden zu verhüten.[19]
Anwendung von Topiramat und Empfängnisverhütung
Patientinnen, die neben Topiramat gleichzeitig orale Kombinationskontrazeptiva („Antibabypille“) einnehmen, müssen mit einer möglichen Verminderung der empfängnisverhütenden Wirksamkeit sowie mit verstärkten Durchbruchblutungen rechnen. Die Verhütungssicherheit der Antibabypille kann durch Topiramat auch beeinflusst werden, ohne dass es zu Durchbruchblutungen kommt.[16] Anders als bislang in deutschen (und in französischen) Fach- und Gebrauchsinformationen wird in der Risikoinformation explizit darauf hingewiesen, dass zur Empfängnisverhütung eine Methode zu bevorzugen ist, die von der Anwenderin nicht beeinflusst werden kann, beispielsweise ein Intrauterinpessar (IUP). Alternativ sind zwei verschiedene Kontrazeptiva zu verwenden, darunter eine Barrieremethode. In Großbritannien werden wegen möglicher enzyminduzierender Effekte von Topiramat ausschließlich Kupfer- oder Levonorgestrel-haltige IUPs sowie Depot-Medroxyprogesteronazetat plus Kondom empfohlen. Unbedingt auch die Ausführungen unter Schwangerschaft und Stillzeit (s. o.) beachten.[18][19]
Wirkung auf die Fahrtüchtigkeit und auf das Bedienen von Maschinen
Topiramat wirkt auf das Zentralnervensystem. Es können Schläfrigkeit, Schwindel oder andere ähnliche Symptome auftreten. Dies kann insbesondere dann gefährlich werden, wenn die Patienten ein Fahrzeug lenken oder Maschinen bedienen müssen.[16]
Verlust und fehlender Geschmackssinn, bis hin zu Entzündungen im Mundbereich.
Vermindertes Sehvermögen.
häufigste Nebenwirkung sind Kribbelempfindungen, besonders in Armen und Beinen (sogenannte Parästhesien); diese verschwinden jedoch in der Regel nach einiger Zeit; eine kaliumreiche Ernährung (Bananen, Trockenobst) kann die Parästhesien lindern
Ataxie (Koordinationsstörung, z. B. stark schwankender Gang) – kann gleichzeitig zu sehr langsamem Gehen trotz Gehhilfe (auch wenn vor Einnahme von Topiramat keine Gehilfe benötigt wurde) führen
Konzentrationsstörungen (mitten im Satz weiß man nicht mehr, was man sagen wollte. Suche nach Worten)
Kopfschmerzen
Gestörte Merkfähigkeit (betrifft sowohl das Kurz- als auch das Langzeitgedächtnis)
↑A. May, S. Evers, G. Brössner, T. Jürgens, A. R. Gantenbein, V. Malzacher, A. Straube: Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Prophylaxe von Cluster-Kopfschmerz, anderen trigemino-autonomen Kopfschmerzen, schlafgebundenem Kopfschmerz und idiopathisch stechenden Kopfschmerzen. Überarbeitete Therapieempfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft in Zusammenarbeit mit der DGN, ÖKSG, SKG. In: Nervenheilkunde. (Memento vom 20. August 2016 im Internet Archive) 35(3), 2016, S. 137–151; DMKG.de (PDF; 328 kB)
↑Jeffrey L. Berlant: Prospective open-label study of add-on and monotherapy topiramate in civilians with chronic nonhallucinatory posttraumatic stress disorder. In: BMC Psychiatry. Band4, Nr.1, August 2004, S.24, doi:10.1186/1471-244X-4-24 (biomedcentral.com).
↑Christoph J. Schankin, Farooq H. Maniyar, Kathleen B. Digre, Peter J. Goadsby: ‘Visual snow’ – a disorder distinct from persistent migraine aura. In: Brain. Band137, Nr.5, Mai 2014, S.1419–1428, doi:10.1093/brain/awu050.
↑K. M. Kampman, H. Pettinati, K. G. Lynch, C. Dackis, T. Sparkman, C. Weigley, C. P. O’Brien: A pilot trial of topiramate for the treatment of cocaine dependence. In: Drug Alcohol Depend. Band75, Nr.3, 2004, S.233–240, PMID 15283944.
↑A. D. Reis, L. A. Castro, R. Faria, R. Laranjeira: Craving decrease with topiramate in outpatient treatment for cocaine dependence: an open label trial. In: Rev Bras Psiquiatr. Band30, Nr.2, 2008, S.132–135, PMID 18470406.
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