2021 bezeichnete al Jaber bei der Verleihung des Zayed Sustainability Prize („Zayed-Nachhaltigkeitspreis“)[4] „saubere und erneuerbare Energien als eine natürliche und logische Erweiterung der Rolle der Vereinigten Arabischen Emirate als weltweiter Vorreiter im Energiebereich“.
Seine berufliche Karriere begann Al Jaber als Ingenieur bei der staatlichen ADNOC;[5] ihr Chief Executive Officer (CEO) wurde er am 15. Februar 2016.[6] Seitdem hat Al Jaber mehrere ADNOC-Unternehmen an die Börse gebracht,[7] während der Öl- und Gaskonzern rund 26 Mrd. US-Dollar an internationalen Investitionen von Unternehmen wie BlackRock, Eni und Kohlberg Kravis Roberts (KKR) einsammelte.[8] 2017 leitete Al Jaber auch den ersten Börsengang eines ADNOC-Unternehmens, ADNOC Distribution (ADNOCDIS:UH).[9][10]
Im Juli 2020 unterzeichnete ein Konsortium aus sechs Unternehmen eine Vereinbarung zur Investition von 20,7 Mrd. US-Dollar in ADNOC-Infrastrukturanlagen. Es handelte sich um die größte Einzelinvestition in die Energieinfrastruktur bislang im Nahen Osten und damals um die größte weltweit im Jahr 2020.[14][15]
Als ADNOC-CEO hat Al Jaber versucht, die Rohölproduktion des Konzerns von 3 Mio. Barrel pro Tag im Jahr 2016 auf 5 Mio. bis 2030 zu steigern. Die US-amerikanische New York Times stellte fest, dass ADNOC eines der letzten Ölunternehmen sei, das 2021 noch große Investitionen in die Steigerung der Produktion tätige.[8] Die britische Financial Times (FT) schrieb, dass Al Jabers Versuche, die Ölproduktion zu steigern, „besonders drastisch“ seien, wenn man bedenke, dass er bei den VAE die Rolle eines „Klimazaren“ innehabe: Die fossile Brennstoff-Industrie steht unter Druck, ihre Produktion zu reduzieren, um die menschengemachte globale Erhitzung abzumildern.[16] 2023 schrieb die FT, dass ADNOC 150 Mrd. US-Dollar in den Ausbau seiner Öl- und Gasproduktion investiere, während über einen längeren Zeitraum lediglich 15 Mrd. US-Dollar für den Ausbau kohlenstoffarmer Produkte vorgesehen seien.[17]
Nach dem Jahr 2000 gründete al Jaber die Abu Dhabi Future Energy Company, kurz „Masdar“ genannt.[18] Nach wie vor (Anfang 2023) ist er Vorsitzender dieses Unternehmens;[19] es investiert nach eigenen Angaben in zahlreichen Ländern der Welt in den Ausbau erneuerbarer Energien.
Die Arbeiten an Masdar City, dem Projekt der Future Company für eine autofreie klimaneutrale Stadt am Rand von Abu Dhabi, ruhen seit Jahren; ursprünglich wurden sie im Zuge der Weltfinanzkrise 2007–2008 gestoppt.[20]
Anfang Januar 2023 wurde mitgeteilt, dass Al Jaber den Vorsitz der 28. UN-Weltklimakonferenz (COP 28) übernehmen solle. Nach einer Mitteilung der VAE sagte er dazu: „Wir werden einen pragmatischen, realistischen und lösungsorientierten Ansatz einbringen, der transformative Fortschritte für das Klima und ein kohlenstoffarmesWirtschaftswachstum ermöglicht.“ Er wolle, dass die COP 28 Solidarität zwischen dem globalen Norden und Süden zeige, die „niemanden zurücklässt“.[23] Nach der Ernennung zum COP-28-Vorsitz beglückwünschte Masdar seinen Chef via Twitter als „Beschleuniger der Energiewende“.
In seiner ersten Rede nach seiner Ernennung vor dem Atlantic Council-Energieforum sagte er, dass man eine „COP of Solidarity“ („COP der Solidarität“) brauche, die alle Menschen und alle Interessengruppen einbeziehe, und eine „COP of Action“, die Ehrgeiz wecke und „von Zielen zur Umsetzung führe“.[24] Da die Welt von den Pariser Klimazielen abgekommen sei, sei ein „transformatorischer Fortschritt“ nötig,[25] um die globalen Emissionen bis 2030 um 43 Prozent zu senken.[26]
Während Saber als Vorsitzender der COP 28 Anfang 2023 versprach, eine Energiewende zu forcieren, welche „den Einsatz fossiler Brennstoffe schrittweise reduziert“, muss er als CEO der ADNOC bis 2025 deren Rohöl-Produktionskapazität u. a. in Zusammenarbeit mit der russischen Lukoil auf fünf Mio. Barrel pro Tag erhöhen, wodurch die tägliche ADNOC-Gasproduktion um mindestens 40 Mio. Kubikmeter gesteigert werden soll.[21]
Manipulation des englischsprachigen Wikipedia-Artikels
Nach Berichten der britischen Zeitung The Guardian haben Mitarbeiter Al Jabers seinen englischsprachigen Wikipedia-Artikel und den der COP 28 manipuliert und dabei Informationen über die Geschäfte Al Jabers zur Ölförderung zur Löschung empfohlen. Stattdessen wurden diverse Beiträge getätigt, die ein nachhaltigeres Engagement Jabers suggerieren sollten. Medien und Kritiker sprachen von dem Versuch, mit den Artikeländerungen Narrative um die umstrittene Personalie Al Jabers als Kopf der Klimakonferenz umdeuten zu wollen, sowie von „Greenwashing auf einem neuen Niveau“.[28][29]
Zusammengelegte Informationsströme von COP28 und ADNOC
Durch eine Presseanfrage der britischen Tageszeitung The Guardian und anschließende Bestätigung durch Wissenschaftler der Universität Cambridge stellte sich Anfang Juni 2023 heraus, dass der E-Mail-Verkehr zur Organisation der Klimakonferenz über Server des staatlichen emiratischen Ölkonzerns ADNOC erfolgt sei. Damit sei nicht nur der gesamte Schriftverkehr für diesen einsehbar gewesen, sondern womöglich eine direkte Zusammenarbeit erfolgt. Kritiker stellten den massiven Interessenkonflikt heraus; die französische Abgeordnete Manon Aubry verglich den Vorfall mit der Aufsicht der Weltgesundheitsorganisation durch einen Tabakhersteller.[30]
Fakes und Framing in sozialen Medien
Im Juni 2023 ergab eine weitere Guardian-Recherche, dass eine große Anzahl gefälschter Twitter- (mittlerweile „X“) und Social Media-Konten, welche Standard- oder KI-generierte Profilbilder verwendeten, Beiträge zur VAE-COP 28 entweder gefördert oder verteidigt hätten; dazu gehöre auch das Wiederholen („Re-Tweeten“) von Beiträgen der VAE-Regierung und von Bemühungen, Kritik an Al Jabers COP-Präsidentschaft zu entkräften.[31][32]
Kommunikationsstrategie der UAE
Im August 2023 enthüllte ein auf durchgesickerten Dokumenten basierender Bericht eine Liste, die zu „heiklen und sensiblen Themen“ im Zusammenhang mit den VAE erstellt wurde: Sie enthielt die von der Regierung genehmigten „strategischen Botschaften“, die als Antwort auf Fragen der Medien verwendet werden sollten. Die Fragen zur Präsidentschaft von Sultan Al Jaber sollten mit folgenden Worten beantwortet werden: „Dr. Sultans gesamte Karriere [im Energiesektor, zu Klima und in der Diplomatie] gibt ihm das nötige Fachwissen, um genau die Sektoren, die für sinnvolle Maßnahmen erforderlich sind, konstruktiv einzubeziehen, zu stören und zu vereinen.“ In der Zwischenzeit sollte jede Rede über das Versagen von ADNOC bei der Offenlegung seiner Emissionen mit der Begründung verteidigt werden: „ADNOC führt derzeit notwendige Studien durch.“ Die in der Liste genannten Themenbereiche umfassten sowohl Klimaprobleme als auch Menschenrechtsverletzungen in den VAE, darunter Menschenhandel und im Jemenitischen Bürgerkrieg seit 2014.[33]
Wenig später wurde bekannt, dass unter der Führung von Al Jaber das ADNOC-Ziel zur Begrenzung von Methan-Leckagen (→ Treibhausgase) auf deutlich höhere Werte festgelegt worden war, als das Unternehmen zuvor den Vereinten Nationen gemeldet hatte. Einer Studie der Harvard University zufolge deuten die hohen angemeldeten Methanemissionen eher auf gezielte Entlüftung von Pipelines und Anlagen denn auf Lecks hin.[34][35][36]
Widersprüchliche Aussagen und Festhalten an fossilen Energieträgern
Medienberichte haben Ende 2023 Gründe zur Annahme geliefert, dass Al Jabers Verhältnis zu den Klimawissenschaften zumindest ambig ist.[37][38]
Privates
Sultan Al Jaber ist verheiratet und hat vier Kinder.[39]
↑Ed Crooks: Sultan Al Jaber: changing the mindset of a 50-year-old institution. In: Financial Times. 3. März 2019 (ft.com [abgerufen am 27. August 2023]).
↑ADNOC Drilling jumps over 30% in debut for Abu Dhabi's largest IPO. In: Reuters. 3. Oktober 2021 (reuters.com [abgerufen am 27. August 2023]).
↑ abStanley Reed: A Major Persian Gulf Oil Producer Tries to Burnish Its Climate Credentials. In: The New York Times. 30. Oktober 2021, ISSN0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 27. August 2023]).
↑Global Infrastructure Partners: ADNOC Announces $20.7 Billion Energy Infrastructure Deal. In: Bloomberg.com. 23. Juni 2020 (bloomberg.com [abgerufen am 27. August 2023]).
↑Simeon Kerr, Anjli Raval: Adnoc defies retreat from oil with push to pump up output. In: Financial Times. 18. Januar 2021 (ft.com [abgerufen am 27. August 2023]).
↑Ivan Levingston, Andrew England, David Sheppard: Abu Dhabi oil giant builds internal ‘investment bank’ to chase $50bn in global deals. In: Financial Times. 9. August 2023 (ft.com [abgerufen am 27. August 2023]).
↑ abRachna Uppal, Yousef Saba: UAE's Jaber says COP28 should be practical, leave no one behind. In: Reuters. 14. Januar 2023 (reuters.com [abgerufen am 3. Dezember 2023]).
↑Ben Stockton: Cop28 president’s team accused of Wikipedia ‘greenwashing’. In: The Guardian. 30. Mai 2023, ISSN0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 30. Mai 2023]).
↑Uno-Klimakonferenz COP28: Ölkonzern las E-Mails zum nächsten Klimagipfel mit. In: Der Spiegel. 7. Juni 2023, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 7. Juni 2023]).
↑Damian Carrington, Damian Carrington Environment editor: Army of fake social media accounts defend UAE presidency of climate summit. In: The Guardian. 8. Juni 2023, ISSN0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 27. August 2023]).
↑Damian Carrington, Damian Carrington Environment editor: UN climate summit host UAE failed to report methane emissions to UN. In: The Guardian. 17. August 2023, ISSN0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 27. August 2023]).