Stammhalter

Stammhalter bezeichnet im engeren Sinne den erstgeborenen männlichen Nachkommen eines Ehepaares, der den Familiennamen des Eltern­hauses erhält, um ihn seinerseits weiter­zuvererben und so den „Stamm“ zu erhalten, genauer: die Stammlinie fortzuführen (siehe auch Stammbaum, Erstgeburtsrechte).[1][2][3] Die Bezeichnung Stammhalterin für die weibliche Erb­tochter findet sich selten, da sie in Kulturräumen mit Väterlinien eine Ausnahme darstellt; dies unterliegt in neuerer Zeit einem Wandel, vor allem bezüglich der freien Wahl des Familiennamens (siehe dazu Namensrecht).[4] In ethnischen Familien, die sich nach ihrer Mütterlinie organisieren, ist die eigentliche Erbtochter zumeist die Letztgeborene, zudem beruht das Fortbestehen der mütterlichen Linie nicht nur auf einer Tochter (siehe dazu auch Ultimogenitur, Lineages). Umgangssprachlich wird heute als Stammhalter oder Stammhalterin eines Ehepaares ihr erstes gemeinsames Kind bezeichnet.

Im europäischen Kulturraum und weltweit organisieren Adels­familien und Herrscher­dynastien ihre Erbfolge nach einer agnatischen Stammlinie (Haupt- oder Nebenlinie), dabei gilt nur der älteste ehelich legitimierte Sohn als Nachfolger seines Vaters und dessen sozialer Position und Privilegien (siehe beispielsweise das Wappenrecht). Überlebt der Erstgeborene nicht, tritt der nächst­älteste eheliche Sohn in die familiäre Nachfolge; für den Fall, dass nur eine eheliche Tochter als Nachfolgerin in Frage kommt, enthält zumeist ein eigenes Hausgesetz komplizierte Regeln der Erbfolge bezüglich der ältesten Erbtochter oder einer Erbjungfer. Um einen Adelsnamen (den sogenannten „Mannesstamm“) auch dann nicht aussterben zu lassen, wenn ausschließlich Töchter vorhanden waren, wurde früher oft vor den Familiennamen späterer Generationen das Prädikat „von der“ gestellt; ein literarisches Beispiel für solche Erwägungen findet sich 1896 in dem Roman Effi Briest des deutschen Schriftstellers Theodor Fontane.

In vielen Königs­häusern weltweit gilt auch heute nur der älteste Sohn als offizieller Thronfolger. Fehlt ein männlicher Stammhalter, ermöglichen einige Monarchien die Fortsetzung ihrer Linie standard­mäßig über eine Tochter, dies gilt beispielsweise im Königreich Schweden seit 1980 (siehe Schwedische Thronfolgeregelung) und im belgischen Königshaus seit 1991 (siehe Belgische Thronfolgeregelung). In der britischen Monarchie sind seit 2013 Töchter den Söhnen gleichgestellt (siehe Thronfolge im Vereinigten Königreich).

Einzelnachweise

  1. Duden-Redaktion: Stammhalter. In: Duden online. Januar 2013, abgerufen am 31. März 2014: „Stammhalter […] erster männlicher Nachkomme eines Elternpaares, der den Namen der Familie weitererhalten soll – Synonyme zu Stammhalter: Ältester, Erstgeborener, männlicher Nachkomme, Sohn […] (umgangssprachlich scherzhaft) Ableger, Sprössling. Anmerkung: kein dortiger Eintrag zu und keine Erwähnung von Stammhalterin.
  2. Johann Christoph Adelung: Stammhalter. In: Derselbe (Hrsg.): Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Band 4. Leipzig 1801, S. 282: „Der Stammhalter, des -s, plur. ut nom. sing. diejenige Person männlichen Geschlechts, auf welche die Erhaltung und Fortpflanzung eines Stammes oder Geschlechtes beruhet.“
  3. Heinrich August Pierer: Stammhalter. In: Derselbe (Hrsg.): Pierer’s Universal-Lexikon. 4. Auflage. Band 16, Altenburg 1863, S. 678: „Stammhalter, eine Person männlichen Geschlechts, auf welcher die Erhaltung u. Fortpflanzung eines Geschlechtes beruht.“
  4. Vergleiche dazu auch die Meldung: Laut einer Studie hat der Sohn als Stammhalter in Deutschland ausgedient. In: Der Tagesspiegel. 13. April 2000, abgerufen am 31. März 2014: „Eine demographische Studie des Max-Planck-Instituts in Rostock brachte eine neue Entwicklung zu Tage: Der Trend zum Wunschkind Mädchen nimmt langsam, aber unübersehbar zu.“

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