Sheila, [ʃɛˈla], eigentlich Annie Chancel (* 16. August1945 in Créteil, Île-de-France), ist eine französischePop-Sängerin. Sie feierte als Solistin große Erfolge in den 1960er und 1970er Jahren in Frankreich, den angrenzenden französischsprachigen und einigen südeuropäischen und lateinamerikanischen Ländern und landete von 1977 bis in die 1980er Jahre mit dem Disco-Projekt Sheila & B. Devotion international rezipierte englischsprachige Hits.
Sheila (Annie Chancel) war die einzige Tochter des Süßwarenhändlers André Chancel und seiner Frau, Micheline Gautier. Die Familie stammte ursprünglich aus Salins im Cantal.[1] Die Eltern verdienten ihren Lebensunterhalt mit einem Verkaufsstand auf Pariser Vorortmärkten. Zunächst träumte das Mädchen von einer Karriere als Artistin, dann bewarb sie sich zur Tanzausbildung an der Pariser Oper, wurde jedoch als zu großgewachsen abgewiesen und begann eine Ausbildung zur Buchhalterin, während sie ihre Eltern weiterhin im Verkauf unterstützte.[2]
Sheila startete ihre Karriere 1962, als sie von Claude Carrère, einem französischen Musikproduzenten und Songschreiber, entdeckt wurde. Die Geschäftsbeziehung endete 1995 nach einem Gerichtsprozess.
Ihre erste veröffentlichte Single hieß Sheila. In den 1960er Jahren hatte sie zahlreiche Hits vor allem in Frankreich, verkörperte den Typ des hübschen jungen Mädchens von nebenan und war neben Sylvie Vartan, Françoise Hardy und France Gall ein weibliches Teenie-Idol. Sie zählt zu den Yéyé-Stars jener Epoche. Ihr erster Erfolg war 1962 L’école est finie (Die Schule ist aus), das die Nummer eins der Verkaufscharts in Frankreich, Nummer zwei in der Wallonie, Nummer neun in der Schweiz und Nummer zehn in Spanien und Griechenland erreichte.[3] 1964 folgten Hello petite fille (insgesamt 150.000 verkaufte Singles) und Vous les copains, je ne vous oublierai jamais (400.000 Verkäufe).
Ab 1970 schrieb und bearbeitete der Komponist und Arrangeur Jean Schmitt eine Reihe von Liedern für sie; das erfolgreichste ist die Coverversion eines Hits der englischen Popband Middle of the Road, Les Rois mages (mehr als 600.000 verkaufte Singles), mit dessen spanischer Version, Los reyes magos, Sheila auch in die Charts in Mexiko (höchste Notierung Platz zwei), Argentinien (Platz neun) und Spanien (Platz zehn) aufstieg. 1971 erhielt Sheila den Prix pour la chanson anti-raciste für das Lied Blancs, jaunes, rouges, noirs und nahm mit dem italienischen Sänger Aldo Maccione den Titel J'adore auf. 1972 folgte ein weiterer kommerzieller Erfolg mit dem Middle-of-the-Road-Song Samson and Delilah (Samson et Dalila). Der Hit des Jahres 1973 wurde schließlich Les Gondoles à Venise (600.000 verkaufte Singles), ein Duett mit ihrem Ehemann, Ringo.
Mitte der 1970er Jahre änderte Sheila ihren Musikstil, indem sie sich zunehmend dem französisch-, dann auch englischsprachigen Disco-Funk zuwandte: Verkaufs-Hit im Jahr 1975 war C'est le cœur (Les ordres du docteur), die französische Version von Doctor's Orders von Carol Douglas (mehr als 400.000 Exemplare), gefolgt von der Single Quel tempérament de feu (500.000).
Ein Durchbruch auch in Nordeuropa und angelsächsischen Ländern gelang Sheila 1977, als sie unter dem Bandnamen Sheila & B. Devotion auftrat. Unter anderem wurde der bekannte amerikanische Produzent Nile Rodgers für den Titel Spacer engagiert. Auch weitere Titel ähnlicher Machart, etwa Love Me Baby und eine Coverversion von Singin’ in the Rain, brachten Sheila internationale Anerkennung. Der Refrain von Spacer wurde 2001 mit neuer Melodie und Text als Crying at the Discotheque von der Gruppe Alcazar wiederverwendet.
Ab Mitte der 1980er Jahre war Claude Carrère nicht mehr für die Sängerin tätig. Sheilas Erfolg brach in dieser Zeit ein. Dennoch konnte sie erstmals in ihrer Karriere 1985 eine Bühnenshow produzieren (Enfin sur scène au Zénith). Diese fand in der Pariser Konzerthalle Zénith statt und ging anschließend auf Frankreichtour; Live-Aufnahmen aus dem Zénith waren die letzte Schallplattenproduktion Sheilas, die bei einem Label Carrères erschien. Für die Durchführung der Konzerte zeichnete bereits Jean-Claude Camus verantwortlich, der als Produzent zahlreicher französischsprachiger Musiker wie Johnny Halliday, Michel Sardou, Lara Fabian, Patrick Bruel und Sylvie Vartan in Erscheinung getreten war und Frankreich-Konzerte ausländischer Stars (Bob Marley, Prince, Madonna, Michael Jackson, Rolling Stones) ausführte. Die Kostüme der Show entwarf Jean Paul Gaultier. Auch Sheilas Konzertreihen im Pariser Olympia und weiteren Städten (1998 und 2002 sowie 2012 anlässlich des fünfzigjährigen Jubiläums ihrer Karriere) wurden von Camus produziert, nachdem sie ab Ende der 1980er Jahre weder Schallplatten aufgenommen hatte noch aufgetreten war.
Laut Homepage der Sängerin wurden von ihr rund 85 Millionen Tonträger verkauft. Schätzungen zufolge ist in einem Zeitraum von 1955 bis 2017 Sheila die Sängerin, von der in Frankreich am meisten Tonträger verkauft wurden (neben Johnny Hallyday als erfolgreichstem männlichen Künstler und den Beatles als erfolgreichster Musikgruppe).[4] Der Streit mit ihrem Manager Carrère ging hauptsächlich um ihren Anteil an den Tantiemen, die laut ihrer Darstellung nahezu vollständig dem Management und der Plattenfirma zufielen. Der Vertrag war 1962 zwischen Carrère und ihrem Vater geschlossen worden, da sie noch minderjährig war, und war nach zehnjähriger Laufzeit verlängert worden.[5] Erst 1995 konnte er mittels gerichtlicher Klärung gelöst werden. Seither ist Sheila wieder öfters in französischen Medien präsent, nahm 2009 und 2010 an Schlagertourneen mit Musikern ihrer Jugendzeit (Âge tendre, la tournée des idoles) teil und trat 2011 in der zweiten Staffel der Tanzshow Danse avec les stars im französischen Fernsehen auf.[6]
Sheila veröffentlichte 26 Studioalben (davon zwei mit dem Sänger Ringo), neun Konzertalben (davon drei zusammen mit weiteren Sängern), 40 Kompilationen, 12 Koffer und 92 Singles von 1962 bis 2008. Ihr Album Venue d'ailleurs aus dem Jahr 2021 enthält Kollaborationen mit verschiedenen Musikern und Produzenten, darunter Nile Rodgers und Keith Olsen[7]. Es ist die erfolgreichste Veröffentlichung der Sängerin seit Mitte der 1980er Jahre (Nummer 11 der Verkaufscharts in Frankreich, Nummer 4 in Belgien, Nummer 25 in der Schweiz). Anlässlich ihres 60-jährigen Bühnenjubiläums tourt Sheila von 2022 bis 2024 mit der Musikgruppe /h-taag durch Frankreich und Belgien. Eine Live-Aufnahme eines Konzerts in Brüssel erschien im Herbst 2023 unter dem Titel Sheila /h-taag Live au Cirque Royal als ihr neustes Album.
Von 1973 bis 1979 war Sheila mit dem Sänger Ringo (bürgerlich Guy Bayle) verheiratet, der ebenfalls von Claude Carrère gemanagt wurde. Sie hatte mit Bayle einen Sohn, Ludovic Chancel (geboren am 7. April 1975), der 2017 an einer Überdosis Kokain starb. Von 2006 bis 2016 war Sheila mit dem Musiker Lionel Leroy verheiratet.