Der Seilbahndienst ist eine historische Truppengattung der Schweizer Armee, die den mittels Militärseilbahnen abgewickelten Personen- und Gütertransport sicherzustellen hatte. Dazu gehörte die Erstellung der Infrastruktur und deren Betrieb.
Der Seilbahndienst mit den Seilbahnsappeuren war als Untergattung der Truppengattung Genietruppen (Geniechef im Armeestab) unterstellt. Der Seilbahndienst bestand von 1940 bis 1995.
Obwohl die ersten Militärseilbahnen während des Ersten Weltkriegs (K.u.k. Militär-Seilbahnen, Luis Zuegg) eingesetzt worden waren, kamen sie in der Schweizer Armee erst während des Zweiten Weltkriegs in grösserem Umfang zum Einsatz.
In den Jahren 1921 bis 1923 hatte das Eidgenössische Militärdepartement EMD ihm angebotene acht gut erhaltene österreichische Seilbahnen gekauft und eingelagert. Diese wurden in den 1940er Jahren für die Militärseilbahnen Pragelpass, Risetenpass, Mörlialp-Marienthal und im Tessin verwendet.
Ab 1936 wurden Seilbahnspezialisten in die Sappeurbataillone eingeteilt. Die Gebirgssappeur Rekrutenschule II/36 baute 1936 die erste Militärseilbahn (Pendel-Zweiseilbahn der Firma Odermatt, Engelberg) der Schweiz von der Monte Ceneri-Strasse zur Kasematte auf dem Motto Tornago46.130448.90157.
Vor 1939 hatte die Armee mit Ausnahme der Seilbahnen in den Festungen St. Gotthard und Saint-Maurice keine permanenten Seilbahnen.
1936 erfand der Seilbahningenieur Ernst Constam eine dislozierbare (mobile) Pendelseilbahn, die von einem Lastwagen angetrieben werden konnte, dessen Pneufelgen durch Seilscheiben ersetzt wurden. Solche mobilen Seilbahnen wurden von den Gebirgstruppen seit längerem gewünscht, um die Rochadeachsen (alternative Truppenverschiebung) schneller und wintersicher zu machen und bei schwierigem (steil, felsig, weglos, ohne Strassen usw.) und gefährlichem (Lawinen, Steinschlag, Erdrutsche usw.) Gelände einzusetzen, das von Soldaten und Traintruppen nicht mehr bewältigt werden konnte. In den 1930er Jahren erhielten die Eisenwerke Oehler & Co., Aarau vom Bund den Auftrag, Militärseilbahnen zu entwickeln und zu liefern.
Vom September 1939 bis Juni 1940 wurden dringend benötigte Seilbahnen von der Truppe in eigener Regie gebaut. Im Mai 1940 wurde der Infanterieoberst und Seilbahnunternehmer Alfred Oehler zum Chef des neuen Stabes Seilbahndienst ernannt, um den Seilbahndienst der Armee aufzubauen. Der Geniechef erliess die Technischen Weisungen für den Seilbahnbau der Armee (Vorgehen bei Anlagenprojekten, Inventar verfügbarer und lieferbarer Anlagen).
Vom September 1939 bis November 1940 wurden 27 Seilbahnen mit einer Länge von 57 Kilometer projektiert und erstellt. Im November 1943 waren 118 Seilbahnen vorhanden. Ein Beispiel ist die Rochadeachse von Giswil am Brünigpass nach Sörenberg im Entlebuch, für die eine wintersichere Seilbahnverbindung erstellt wurde (Zimmerplatz–Talwald–Hohnegg–Schälf/Iwi (MSB 53/54) und Mörlialp–Winkelstation Glaubenbielen46.8206438.084357–Habchegg im Mariental (MSB 50)).
Ein anderes Beispiel ist die Transportkette für Verwundetenverlegung ab dem Militärspital Lochezen bei Walenstadt zur Umgehung bei gesperrtem Kerenzerberg. Die Transportkette führte mit verschiedenen Militärseilbahnen über den Risetenpass (MSB 100) und den Pragelpass (MSB 101) ins Muotathal.
Talstation Luftseilbahn Göschenen–Gütsch Z302
Luftseilbahn All'Acqua–Winkelstation Z307
Winkelstation–San Giacomo Z308
Bergstation Artilleriewerk Tschingel Z404
Der rasche Aufbau des Seilbahndienstes war nur möglich, weil die Milizarmee Kader und Spezialisten aus der Seilbahnindustrie aufbieten konnte. Die Seilbahnindustrie profitierte ihrerseits von der Ausbildung und den Erfahrungen im Militärdienst.
Nach 1945 wurden die rund 100 mobilen Militärseilbahnen abgebrochen, liquidiert oder eingelagert. Die Abteilung für Festungswesen übernahm 15 permanente Militärseilbahnen (Z-Seilbahnen) vorwiegend in Artilleriefestungen. Das 1942 gegründete und 2003 aufgelöste Festungswachtkorps war für 30 Z-Seilbahnen verantwortlich. Weitere Seilbahnen wurden vom Bundesamt für Militärflugplätze (BAMF) und dem Oberkriegskommissariat (OKK) betrieben.
Der 1940 geschaffene Dienstzweig Seilbahnen wurde mit der Truppenordnung 1947 neu mit einem Stab Seilbahndienst (17 Mann), der Seilbahnkompanie 1 (222 Mann) und 33 Hilfsdienst (HD) Seilbahndetachementen (je 35 Mann) organisiert. Daneben übten auch Sappeur-Kompanien den Seilbahnbau.
Das mit der Armee 61 geschaffene Gebirgsarmeekorps erhielt ein Seilbahnbataillon (Seilb Bat 27, 553 Mann) zugeteilt.[1]
Ab 1982 wurden die von der Armee in Zeughäusern eingelagerten und nicht mehr benötigten mobilen Militärseilbahnen günstig an Bergbauern verkauft. Ein pensionierter Seilbahningenieur gründete die Arbeitsgemeinschaft Militärseilbahnen für Berggebiete. Vielen Bergbauern konnte so geholfen werden, um die Alpen vor Verwilderung und Vergandung zu schützen. Ein Beispiel sind die von der Truppe im Centovalli und Bleniotal (ZP-Zweiseilpendelbahnen des ehemaligen Ausbildungsparks für HD-Seilbahnkurse in Acquarossa) errichteten Seilbahnen, um die Alpen besser erschliessen zu können. Oder die 1999 von der Armee verkaufte und montierte Transportbahn von Obermatt im Engelbergertal zur abseits gelegenen Alp Zingel.[2]
Seilbahndienst
Der Stab Seilbahndienst hatte die Aufgabe, den Seilbahnbetrieb (Fachtechnik und Einsatz) zu organisieren und zu administrieren: Das umfasste Studien und Projekte für Seilbahnanlagen, Konstruktion und Beschaffung von Seilbahnmaterial mit der Kriegstechnischen Abteilung KTA, Baupläne und Bauaufsicht, Reparaturen und Unterhalt, Aufsicht über Betrieb und Unterhalt inklusive Privatseilbahnen, die der Armee dienten, Verwaltung von drei Material-Hauptlagern und der laufenden Dispositions-, Unterhalts- und Spezialkredite. Rekrutierung, Organisation und Ausbildung der Seilbahntruppen, Beschaffung des technischen Korpsmaterials.
Der eigentliche Seilbahndienst war zuständig für den Bau und Reparaturen der Infrastruktur (Seilbahnkompanie) und den Betrieb und Unterhalt (HD Seilbahnbetriebsdetachemente).[3]
Standseilbahn Artilleriewerk Grimsel Z311 (2003, vor Abbau 2004)
Militärseilbahnen
Mit den Vorschriften von 1941 wurden die Normen für fünf Seilbahntypen und eine Motorschlittenwinde festgelegt: SU Schwere Umlaufbahn, LU Leichte Umlaufbahn, SP Schwere Pendelbahn, LP Leichte Pendelbahn, OP Operationsbahn (Einseilpendelbahn), MSW Motorschlittenwinden. Die Normen galten für Materialseilbahnen, für militärische Personentransporte waren zusätzliche Sicherheitsmassnahmen erforderlich.
Es wurde unterschieden zwischen permanenten, als Z-Seilbahnen bezeichnet, und mobilen, durch die Seilbahntruppe temporär aufgebaute und betriebene Seilbahnen. Für den Bau der mobilen Bahnen wurde normiertes Seilbahnmaterial verwendet, das in den Zeughäusern des Alpenraumes gelagert wurde.[4]
Alfred Oehler: Die Militär-Seilbahnen der schweizerischen Armee im Weltkrieg 1939 bis 1945. Schweizerische Bauzeitung, Band 127/128 1946, Heft 7, Seite 77.
Hans Richard, Jürg Keller: Militärseilbahnen/Téléfériques militaires. Verein Historische Militäranlagen Freiburg/Bern VH+MA, Jahresheft 2016.