Der Schwertbrüderorden (lateinischFratres miliciae Christi de Livonia, deutsch „Brüder der Ritterschaft Christi von Livland“) war ein geistlicher Ritterorden. Er wurde 1202 durch Theoderich von Treiden auf Initiative des Bischofs Albert I. von Riga[1] zur Missionierung von Livland (lettisch Vidzeme) gegründet. Als erster geistlicher Ritterorden schuf er sich ein eigenes Herrschaftsterritorium – noch vor dem Deutschen Orden.[2] Nach anfänglichen Erfolgen in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts wurde der Orden im Jahre 1237 nach der schweren Niederlage bei Schaulen gegen die Litauer mitsamt seinen verbliebenen Mitgliedern in den Deutschen Orden eingegliedert.
Papst Innozenz III. bestätigte 1204 den Schwertbrüderorden und verpflichtete dessen Meister zum Gehorsam gegenüber dem Bischof von Riga (später Erzbischof). 1215 nahmen die Schwertbrüder Dorpat ein, 1227 folgte die estnische Insel Ösel.[3]
Der Orden war der jüngeren Templerregel verpflichtet;[4] seine Mitglieder lebten also nach den Evangelischen Räten, d. h., sie mussten in Armut leben, sich in Keuschheit üben und waren zum Gehorsam gegenüber dem Ordensmeister verpflichtet. Der Orden unterschied seine Mitglieder in drei Klassen, nämlich Ritter, Priester und dienende Brüder. Die Ritter trugen einen weißen Mantel über weißem Waffenrock mit dem Zeichen des Ordens, einem roten Schwertkreuz, woraus sich auch die Bezeichnung „Schwertbrüder“ ergibt. Priesterbrüder trugen eine weiße Kutte, dienende Brüder schwarze oder braune Kleidung jeweils ebenfalls mit dem Zeichen des Ordens.
Der erste Herrenmeister des Schwertordens war von 1202 bis 1209 Vinno von Rohrbach, ansässig in der Ordensburg Wenden zu Livland, ihre ersten Ordensburg außerhalb von Riga.[5] Sein Nachfolger wurde Volquin Schenk von Winterstedt, er starb am 21. September 1236.[6] Schnell eroberte der Schwertbrüderorden ganz Livland und Estland. Entgegen der päpstlichen Auflage machte sich der Orden jedoch bald vom Bischof unabhängig. Noch dem Bischof untergeordnet, begannen sie zur Stärkung ihrer Position bald mit dem Erwerb von Herrschaftsrechten. 1207 trat ihnen Bischof Albert ein Drittel seines Territoriums ab. Auch in den Bistümern Dorpat, Ösel-Wiek und Kurland erhielten sie Anteile, in Kurland sogar zwei Drittel des Territoriums.[7]
Die zunehmende Rivalität zwischen Bischof Albert und dem Orden mündete 1210 in einen Schiedsspruch des Papstes, der dem Orden allerdings noch weitergehende Rechte zugestand. Das von den Schwertbrüdern eroberte Land wurde in drei Herrschaftsbereiche unterteilt:[8]
Gebiete, die dem Bischof unterstanden (vor allem nordöstlich und südlich von Riga)
Gebiete, die dem Orden unterstanden (vor allem bei Wenden und an den Grenzen im Osten und im Süden)
Gebiete unter der gemeinsamen Regierung von Orden und Bischof (unter anderem bei Koknese)
Kurland wurde unter dem Bischof von Riga, dem Schwertbrüderorden und der Stadt Riga aufgeteilt.[9]
Um 1230/1231 begannen die Schwertbrüder zur Stärkung ihrer Position Verhandlungen mit dem Deutschen Orden über eine Zusammenarbeit führen.[10] Sie erstrebten eine Vereinigung mit dem mächtigeren Deutschen Orden.[11]
Ein gegen den Bischof geschlossenes Bündnis mit König Waldemar II. von Dänemark verkehrte sich im Konflikt um Reval, das heutige Tallinn, zum Nachteil des Ordens. Die Anerkennung der dänischen Ansprüche durch Gregor IX. im Jahr 1236 beschleunigte den schleichenden Niedergang des Ordens. Den Endpunkt setzte eine vernichtende Niederlage in der Schlacht von Schaulen 1236, die entweder im heute litauischen Šiauliai (deutsch Schaulen, lett. Saule) oder im lettischen Vecsaule stattfand. Sowohl Herrenmeister als auch die „Gebietiger“ sowie ein Großteil kampffähiger Ritter und Gefolgsleute fielen. Die Litauer stießen indes weiter vor und bedrohten Riga. Angesichts der unmittelbaren „heidnischen“ Bedrohung durch die Litauer blieb nur noch ein Ausweg: Die verbliebenen Schwertbrüder wurden 1237 laut päpstlichem Schiedsspruch in der Viterber Union oder Union von Viterbo mit dem Deutschen Orden vereinigt.[12] Ihr Besitz wurde auf den Deutschen Orden bei Wahrung eigener livländischer Verwaltung übertragen.[12]:94
Der ehemalige Schwertritterorden behielt als „Livländischer Ordenszweig“ innerhalb des Deutschen Ordens eine gewisse Selbstständigkeit. Die Organisation wurde im Wesentlichen beibehalten, das Amt des Herrenmeisters wurde zum Landmeister in Livland umgebildet. Das schwarze Kreuz der Deutschritter ersetzte das rote Kreuz mit rotem Schwert auf dem weißen Ordensmantel. Wappen und Siegel wurden geändert.
Der Schwertbrüderorden als Namensgeber
Eine sich als „Livländer Orden der Schwertbrüder“ bezeichnende Organisation wurde von Josef Pongratz (Josephus von Schwarzenberg) 1956 in Rosenheim neu gegründet. Mehr als ein ideeller Bezug zum Schwertbrüderorden besteht nicht. Niederlassungen der Organisation in unterschiedlichen Ausprägungen bestehen heute in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Amerika und Südafrika.[13][14]
Georg Christian Friedrich Lisch: Der Orden der Schwertbrüder in Livland. Geschichte der Besitzungen der Ritterorden Livlands und Preußens in Meklenburg. In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band14, 1849, S.3–47 . hier 3–7. (lbmv.de).
Friedrich Georg von Bunge: Der Orden der Schwertbrüder: Dessen Stiftung, Verfassung und Auflösung. Leipzig 1875
Friedrich Koch: Livland und das Reich bis zum Jahre 1225. In: Quellen und Forschungen zu Baltischen Geschichte. Nr.4. F. Häcker, Posen 1943 (gda.pl [PDF]).
Friedrich Benninghoven: Der Orden der Schwertbrüder. Fratres milicie Christi de Livonia (= Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Gegenwart. Bd. 9). Böhlau, Köln 1965.PDF
Lutz Fenske, Klaus Militzer Klaus (Hrsg.): Ritterbrüder im livländischen Zweig des Deutschen Ordens (= Quellen und Studien zur baltischen Geschichte. Band 12). Böhlau, Köln 1993, ISBN 3-412-06593-5
Dieter Zimmerling: Der Deutsche Ritterorden. Econ, München 1998, ISBN 3-430-19959-X.
Alain Demurger: Der Deutsche Orden in Preußen und Livland 1309-1525 In: Die Ritter des Herrn. Geschichte der geistlichen Ritterorden. C.H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-50282-2. S. 279–297
Ilgvars Misāns: „Wir waren immer ein Kriegervolk“. Die Darstellung der ostbaltischen Kreuzzüge in der lettischen Geschichtsschreibung. In: Jutta Prieur (Hrsg.): Lippe und Livland. Mittelalterliche Herrschaftsbildung im Zeichen der Rose. Verlag für Regionalgeschichte, Gütersloh 2008, ISBN 978-3-89534-752-8, S. 185–207.
Klaus Militzer: Art. Porte-Glaive, ordre des. In: Nicole Bériou, Philippe Josserand (Hrsg.): Prier et combattre. Dictionnaire européen des ordres militaires au Moyen Âge. Fayard, Paris 2009, ISBN 978-2-213-62720-5, S. 729–730.
Klaus Militzer: Die Geschichte des Deutschen Ordens. Kohlhammer, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-17-026677-3.
Mihkel Mäesalu: Die Bedeutung der päpstlichen Verfügungen über die Vereinigung des Schwertbrüderordens mit dem Deutschen Orden in den Konflikten zwischen dem Orden und den Rigaer Erzbischöfen bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. In: Forschungen zur baltischen Geschichte. Band15, 2020, S.30–58.
↑Friedrich Benninghoven: Der Orden der Schwertbrüder. Fratres milicie Christi de Livonia. Böhlau, Köln 1965, S. 81.
↑Klaus Militzer: Art. Porte-Glaive, ordre des. In: Nicole Bériou, Philippe Josserand (Hrsg.): Prier et combattre. Dictionnaire européen des ordres militaires au Moyen Âge. Fayard, Paris 2009, S. 729–730, hier S. 730.
↑Klaus Militzer: Art. Porte-Glaive, ordre des. In: Nicole Bériou, Philippe Josserand (Hrsg.): Prier et combattre. Dictionnaire européen des ordres militaires au Moyen Âge. Fayard, Paris 2009, S. 729–730, hier S. 729.
↑Edgars Dunsdorfs: Latvijas Vēstures atlants. Kārļa Zariņa fonds, Melbourne, 3. Aufl. 1998, ISBN 0-947177-10-8, S. 43. Die Karte in diesem Atlas zur Geschichte Lettlands zeigt den Gebietsstand im Jahre 1211, nach dem Schiedsspruch des Papstes.