Die Schreitvögel (Ciconiiformes Bonaparte, 1854), auch Storchenvögel oder Stelzvögel genannt, sind eine traditionelle Ordnung der Unterklasse der Neukiefervögel (Neognathae), die die Störche (Ciconiidae), die Reiher (Ardeidae), die Ibisse und Löffler (Threskiornithidae), den Schuhschnabel (Balaenicipitidae) und den Hammerkopf (Scopidae) beinhaltet. Nach einer Revision der Vogelsystematik auf Grundlage von molekularen Daten enthalten die Ciconiiformes heute nur noch die Störche.
Als gemeinsame Merkmale der „Schreitvögel“ galten ihr relativ großer Wuchs, ihre langen, stelzenartigen Beine und ihre damit verbundene Lebensweise, langsam schreitend (daher der Name) offenes Gelände oder flache, stehende Binnengewässer nach tierischer Nahrung abzusuchen oder dort in Lauerstellung auf eine Gelegenheit zu warten, Beute zu machen, wobei rasche Ortswechsel fliegend vollzogen werden. Nach neuen Erkenntnissen sind ein solcher Habitus und eine solche Art der Nahrungssuche aber keine zwingenden Anzeichen für eine direkte Verwandtschaft zwischen Vogelfamilien, auf die ebendiese Merkmale zutreffen (z. B. zwischen Störchen und Reihern). Stattdessen sind diese Merkmale offenbar in genetisch nicht unmittelbar miteinander verwandten Vogelfamilien mehrfach unabhängig voneinander (konvergent) entstanden.
In den 1990er Jahren wurde die DNA-Hybridisierung durch die DNA-Sequenzierung abgelöst, die den direkten Vergleich von DNA des Zellkerns oder der Mitochondrien (mtDNA) ermöglicht. Neuere Analysen auf Grundlage dieser Methode zeigen, dass Reiher, Ibisse und Löffler, der Schuhschnabel und der Hammerkopf näher mit den Pelikanen als mit den Störchen verwandt sind.[3][4] Da diese Ergebnisse weitreichende Akzeptanz bei Ornithologen erfuhren, sind die genannten Taxa konsequenterweise den Pelecaniformes zugeordnet worden, und die Ciconiiformes sind nunmehr monotypisch mit nur einer verbleibenden Familie, den Störchen. Die Neuweltgeier sind den neu definierten Greifvögeln (Accipitriformes) zugeordnet worden.[5][6][7]
Die wahrscheinlichen verwandtschaftlichen Verhältnisse gibt folgendes Kladogramm wieder. Die traditionell den Schreitvögeln zugeordneten Taxa sind fett hervorgehoben (Topologie nach Hackett et al. (2008)[4], Taxonnamen nach Chesser et al. (2011)[7]):
↑Charles Gald Sibley, Jon Edward Ahlquist, Burt L. Monroe, Jr.: A classification of the living Birds of the world based on DNA-DNA hybridization studies. The Auk. Bd. 105, Nr. 3, 1988, S. 409–423
↑Charles Gald Sibley, Jon Edward Ahlquist: Phylogeny and Classification of Birds – A Study in Molecular Evolution. Yale University Press, New Haven, Connecticut, 1990.
↑Per G. P. Ericson, Cajsa L. Anderson, Tom Britton, Andrzej Elzanowski, Ulf S. Johansson, Mari Källersjö, Jan I. Ohlson, Thomas J. Parsons, Dario Zuccon, Gerald Mayr: Diversification of Neoaves: integration of molecular sequence data and fossils. Biology Letters. Bd. 2, Nr. 4, 2006, S. 543–547, doi:10.1098/rsbl.2006.0523
↑ abShannon J. Hackett, Rebecca T. Kimball, Sushma Reddy, Rauri C. K. Bowie, Edward L. Braun, Michael J. Braun, Jena L. Chojnowski, W. Andrew Cox, Kin-Lan Han, John Harshman, Christopher J. Huddleston, Ben D. Marks, Kathleen J. Miglia, William S. Moore, Frederick H. Sheldon, David W. Steadman, Christopher C. Witt, Tamaki Yuri: A Phylogenomic Study of Birds Reveals Their Evolutionary History. Science. Bd. 320, Nr. 5884, 2008, S. 1763–1768, doi:10.1126/science.1157704
↑Frank Gill, Minturn Wright: Birds of the World: Recommended English Names. Princeton University Press, 2006, ISBN 0-7136-7904-2
↑ abR. Terry Chesser, Richard C. Banks, Keith Barker, Carla Cicero, Jon L. Dunn, Andrew W. Kratter, Irby J. Lovette, Pamela C. Rasmussen, J. V. Remsen, Jr., James D. Rising, Douglas F. Stotz, and Kevin Winker: Fifty-First Supplement to the American Ornithologists’ Union Check-List of North American Birds. The Auk. Bd. 127, Nr. 3, 2011, S. 726–744, doi:10.1525/auk.2010.127.3.726; siehe dazu auch AOU Committee on Classification and Nomenclature (North & Middle America) 2009-2010 Proposals