Die Waren bzw. Hinweise sind in der Regel attraktiv dekoriert (englischvisual merchandising), weil das Schaufenster insbesondere das Interesse der Laufkunden wecken soll. Eine veraltete Bezeichnung für die Auslage hinter einem Schaufenster ist der aus dem Französischen stammende Begriff Etalage.
Werbemittel
Schaufenster zählen für den stationären Einzelhandel, namentlich für den Fachhandel und Warenhäuser, zu den wirksamsten Werbemitteln.[1] Sie sollen nicht nur die Aufmerksamkeit der Passanten wecken, sondern auch Verkaufsergebnisse verbessern. Im Schaufenster erlebt die Kundschaft die Ware aus einer gewissen Distanz, was eine andere Präsentation erfordert als im Regal.[2] Die Schaufensterwerbung kam zeitgleich mit dem Populärwerden des Inserats als Werbemedium ab den 1880er Jahren auf und wurde zu einem wesentlichen Instrument der Verkaufsförderung. Anders als das Verkaufsgespräch im Laden zielt das Schaufenster nicht auf das Individuum, sondern auf Gruppen von potentiellen Kunden.[3] Der Informations- und Unterhaltungswert der Schaufensterauslagen (englischwindow shopping) soll Interessenten aufmerksam machen und zu Spontankäufen verleiten. Damit wird das ohne Kaufabsicht erfolgende Flanieren vor Schaufenstern in Fußgängerzonen oder Einkaufszentren bezeichnet.
Geschichte
Schaufenster entstanden erstmals um 1780 – in Paris z. B. bis 1788 die Galeries de Bois im Palais Royal. Größere Verbreitung fand das Schaufenster erst, nachdem es in den USA üblich geworden war. Die französische Bezeichnung vitrine deutet auch auf das verwendete Material Glas hin.
Die Schaufenster von Warenhäusern wurden um 1900 zu Trendsettern. So stand in einem Schaufenster in London ein der breiten Bevölkerung unbekanntes, komplex aussehendes Objekt: eine Schreibmaschine. Durch die Darbietung im halböffentlichen Raum, eben im Warenhausschaufenster, zog das Gerät das Interesse des breiten Publikums an und machte den „Ersatz der Schreibfedern“ bekannt.[4] Auch Raubgut war in Schaufenstern zu sehen. Dies diente der Aufklärung von Verbrechen durch die Polizei.[5]
In den 1920er Jahren kam es zu einer Neuausrichtung der Schaufensterästhetik. Zuvor war es – vor allem im Einzelhandel – üblich gewesen, möglichst viele Waren auszustellen. Albert Walter schrieb 1921 vom damals aufkommenden „künstlerischen Schaufenster [...] mit seiner oft erschreckenden Leere“.[6] 1928 gab es in Deutschland rund 1½ Millionen Schaufenster. Viele davon waren abends beleuchtet. Die Elektrizitätswerke boten den Händlern mit Schaufenstern Sondertarife an, etwa in München statt tagsüber 40 Pfennige pro Kilowattstunde abends ab 19 Uhr bis morgens um 8 Uhr 16 Pfg./kWh. Es entstand 1926 die Zentrale der deutschen Schaufenster-Lichtwerbung, abgekürzt Zetdeschau, mit Niederlassungen in zahlreichen Städten. Sie stellte Statistiken für die Elektrizitätswerke zusammen und gab Tipps für eine bessere Ausleuchtung der Schaufenster.[7]
Schaufenster bestehen aus verstärktem, zum Teil bruchsicherem Spezialglas. Schaufenster von Schmuck- und Uhrenläden zeigen oft Attrappen, um bei Diebstahl per Einbruch zu schützen (Nachtauslage). Trotz eiserner Gitter werden Schaufenster immer wieder eingeschlagen, z. B. durch einen Rammstoß mit einem schweren Fahrzeug. Neuzeitliche Schaufensterscheiben sind heute oft aus Verbund-Sicherheitsglas (reißfeste und zähelastische Folie zwischen zwei Glasscheiben, die sie zu einer Einheit zusammenfügt).
In Berlin wurden jüdische Geschäftsinhaber im Juni 1938 angewiesen, ihre Namen in weißen Buchstaben am Schaufenster anzubringen.[8] Am 10. Juni 1941 wurde es Einzelhandelsgeschäften im Deutschen Reich verboten, ihre Schaufenster mit Waren zu dekorieren, die unverkäuflich waren oder bereits verkauft waren; diese bis dahin verbreitete Praxis hatte zu teils heftigem Unmut bei Kunden geführt.[9] Kriegsbedingt herrschte Mangelwirtschaft (siehe auch Kriegswirtschaft).
Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten Händler ihr Schaufenster, um eine geregelte Abgabe von Waren zu gewährleisten. So gab der Berliner Kolonialwarenhändler Alois Birzle seinen Kunden Nummern zum Abholen ihrer Margarine-Ration. Im Schaufenster gab er die Uhrzeit für diese Nummern an und vermied damit die langen Schlangen vor anderen Lebensmittelgeschäften.[10]
Im September 1945 verfügte das Hauptamt für Energie- und Versorgungswirtschaft in Berlin, dass Schaufenster ihre Beleuchtung auf maximal 5 Watt pro Quadratmeter einschränkten. „Schaufenster, die lediglich Reklamezwecken dienen, dürfen nicht beleuchtet werden.“[11]
Das Handelsmarketing kennt zahlreiche Schaufensterarten mit vielfältigen handelspsychologisch geschickten Gestaltungsmöglichkeiten. Diese sind zum Beispiel[16]:
Stapelfenster
Themenfenster
Bedarfsorientierte Fenster
Anlassorientierte Fenster (z. B. Weihnachten, Ostern, Fußball-WM usw.)
Bühnenfenster
Fantasiefenster
Durchblickfenster (die den Blick in den Verkaufsraum gestatten)
Halboffene Fenster
Blinde Fenster
Schaukasten und Vitrine
Im Deutschen versteht man unter Vitrine eine Art Schaukasten, in dem sich vor Umwelteinflüssen oder Berührungen zu schützende Objekte befinden. Sie enthalten Ausstellungsstücke oder direkt die zum Verkauf angebotene Ware.
Wissenswertes
In den Rotlichtvierteln einiger Städte (wie z. B. Amsterdam) bieten Prostituierte ihre Dienstleistungen an, indem sie sich selbst in entsprechend leichter Bekleidung in ihre Schaufenster setzen.
Das Herrichten und die Gestaltung von Schaufenstern ist der Tätigkeitsbereich des Schaufensterdekorateurs. Frühere Namen dieses Ausbildungsberufs, wie Schauwerbegestalter und Schaufenstergestalter wurden in Deutschland durch die Bezeichnung Gestalter/in für visuelles Marketing abgelöst.
Gelegentlich werden auch Industriemessen „Schaufenster der Wirtschaft“ genannt.
Lian Maria Bauer: Szenerien. Handbuch zur Warenpräsentation auf der Bühne des Schaufensters. Deutscher Fachverlag, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-87150-546-3 (= Reihe Werbepraxis, Band 3, Lehrbuch der Schaufenstergestaltung).
Aurora Cuito (Hrsg.): Store window, Schaufenster, vitrine, escaparates, vetrina design. teNeues, Kempen 2005, ISBN 3-8327-9036-5 (Bildband zum aktuellen Schaufensterdesign).
Sabine Gauditz: Schaufenster als Spiegel der Geschäfte: Läden mit den Augen der Kunden sehen – Grundzüge der visuellen Kommunikation. Braman, Frankfurt am Main 2. aktualisierte und erweiterte Auflage 2019, ISBN 978-3-95903-002-1 (= Edition Buchhandel; Bd. 8).
Tilman Osterwold, Ilze Czigens (Bearb.): Schaufenster. Die Kulturgeschichte eines Massenmediums. Ausstellungsbegleitband. Württembergischer Kunstverein, Stuttgart 1974.
Hans-Otto Schenk: Chancen und Risiken der Schaufensterwerbung, in: BAG-Nachrichten, Heft 12/1981, S. 14–17.
Hans-Otto Schenk: Psychologie im Handel, 2. Auflage, Oldenbourg, München / Wien 2007, ISBN 978-3-486-58379-3.
Guido Szymanska: Welten hinter Glas. Zur kulturellen Logik von Schaufenstern (= Studien & Materialien des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen, Band 25). Tübinger Vereinigung für Volkskunde, Tübingen 2004, ISBN 3-932512-26-X (Magisterarbeit Universität Tübingen 2002, 149 Seiten – über Schaufenster als Mittel der kulturellen Identität).
↑Brigitta Seidel: Markenwaren. Maggi, Odol, Persil & Co. erobern den ländlichen Haushalt. Ausstellung im Haus Peters Tetenbüll 30. November 2002 - 12. Januar 2003. In: Kataloge der Museen in Schleswig-Holstein. Band67. Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, Husum 2002, ISBN 3-89876-081-2, S.14.
↑Albert Walter beschrieb in seinem Buch über das Schaufenster 1921 den Fall eines ausgestellten Koffers, den ein Raubmörder verloren hatte. Eine Passantin erkannte den Koffer wieder. Das führte auf die richtige Spur.
↑Albert Walter: Das Schaufenster und sein Schmuck. Gloeckners Handels-Bücherei 1921, S. 5
↑A. G. Arnold: Die elektrische Schaufensterbeleuchtung. In: Helios (Fach- und Exportzeitschrift für Elektrotechnik) vom 29. April 1928. S. 3 ff. Und: Helios vom 16. Oktober 1927, S. 12