Albert Sally (eigentlich „Salomon“) Berg wuchs als fünfter Sohn des Kaufmanns Salmon Berg und dessen zweiter Frau Sophie Wittgenstein in der Warburger Joseph-Kohlschein-Straße 28 auf. Das Haus lag direkt neben der Synagoge der jüdischen Gemeinde Warburg, zu der die Familie gehörte. Als 16-Jähriger zog er 1873 nach Brüssel, um bei Léo Hirsch, der ebenfalls aus Westfalen stammte, in dessen Modefachgeschäft mit Schneiderei in der Rue Neuve eine Lehre als Schneider und Textilkaufmann zu absolvieren. Nach seiner Ausbildung wurde er mit der Materialbeschaffung und der Aufsicht über das Geschäft betraut. 1881 wurde Hirsch Hoflieferant der belgischen Königin Marie Henriette von Österreich.
1882 wurden Sally Berg und sein gleichaltriger Mitarbeiter Sylvain Kahn (1857–1929) Teilhaber und in die Niederlande zum Aufbau von Filialen geschickt. Unter der Firma „Hirsch & Cie“ entstanden neue Geschäfte u. a. am Leidseplein und an der Weteringschansin in Amsterdam. Berg und Kahn entwarfen ihre Kollektionen nach französischem Vorbild und betätigten sich auch als Maßschneider. Zu ihren wichtigsten Kunden gehörte auch hier das Königshaus, die niederländische Königin Emma von Waldeck und Pyrmont und deren Tochter Wilhelmina. Sally Berg ging regelmäßig zu ihnen, um die neuesten Kollektionen zu zeigen, und durfte auch den Titel Hoflieferant führen.
1885 heiratete Sylvain Kahn Sally Bergs jüngere Schwester Juliette Berg (1861–1935) und wurde so Bergs Schwager. Das Paar bekam drei Söhne und zwei Töchter. Die Großfamilie wohnte zunächst über dem Geschäft. 1897 erwarb sie in der vornehmen P.C. Hoofstraat am damals noch privaten Vondelpark das 1873 erbaute klassizistische Haus Nr. 183 und ließ es aufwändig durch den Architekten Gerrit van Arkel (1858–1918) umbauen. Zudem erfolgte eine Erweiterung durch ein Haus an der Van Eeghenlaan, in dem Sally Berg wohnte. Beide Häuser waren intern miteinander verbunden.[1][2]
1895 kauften Berg & Kahn das renommierte WienerModehaus Drecoll. Der Name wurde behalten, die Entwürfe stammten jedoch von Berg und der dortigen Filialleiterin Marguerite von-Wagner-Besancon, die zuvor auch bei Hirsch & Cie in Amsterdam gearbeitet hatte. 1902 entstand unter der Firma „Drecoll“ ein weiteres Mode-Haus in Paris
Auch das Modegeschäft Hirsch & Cie in Amsterdam wurde weiter mit Entwürfen beliefert. Zur Eröffnung des neuen, noch heute bestehenden Kaufhausgebäudes Hirsch im November 1912, erbaut nach Plänen des Architekten Alphonsus Maria Leonardus Aloysius Jacot wurde dort die erste Modeschau in den Niederlanden veranstaltet.
1912 gründete Sally Berg mit Siegfried Berg, dem Niederländer M. Van Dyck und dem Russen Léon Fink die KommanditgesellschaftVan Dyck, Berg & Fink, die mehrheitlich die noch bestehende Parfümfabrikd’Orsay in Neuilly-sur-Seine übernahm und zum weltweiten Erfolg führte.
Berg blieb mit seinem Partner Kahn bis zu seinem Tode 1924 Direktor des Amsterdamer Modehauses. Die Urne mit seiner Asche wurde auf dem Familiengrab in Warburg bestattet. Er hinterließ ein beträchtliches Vermögen.[3]
Nachfolge
Nach Sally Bergs Tod wurde der älteste Sohn von Sylvain Kahn und Bergs Neffe, Bernard Arnold Kahn, Mitgeschäftsführer. Später kamen dessen Bruder Henri René Kahn und Robert Berg, ein weiterer Neffe Sally Bergs, hinzu. 1941 wurde Bernard Arnold von den Deutschen wegen „antideutscher Propaganda“ verhaftet, deportiert und starb am 29. Mai 1941 im Konzentrationslager Buchenwald. Henri René Kahn überlebte den Krieg und starb 1970.
Soziales Engagement
1909 gründete Sally Berg mit der „Berg-Stichting, Laren“ eine soziale Stiftung zugunsten jüdischer Waisenkinder. Nach Plänen des Architekten Gerrit van Arkel entstand am Rand der Stadt Laren, Hilversumseweg, ein staatliches, zweigeschossiges Gebäude mit großzügigen Freiflächen.[4] 1940 lebten in dem Waisenhaus 106 Jungen zwischen 4 und 21 Jahren. Zu Beginn des Jahres 1943 zogen die Stiftung und das Heim auf Anordnung der Besatzungsmacht in das jüdische Viertel in Amsterdam, Rapenburg 92 bis 96, um. Der nichtjüdische Direktor des Hauses, Jan Reitsema, und seine Frau Jantiene taten alles dafür, die Kinder und das Personal zu schützen. 70 Personen konnten in Verstecken oder durch gefälschte Papiere den Krieg überleben.[5][6] Die Familie Reitsema wurden hierfür vom Staat Israel als Gerechte unter den Völkern ausgezeichnet.[7] Das Gebäude in Laren wurde später abgebrochen.
In seinem Testament bedachte Berg zudem die Stadt Warburg mit einer Stiftung von 30.000 Gulden: Aus den Zinsen sollte das Geld aufgeteilt werden für die jüdischen, katholischen und protestantischen Armen seiner Heimatstadt.[8]
Literatur
Algemeen Handelsblad: Rapenburg 92, Amsterdam, 8. Oktober 1928
Theo Bakker, Bram Huyser: Hirsch & Cie en het Leidseplein, Amsterdam 2012
Barnouw, David, Oorlog en Bezetting: De Joodse Bergstichting, Nederland in 1940-1945. De geschiedenis in topstukken uit het NIOD-archief Amsterdam 2015
Grijpma, Dieuwke: Kleren voor de elite : Nederlandse couturiers en hun klanten 1882–2000, Balans, Amsterdam 1999, ISBN 978-90-5018-447-2, S. 68–75 und 203
Lauwen, Toon: Dutch design van de 20ste eeuw, Thoth, Bussum 2003, ISBN 90-6868-350-0, S. 40
Schijf, Huibert (red.); Voolen, Edward van (red.); Bergvelt, Ellinoor: Gedurfd verzamelen: van Chagall tot Mondriaan, Waanders, Zwolle 2010, ISBN 978-90-400-7662-6
Pouillard, Véronique: In the Shadow of Paris? French Haute Couture and Belgian Fashion Between the Wars, in: Regina Lee Blasczyk: Producing Fashion: Commerce, Culture, and Consumers, Univ. of Pennsylvania Press 2008, S. 67–73, ISBN 978-0-8122-4037-5