Der Markt befindet sich am östlichen Endpunkt des südlich des Donaumooses verlaufenden und dasselbe vom Paartal trennenden Höhenzuges. Wesentliche Teile des Gemeindegebiets liegen innerhalb des tertiären Hügellandes südlich der Ingolstädter Donautiefebene. Reichertshofen kann damit am nördlichen Rand des Alpenvorlands verortet werden. Geologisch interessant ist insbesondere der stark durch die (Ur-)Paar beeinflusste Westen des Marktgebiets mit seiner feinsandigen Bodenbeschaffenheit. An den Sanddünenablagerungen um den Windsberg bei Freinhausen hat sich dabei eine unter Naturschutz stehende, biologische Vielfalt entwickeln können, deren Teile auch in das Gemeindegebiet entfallen.
Reichertshofen wurde urkundlich erstmals um das Jahr 1100 in einer schriftlich fixierten Zeugennennung („N. de Rikershouen“) erwähnt. Im Jahr 1310 wird eine Burg Herzog Ludwigs IV., des späteren Kaisers Ludwig der Bayer, erwähnt. Das Marktrecht erhielt der Ort 1449 vom niederbayerischen Herzog Heinrich dem Reichen.[4] Reichertshofen besaß ein Marktgericht mit magistratischen Eigenrechten. Es wurde 1505 Pflegamt des neugegründeten wittelsbachischen Fürstentums Pfalz-Neuburg und sicherte mit seiner ansehnlichen, aber militärisch veraltenden Burganlage die östliche Grenze dessen zentraler Territorialmasse. Der Markt war von 1542 bis 1547 und erneut ab 1552 evangelisch, bis er 1617 der Rekatholisierung durch Wolfgang Wilhelm anheimfiel.
Auf dem Höhepunkt der frühneuzeitlichen Hexenverfolgung kam es 1589/1590 zu einer Welle von Prozessen, deren Ausgang nicht überliefert ist.[5] Nachdem in einer weiteren Verfolgungswelle in den Jahren 1628 bis 1630 51 der insgesamt 80 Beschuldigten hingerichtet worden waren,[6] wurde der zuständige Pfleger Jakob Kracker 1631 wegen Untreue und Diebstahls verklagt.[7] Zu einer weiteren Hinrichtung wegen Hexerei kam es 1645,[8] während sechs Beschuldigte, die 1661 verhört und gefoltert wurden, wieder freikamen.[9]
Auch als das Fürstentum ab 1777 in Personalunion mit Bayern regiert wurde, blieb das Pflegamt zunächst bestehen und wurde erst 1808 bei der vollständigen Integration Pfalz-Neuburgs in das Königreich Bayern aufgehoben. Im Zuge der Verwaltungsreformen in Bayern entstand mit dem Gemeindeedikt von 1818 die heutige politische Gemeinde.
Am 9. August 1968 stürzte beim Gemeindeteil Langenbruck ein britisches Passagierflugzeug auf die Autobahn. Dabei kamen 48 Menschen ums Leben (→ British-Eagle-Flug 802).
Im Juni 2024 wurde Reichertshofen stark von dem Hochwasser in Süddeutschland 2024 getroffen. Unter anderem war die Ortsmitte überflutet und der Strom ausgefallen.[10]
Eingemeindungen
Im Zuge der Gebietsreform in Bayern schloss sich am 1. Mai 1971 die Gemeinde Gotteshofen (mit ihren Gemeindeteilen Starkertshofen und Wolnhofen) dem Markt Reichertshofen an. Am 1. Juli 1972 wurden die östlichen Nachbargemeinden Hög (mit Dörfl und Ronnweg), Langenbruck (mit Kastl und Stöffel) und Winden am Aign (mit Agelsberg und Au am Aign) eingegliedert.[11]
Einwohnerentwicklung
Zwischen 1988 und 2018 wuchs der Markt von 5732 auf 8190 um 2458 Einwohner bzw. um 42,9 %.
Bevölkerungsentwicklung
Jahr
1961
1970
1987
1991
1995
2001
2005
2010
2015
2020
Einwohner
3775
4497
5624
6497
6769
7423
7458
7781
8066
8331
Die Einwohnerzahlen beziehen sich auf das heutige Gemeindegebiet.
Politik
Bürgermeister
Erster Bürgermeister ist seit 1. Mai 2008 Michael Franken (JWU); dieser wurde am 15. März 2020 bei zwei Mitbewerbern mit 53,6 % der Stimmen im ersten Wahlgang wieder gewählt.
Gegenüber der vorausgehenden Amtszeit gewann die SPD einen Sitz dazu, die Freien Wähler verloren dieses Mandat.
Wappen
0Blasonierung: „Auf blauem Grund zwei silberne abgewendete Reiherhälse mit roten Schnäbeln.“[13]
0 Das Wappen wird seit dem 15. Jahrhundert geführt.
Steuereinnahmen
Die Gemeindesteuereinnahmen betrugen im Jahr 2018 insgesamt 9819 T€, davon 819 T€ Grundsteuern, 2927 T€ Gewerbesteuer (netto), 5675 T€ Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und 383 T€ Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer.
Wirtschaft und Infrastruktur
Wirtschaft
Stand 2018 gibt es nach der amtlichen Statistik im produzierenden Gewerbe 984, im Bereich Handel und Verkehr 771 und in anderen Bereichen 338 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Wohnort gibt es demnach insgesamt 3578. Im verarbeitenden Gewerbe arbeiten drei Betriebe, im Bauhauptgewerbe zehn. Zudem bestehen – Stand 2016 – 51 landwirtschaftliche Betriebe mit einer agrarisch genutzten Fläche von insgesamt 1275 ha, davon 916 ha Ackerfläche und 348 ha Dauergrünfläche.
Verkehr
Reichertshofen liegt im Umland Ingolstadts sehr zentral zwischen den großen Wirtschaftsstandorten Nürnberg, München, Augsburg und Regensburg am Kreuzungspunkt der Bundesstraßen 13 und 300. Für den Fernverkehr existiert mit der BAB-Ausfahrt Langenbruck direkter Anschluss an die A 9. Schienengebunden bestehen Personen- und Gütertransportmöglichkeiten über den Bahnhof Baar-Ebenhausen, der an der Bahnstrecke München–Treuchtlingen liegt.
Bis 2011 befand sich der Bahnhof weiter südlich im Gemeindeteil Baar und trug die Bezeichnung „Reichertshofen (Oberbay)“. Im Zuge einer Neutrassierung der Strecke für höhere Geschwindigkeiten wurde der ziemlich enge Bogen vor dem ursprünglichen Bahnhof aufgeweitet, der Bahnhof um einige hundert Meter nach Norden verlegt und entsprechend in „Baar-Ebenhausen“, auf dessen Flur er sich seit jeher befindet, umbenannt.
Die nächstgelegenen Flughäfen sind der ca. neun Kilometer entfernte Fliegerhorst Ingolstadt/Manching und der Flughafen München (ca. 40 km).
Die Pfarrkirche ist der Heiligen Margaretha geweiht. Teile der heutigen Pfarrkirche stammen noch aus der Gotik, der 52 m hohe Turm sowie die Seitenkapelle, die ursprünglich der Chorraum der Vorgängerkirche war und (1731–1766) barockisiert wurde. Das jetzige Kirchenschiff wurde, rechtwinkelig zum ursprünglichen, in den Jahren 1930 und 1931 von Thomas Wechs im Stil der „neuen Sachlichkeit“ errichtet.[14]
Von der Ausstattung sind besonders „Die Reichertshofer Heiligen“ erwähnenswert – zwölf holzgeschnitzte und gefasste Heilige von der Bildhauerin Bernardine Weber aus dem Jahr 1982. Es sind folgende Heilige dargestellt: Petrus, Johannes (Ev.), Agnes, Bonifatius, Ulrich, Hildegard v. Bingen, Franziskus, Elisabeth, Nikolaus v. d. Flüe, Thomas More, Theresa v. Kinde Jesu, Maximilian Kolbe.
An der linken Seitenwand des Kirchenschiffes ist ein ebenfalls von Bernardine Weber aus Lindenholz geschnitzter Kreuzweg aus dem Jahr 1985.
Wallfahrtskirche St. Kastulus
Malerischer Weiler Sankt Kastl bei Langenbruck mit spätgotischer Wallfahrtskirche (Einrichtung barock) und unmittelbar daneben liegender Kapelle.
↑Johann Nepomuk von Raiser: Die Wappen der Städte und Märkte, dann der marktberechtigten Orte im Oberdonau-Kreis des Königreichs Bayern. Lauter, Augsburg 1834, S.105 (Digitalisat [abgerufen am 3. Juli 2013]).
↑Wolfgang Behringer: Hexenverfolgung in Bayern. Volksmagie, Glaubenseifer und Staatsräson in der frühen Neuzeit. 3., verbesserte und um ein Nachwort ergänzte Auflage. Oldenbourg, München 1997, ISBN 3-486-53903-5, S.139 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Behringer: Hexenverfolgung in Bayern. München 1997, S.65, 450.
↑Sigmund Riezler: Geschichte der Hexenprozesse in Bayern. Cotta, Stuttgart 1896, S.220 (Digitalisat [abgerufen am 10. Juli 2013]).
↑Behringer: Hexenverfolgung in Bayern. München 1997, S.454.
↑Behringer: Hexenverfolgung in Bayern. München 1997, S.350, 455.