Philipp Albert Stapfer entstammte einer traditionsreichen reformierten Theologenfamilie. Sein Urgrossvater, sein Grossvater und sein Vater waren Pfarrer gewesen. Sein Onkel Johann Friedrich Stapfer war einer der angesehensten Schweizer Theologen des 18. Jahrhunderts. Ein weiterer Onkel, Johann Stapfer, war Theologieprofessor. Philipp Albert Stapfer studierte an der Berner Akademie ebenfalls Theologie. 1789 und 1790 war er Student an der Georg-August-Universität Göttingen, wo er sich für die Anliegen der Jakobiner und die Ideen der Französischen Revolution zu interessieren begann.
Nach einer Bildungsreise nach London und ins revolutionäre Paris im Jahr 1791 begann Stapfer in Bern zu unterrichten und wurde 1792 zum Professor für Philologie ernannt. 1798 ernannte ihn die Regierung der neuen Helvetischen Republik zum Minister für «Wissenschaften, Künste, Gebäude und Strassen». Einer seiner engsten Mitarbeiter im Ministerium war der aus Magdeburg stammende Heinrich Zschokke, auch mit Johann Heinrich Pestalozzi hatte er beruflich zu tun. Um einen Überblick über den Zustand des Schulwesens zu erhalten, führte Stapfer im Januar 1799 bei allen Lehrerinnen und Lehrern der Helvetischen Republik eine Schul-Enquête durch. Sein ambitionierter Schulreformplan, der ein dreistufiges Schulsystem mit Elementarschule, Gymnasium und wissenschaftlicher Akademie vorsah, wurde vom Parlament auf ein Mindestmass zurechtgestutzt und konnte im Vorfeld des Zweiten Koalitionskrieges nicht umgesetzt werden.
Stapfer heiratete 1798 Marie-Madeleine Pierrette Vincens. Diese stammte aus einer Pariser Hugenottenfamilie und war die Enkelin der Bankierswitwe Elisabeth Gastebois, Besitzerin des Schlosses Talcy. Durch die Heirat ging der Schlossbesitz auf Stapfer über. Stapfers Söhne waren der Schriftsteller und Übersetzer Albert Stapfer und der Ingenieur Charles-Louis Stapfer, der Marie, die Tochter des gut befreundeten Jean Monod, heiratete. Seine Enkel waren Edmond Stapfer und Paul Stapfer.
Von 1800 bis Ende 1802 war Stapfer helvetischer Gesandter in Paris und traf sich in dieser Funktion oft mit Napoleon Bonaparte. Sein wichtigstes Anliegen war die Bildung eines geordneten und unabhängigen schweizerischen Staates. 1802 verhinderte er mit diplomatischem Geschick die Annektierung des Wallis durch Frankreich.
Im Dezember 1802 wurde Stapfer als Delegierter nach Paris eingeladen, um die gescheiterte Helvetische Republik zu liquidieren und die Mediationsverfassung auszuhandeln. Dabei setzte er sich erfolgreich für die Schaffung des Kantons Aargau in seiner heutigen Form ein. Dieser wurde schliesslich am 19. Februar 1803 gegründet und war aus dem Berner Aargau, dem Kanton Fricktal und dem Kanton Baden zusammengesetzt. Stapfer war auch Präsident jener Kommission, die für die Liquidation des Vermögens des Einheitsstaates verantwortlich war.
Im Sommer 1803 liess er sich endgültig in Paris auf Schloss Talcy nieder und war dann nur noch gelegentlich in der Schweiz zu Besuch. Zu seinem Freundes- und Bekanntenkreis in Paris zählten unter anderem Alexander von Humboldt und Anne Germaine de Staël. Ausserdem war Stapfer als Schriftsteller, Übersetzer und Redner tätig und widmete sich theologischen Studien. Der Kanton Aargau bot ihm zwar mehrmals politische Ämter an, doch Stapfer lehnte stets ab. Seine zur Zeit der Helvetischen Republik ausgearbeiteten Ideen im Bildungsbereich, die ihrer Zeit teilweise weit voraus waren, wurden nun durch andere umgesetzt. 1812 wurde er zum auswärtigen Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen gewählt.[1]
Seit 1960 erinnert die von Pro Argovia geführte Stiftung Stapferhaus in Lenzburg, mit Gründungssitz im gleichnamigen Gebäude auf Schloss Lenzburg, an diesen wegweisenden Politiker, ebenso das Stapferschulhaus in Brugg. Stapfers Familiengrab befindet sich in Paris auf dem Friedhof Père-Lachaise, Division 36.
Adolf Rohr: Philipp Albert-Stapfer. In: Argovia, Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau. 65 (1953), S. 30–48.
Adolf Rohr: Philipp Albert Stapfer. Eine Biographie. Im alten Bern vom Ancien régime zur Revolution (1766–1798). Lang, Bern 1998.
Adolf Rohr: Philipp Albert Stapfer. Minister der Helvetischen Republik und Gesandter der Schweiz in Paris 1798–1803 (= Beiträge zur Aargauer Geschichte. Band 13). hier+jetzt, Baden 2005, ISBN 3-03919-000-8.
Andreas Urs Sommer: Lichtenberg in Frankreich. Zu Philipp Albert Stapfers romantisierender Aufklärung. In: Lichtenberg-Jahrbuch 2001. Hrsg. im Auftrag der Lichtenberg-Gesellschaft von Ulrich Joost und Alexander Neumann. Saarbrücken 2002, S. 57–72.
Andreas Urs Sommer: Stapfer, Philipp Albert. In: Heiner F. Klemme, Manfred Kuehn (Hrsg.): The Dictionary of Eighteenth-Century German Philosophers. Band 2. London /New York 2010, S. 1115 ff.
↑Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 231.