1890 siedelte Troplowitz nach Hamburg über, wo er die erst 1882 von Paul Carl Beiersdorf gegründete „Fabrik dermotherapeutischer Präparate“ mit elf Mitarbeitern kaufte. Er setzte die Zusammenarbeit mit Paul Gerson Unna, Nestor der deutschen Dermatologie, fort und stellte auf dessen Empfehlung hin den ChemikerIsaac Lifschütz ein, der den EmulgatorEucerit erfand. Von Isaac Lifschütz erwarb er 1911 das Eucerit-Patent – indem er die Aumunder Eucerinfabrik Hegeler & Brünings AG kaufte. In wenigen Monaten gelang es, eine neuartige Creme herzustellen: Sie sah schneeweiß aus – ihr Name Nivea wurde von dem lateinischen Wort „niveus“, die Schneeweiße, abgeleitet.
Oscar Troplowitz war mit seiner Cousine Gertrud Mankiewicz († 1920) verheiratet; die Ehe blieb kinderlos.
Als Oscar Troplowitz am 27. April 1918 im Alter von nur 55 Jahren an einem Gehirnschlag verstarb, hatte sich die kleine Fabrik bereits zu einem weltweit tätigen Unternehmen mit über fünfhundert Angestellten entwickelt. Es wurde – nach dem Tod seines Mitgesellschafters Mankiewicz im selben Jahr und dem Tod von Gertrud Troplowitz zwei Jahre später – zuerst in eine GmbH und am 1. Juni 1922 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Damit begann die Weiterentwicklung in ein internationales Unternehmen mit Ausbau zu einem führenden Hersteller von Markenartikeln.
Die Straße am Firmensitz der Beiersdorf AG im Hamburger Bezirk Eimsbüttel wurde nach ihm benannt, 2023 teilweise in Beiersdorfstraße umbenannt.
Aus Troplowitz' Nachlass erhielt die Hamburger Kunsthalle als Vermächtnis sechsundzwanzig Gemälde mit Hauptwerken französischer und deutscher Künstler des 19. und 20. Jahrhunderts. Glanzpunkte seiner Sammlung waren unter anderem Bilder wie Auguste RenoirsMadame Hériot, Max LiebermannsEva, Max SlevogtsFleet am Hopfenmarkt in Hamburg und das stimmungsvolle Landschaftspanorama Die Seine bei Billancourt von Alfred Sisley.
Die Nachfahren von Oscar Troplowitz sind als drittgrößte Aktionäre – nach der Allianz AG und der Maxingvest AG – noch heute am Beiersdorf-Konzern beteiligt.
Leistungen
1901 entwickelte Troplowitz den medizinischen Klebeverband, für den er den Begriff Leukoplast kreierte. 1909 folgte der Lippenpflegestift Labello. Dabei führte er das Drehhülsengehäuse ein, aus dem der Stift zum Gebrauch herausgedreht und wieder versenkt wird. Ende 1911 brachte Troplowitz die erste Fett- und Feuchtigkeitscreme der Welt auf den Markt – die Nivea Creme. Noch im Jahr 1896 entstand der sogenannte Beiersdorf-Kautschuk-Klebefilm, der dann um 1936 als Tesa-Film den Markt eroberte.
Oscar Troplowitz war ein aufgeklärter Unternehmer mit starkem sozialen Sinn. Er führte Errungenschaften ein wie ein kostenloses Mittagessen, eine Art Betriebskindergarten sowie bereits 1897 den Mutterschutz. Schon 1912 reduzierte er als einer der ersten Unternehmer in Hamburg die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich auf 48 Stunden, zahlte Weihnachts- und Urlaubsgeld und gründete 1916 eine Pensionskasse. Er konnte sich auf die absolute Loyalität seiner Mitarbeiter verlassen, während seiner Zeit hatte ein einziger Beschäftigter gekündigt.[6]
Seit 1903 engagierte sich Troplowitz auch in der Hamburger Kommunalpolitik, er war von 1906 bis 1917 Mitglied der Baudeputation und arbeitete zusätzlich ehrenamtlich zwei Tage pro Woche in der Baubehörde.[7] Troplowitz war von 1904 bis 1910 als Abgeordneter der FraktionLinkes Zentrum in der Hamburgischen Bürgerschaft eine maßgebliche Stimme für Bildung, kulturelle Erneuerung und die Verschönerung der Stadt im frühen 20. Jahrhundert.
In seiner Hamburger Villa, Agnesstraße 1, am Kopf der Außenalster mit eigenwilliger Architektur, entworfen 1909 vom Berliner Architekten William Müller, gingen neben Freunden, Geschäftsleuten und Politikern auch Künstler ein und aus. Aus dem kunstinteressierten Oscar Troplowitz wurde dank seiner gut gehenden Geschäfte ein bekannter Kunstsammler. So war er der erste deutsche Privatsammler, der einen Picasso erwarb. Beraten vom Maler Friedrich Ahlers-Hestermann kaufte er in der MünchnerGalerie Caspari das Gemälde Die Absinthtrinkerin (Buveuse assoupie) aus der Blauen Periode des Künstlers. Von 1906 bis 1913 war das Bild im Besitz von Gertrude Stein, die einen Künstler- und Literatensalon in Paris führte. Nach Troplowitz’ Tod vermachte seine Frau das Werk zunächst der Hamburger Kunsthalle. 1937, in der Zeit des Nationalsozialismus, galt es als „entartet“, wurde beschlagnahmt und 1941 in der Schweiz versteigert. Heute hängt es im Kunstmuseum Bern.[8]
„Bei ihm liefen zwei Stränge zusammen, das Gebot der Zedaka und das hanseatische Prinzip, Gutes zu tun und nicht darüber zu reden.“[6] So war Troplowitz als Mäzen aktiv, so hat man es ihm als Gründungsmitglied des Stadtpark-Vereins zu verdanken, dass es den Hamburger Stadtpark gibt.[9] Er unterstützte gleichermaßen das örtliche evangelische, katholische und jüdische Krankenhaus.
Seine Großnichte Dagmar Westberg (1914–2017) war ebenfalls Mäzenin der Kunst und Kultur, deren Schwester Ebba Simon wurde als Stifterin bekannt; ein Großneffe war der 2013 mit 100 Jahren verstorbene Ex-Beiersdorf-Chef Georg Wilhelm Claussen.
Katrin Cura: Von der Apotheke zur chemischen Fabrik. 125 Jahre Beiersdorf. In: Naturwissenschaftliche Rundschau, 60. Jahrgang 2007, 11, S. 579–581, ISSN0028-1050.
Jesko Dahlmann: Das innovative Unternehmertum im Sinne Schumpeters: Theorie und Wirtschaftsgeschichte. Metropolis Verlag, Marburg 2017, ISBN 978-3-7316-1269-8, S. 231–271.
↑Thomas Buomberger: Raubkunst – Kunstraub. Die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Zürich 1998, ISBN 3-280-02807-8, S. 60 ff.