Operation Lava Jato (auf Deutsch etwa ‚Operation Autowäsche‘ oder ‚Hochdruckreiniger‘, auch als Petrolão stilisiert),[1] auch Caso Lava Jato‚Autowasch-Affäre‘, ist ein milliardenschwerer Korruptionsskandal in Brasilien um die Unternehmen Petrobras und Odebrecht. Seit dem 17. März 2014 leitet der zuständige Staatsanwalt beim Bundesgericht in Curitiba im südbrasilianischen Bundesstaat Paraná, Deltan Dallagnol, die Ermittlungen und Verfahren zur Aufklärung des Skandals.
Seinen sonderbaren Namen verdankt der verzweigte Jahrhundertprozess gegen Dutzende Politiker und Manager einer Tankstelle mit Autowäsche in der Hauptstadt Brasília, die zudem über eine Wechselstube und einen Geldtransferservice verfügte. Der dort tätige Geldhändler Alberto Youssef legte in seinem Verfahren wegen Beihilfe zur Geldwäsche im Gegenzug für ein vermindertes Strafmaß ein umfassendes Geständnis ab. Das Gleiche tat der vom Geldhändler zunächst belastete Petrobras-Manager, woraufhin weitere Ermittlungen und Strafverfahren in Gang gesetzt wurden.[2]
Hintergrund
Es handelt sich beim Petrolão um ein riesiges Korruptionssystem, bei dem Aufträge für den brasilianischen Erdölkonzern Petrobras von privaten Baukonzernen zu überhöhten Preisen ausgeführt wurden. Die daraus gewonnenen Mehreinnahmen teilten die verdächtigen Unternehmer mit Petrobras-Mitarbeitern und Politikern, ein Teil floss zudem in Parteikassen. Petrobras (ehemals Petrobrás) ist das größte Unternehmen Brasiliens mit einem Jahresumsatz von rund 140 Milliarden US-Dollar (129 Mrd. Euro) und spricht heute von einem Verlust von mindestens zwei Milliarden Dollar als Konsequenz dieser Machenschaften. In diesem größten Justizfall der brasilianischen Geschichte ermittelt die Justiz unter Leitung des Bundesrichters Sérgio Fernando Moro[3] inzwischen gegen mehr als 494 Politiker und Geschäftsleute (Stand August 2015).
Chronologie
2014–2016
Seit März 2014 ermittelt die brasilianische Bundespolizei in der Operação Lava Jato‚Operation Hochdruckreiniger‘. Insgesamt 96 der führenden Manager und Besitzer von brasilianischen Baukonzernen sitzen in Untersuchungshaft. 30 davon wurden bisher verurteilt und weitere 103 Personen wurden angeklagt (Stand August 2015). Der Supremo Tribunal Federal, der Oberste Gerichtshof, hat Ermittlungsverfahren gegen die Verdächtigten eröffnet. Darunter befinden sich auch 22 Abgeordnete und zwölf Senatoren. Sie sollen an den Korruptionsvorgängen bei Petrobras beteiligt gewesen sein. Dabei sollen von 2004 bis 2012 systematisch illegale Gelder aus dem Konzern an Politiker als Schmiergelder abgezweigt worden sein. Es sei offensichtlich, dass es sich dabei um die Bildung einer kriminellen Vereinigung gehandelt habe, begründete der Bundesrichter Teori Zavascki die Entscheidung, die Namen der verdächtigten Politiker zu veröffentlichen.[4]
Innerhalb von 16 Ermittlungsphasen wurden Unregelmäßigkeiten bei der brasilianischen Caixa Econômica Federal, einer Bank und ein staatlicher Finanzdienstleister Südamerikas, beim Ministerium für Gesundheit, bei Eletronuclear, einer Tochtergesellschaft der Eletrobrás im Kernenergiesektor und vor allem beim halbstaatlichen Ölkonzern Petrobrás aufgedeckt.[5] Im Sommer 2016 ist die Justiz bereits mit der 33. Phase beschäftigt.
Der abgesetzte einstige Präsident der Abgeordnetenkammer Eduardo Cunha von der Zentrumspartei PMDB soll sich nach Überzeugung der Ermittler in Curitiba allein gut 35 Millionen Euro erschlichen und zu guten Teilen auf Konten in der Schweiz geschafft haben. Im Oktober 2016 wurde Cunha verhaftet.[6]
2017
Am 19. Januar 2017 kam der als Anti-Korruptionsrichter mit der Lava-Jato-Affäre befasste Bundesrichter des Obersten Bundesgerichts Teori Zavascki bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.[7][8]
Am 17. Mai 2017 beschuldigt die brasilianische Zeitung O Globo den Präsidenten Michel Temer, er habe angeordnet, das Schweigen von Eduardo Cunha – eines früheren Präsidenten der Abgeordnetenkammer – zu kaufen.[9]
Am 10. Mai 2017 wird der frühere Präsident Lula von dem Richter Sergio Moro angehört.[10]
Am 7. Juni 2017 wird Sergio Cabral, früherer Gouverneur des Bundesstaats Rio de Janeiro, wegen Korruption zu 14 Jahren Haft verurteilt.[11]
Am 19. Juni 2017 wird bekannt, dass das Mitglied des Obersten Gerichtshofs und der Wahlkommission, Gilmar Mendes, Aktionär eines von den Bestechungen betroffenen Unternehmens ist.[12]
Am 26. Juni 2017 wird der ehemalige Präsident Temer angeklagt.[13] Er bezeichnet dies als 'Fiktion' und 'Angriff auf seine Würde'.[14]
Am 12. Juli 2017 wird Luiz Inácio Lula da Silva wegen Korruption zu neun Jahren Gefängnis verurteilt.[15]
2018
Im März 2018 erreichten die Untersuchungen der Lava-Jato-Operation die Ausschreibung und das Werk des Wasserkraftwerks Belo Monte. Nach den Ermittlungen erhielten PT- und PMDB-Politiker Bestechungsgelder. Ziel der Ermittlungen ist der ehemalige Minister Antônio Delfim Netto[16][17][18]
Am 5. April 2018 wird gegen Lula Haftbefehl erlassen. Nachdem er sich erst der Verhaftung entzogen hatte, stellt er sich in Curitiba am 7. April.
Am 30. April 2018 werden Lula und Gleisi Hoffmann erneut Bestechung durch Odebrecht vorgeworfen.
2019
Am 21. März 2019 wird der frühere Präsident Michel Temer verhaftet.[19]
Anzahl der Durchsuchungen und Beschlagnahmungen: 654
Verurteilungen: 106 Personen
Involvierte Unternehmen: 16
Gesellschaftliche Folgen
2014 bildete sich die Movimento Brasil Livre, die als soziale Bewegung gegen Korruption und für eine liberale Wirtschaft im folgenden Jahr die größten Proteste der jüngeren brasilianischen Geschichte durchführte.
Liste vom Obersten Bundesgericht beschuldigter Politiker
Liste der gegen Politiker beschlossenen Ermittlungsverfahren, April 2017
Am 11. April 2017 veröffentlichten der Minister des Obersten Gerichtshofes Edson Fachin und der mit den Ermittlungen beauftragte Oberstaatsanwalt Brasiliens Rodrigo Janot eine erneute Liste mit 108 Namen von Politikern, zu denen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, was auch Aufhebung der Geheimhaltung (Immunität) bedeutet.[28][29] Ermittlungen wegen diverser „Unregelmäßigkeiten“ wie passiver und aktiver Korruption, Geldwäsche, Fälschung sowie unlauterer Preisfestsetzung und Betruges wurden eingeleitet gegen:
neun Minister des Kabinett Temers, davon drei des PMDB, zwei des PSDB, je einer des PPS, des PRB, des PP und PSD:
Unter dem Originaltitel Polícia Federal: A lei é para todos und der Regie von Marcelo Antunez entstand 2017 eine Verfilmung der Operation Lava Jato. Auf Deutsch erschien der Film 2020 unter dem Titel The Operation – Im Sumpf der Korruption.[32]
Seit 2016 gibt es zudem die Netflix-FernsehserieDer Mechanismus (Originaltitel: O Mecanismo), die die Ermittlungen um den Skandal nachzeichnet.