OpenGL (OpenGraphics Library; deutsch Offene Grafikbibliothek) ist eine Spezifikation einer plattform- und programmiersprachenübergreifenden Programmierschnittstelle (API) zur Entwicklung von 2D- und 3D-Computergrafikanwendungen. Der OpenGL-Standard beschreibt etwa 250 Befehle, die die Darstellung komplexer 3D-Szenen in Echtzeit erlauben. Zudem können andere Organisationen (zumeist Hersteller von Grafikkarten) proprietäre Erweiterungen definieren.
Die Implementierung des OpenGL-API erfolgt in der Regel durch Systembibliotheken, auf einigen Betriebssystemen auch als Teil der Grafikkarten-Treiber. Diese führen entsprechend Befehle der Grafikkarte aus, insbesondere müssen auf der Grafikkarte nicht vorhandene Funktionen durch die CPU emuliert werden.
Viele Parameter können die Darstellung von gerenderten Objekten beeinflussen, beispielsweise können sie texturiert und beleuchtet sein, gestreckt, verschoben, transparent oder undurchsichtig, sie können eine raue oder glatte Oberfläche haben und so weiter.
OpenGL wurde als Zustandsautomat entworfen, der nicht bei jedem Funktionsaufruf alle benötigten Parameter erhält, sondern so lange dieselben Werte verwendet, bis die entsprechenden Zustände geändert werden. Auf diese Weise braucht man zum Beispiel nicht für jeden Vertex OpenGL die gewünschte Farbe mitzuteilen, sondern setzt einmalig eine Farbe, woraufhin alle folgenden Vertices in dieser Farbe dargestellt werden. Auf dieselbe Weise kann man global Lichtquellen an- oder ausschalten und viele weitere Zustände setzen.
Der Grund für dieses Design ist, dass fast jede Änderung des Zeichenmodus aufwendige Reorganisationen der Grafikpipeline nach sich zieht, daher vermeidet man diese lieber, so lange es sinnvoll möglich ist. Auch wäre es für den Programmierer ermüdend, dutzende Parameter immer wieder neu anzugeben. Oft können viele tausend Vertices bearbeitet werden, bevor wieder ein Zustand geändert werden muss, während manche Zustände sogar nie geändert werden. Beispielsweise bleiben die Lichtquellen meistens für alle Objekte einer Szene die gleichen. Viele Zustände werden zumindest für die Dauer des Renderns eines kompletten Objekts beibehalten, zum Beispiel wird ein Auto als Ganzes um einen bestimmten Vektor verschoben und nicht in seine Einzelteile zerlegt und diese einzeln verschoben. Auch in Direct3D verfolgt man dieses zustandsbasierte Konzept.
Erweiterungen
Eine wichtige Eigenschaft von OpenGL ist dessen Erweiterbarkeit. Einzelne Anbieter (typischerweise Grafikkartenhersteller) können die Zustandsmaschine von OpenGL um weitere Zustände erweitern. Dabei wird eine vierstufige Vorgehensweise verfolgt:
Wenn ein Hersteller eine Erweiterung realisieren möchte, so liefert er eine C-Headerdatei aus, in der er die Erweiterung mit den nötigen Konstanten und evtl. Funktionsprototypen definiert. Die Funktionsnamen und Konstanten erhalten ein herstellerspezifisches Suffix (z. B. NV für Nvidia oder ATI für ATI).
Einigen sich dann mehrere Hersteller darauf, die gleiche Erweiterung anzubieten, bekommen die Funktionsnamen und Konstanten das Suffix EXT.
Einigt sich schließlich das ARB (Architecture Review Board) darauf, die Erweiterung zu standardisieren, erhalten alle Namen das Suffix ARB.
Die meisten vom ARB standardisierten Erweiterungen werden in der folgenden OpenGL-Spezifikation dann „core“, das heißt, sie werden Bestandteil von OpenGL selbst und haben dann kein Suffix mehr.
Historische Entwicklung
OpenGL entstand ursprünglich aus dem von Silicon Graphics (SGI) entwickelten IRIS GL. Die Version OpenGL 1.0 wurde von Mark Segal und Kurt Akeley verfasst.[3] Im sogenannten Fahrenheit-Projekt versuchten Microsoft und SGI ihre 3D-Standards zu vereinheitlichen, das Projekt wurde jedoch wegen finanzieller Schwierigkeiten auf Seiten von SGI abgebrochen.
Der OpenGL-Standard wird vom OpenGL ARB (Architecture Review Board) festgelegt. Das ARB existiert seit 1992 und besteht aus einer Reihe von Firmen. Stimmberechtigte Mitglieder sind die Firmen 3DLabs, Apple, AMD/ATI, Dell, IBM, Intel, Nvidia, SGI und Sun (Stand Nov. 2004). Weiter mitwirkende Firmen sind Evans & Sutherland, Imagination Technologies, Matrox, Quantum3D, S3 Graphics, Spinor GmbH, Tungsten Graphics und Xi Graphics. Microsoft, eines der Gründungsmitglieder, hat das ARB im März 2003 verlassen.
Neue Funktionen in OpenGL werden meist zuerst als herstellerspezifische Erweiterungen eingeführt und gehen dann den Weg über herstellerübergreifende Erweiterungen und ARB-Erweiterungen zu Kernfunktionalität. Dies erlaubt es, neueste Möglichkeiten der Grafikhardware zu nutzen und dennoch OpenGL abstrakt genug zu halten.
Seit dem 31. Juli 2006 liegt die Weiterentwicklung der OpenGL-API in der Hand der Khronos Group.
weiteres Entfernen von Altlasten (z. B. Fixed-Function-Optionen, Direct-Mode und Color-Index-Mode), diese sind nur noch über die optionale „compatibility extension“ verfügbar
Der große Sprung von OpenGL 1.5 auf 2.0 erklärt sich mit der Einführung der „OpenGL Shading Language“. Dies stellt eine so große Änderung und Erweiterung dar, dass sich das ARB zu diesem Schritt entschieden hat. Die Khronos Group hat die Spezifikation für OpenGL 3.0 am 11. August zur Siggraph 2008 bekanntgegeben. Die API wurde (weg von der Fixed-Function-Pipeline – hin zu den Shadern bzw. Programs, weg von der State Machine – hin zu einem objektbasierten System) umfassend überarbeitet. Dabei ist OpenGL zwar weiterhin abwärtskompatibel, doch es gibt keine neuen Funktionalitäten für die alte API mehr. Das neue OpenGL hat erstmals mächtige Geometry-Shader des 3.0-Modells.
Mit der raschen Veröffentlichung von OpenGL 4.0 und dessen Feature-Set – insbesondere der Einführung der Tesselation – konnte die Khronos Group seit längerer Zeit wieder gleichziehen und ist erneut mit DirectX (11) in Konkurrenz getreten.[8]
Unter den Titeln OpenGL 2015 und OpenGL 2016 hat NVIDIA einige neue ARBs eingebracht. Ein Teil davon wurde mit OpenGL 4.6 zum Standard. 2017 und 2018 wurden für Pascal und Turing weitere Erweiterungen besonders für VR und Raytracing zur Verfügung gestellt.[9][10][11][12][13][14][15][16][17]
Longs Peak und die Kontroverse zu OpenGL 3.0
Vor der Freigabe der Version OpenGL 3.0 am 11. August 2008 war diese Revision der API unter dem Codenamen „Longs Peak“ bekannt. Zum Zeitpunkt der ursprünglichen Ankündigung wurde Longs Peak als allererste umfangreiche und tiefgreifende Überarbeitung der API-Schnittstelle in der Geschichte von OpenGL präsentiert. Diese bestand aus einer grundsätzlichen Überarbeitung der Art und Weise, wie OpenGL arbeitet, was fundamentale Veränderungen an der API zur Folge haben sollte. Um trotz der angekündigten umfangreichen Veränderungen und revolutionären Neuerungen die Abwärtskompatibilität mit älterer Software zu gewährleisten, sollten ältere Versionen der API weiterhin verfügbar sein, jedoch keine neuen Funktionen mehr dort einfließen. Dies hätte es erlaubt, alten Programmcode, wie z. B. in der Mehrzahl der CAD-Anwendungen vorhanden – welche ihre Codebasis seit Jahrzehnten nahezu unverändert nutzen – weiterhin mit älteren Versionen der OpenGL-API auszuführen, während andere Programme allmählich auf die neue Schnittstelle hin umgeschrieben oder portiert worden wären.
Longs Peak sollte ursprünglich bereits im September 2007 unter dem Namen OpenGL 3.0 freigegeben werden. Dann jedoch gab die Khronos-Gruppe am 30. Oktober 2007 bekannt, dass sie auf verschiedene Problempunkte gestoßen sei, die sie gelöst haben wollte, bevor sie die Spezifikationen veröffentlichte.
Als Resultat verschob sich die Veröffentlichung, und die Informationsquellen verstummten vollständig. Die Khronos-Gruppe war zur Koordination der Weiterentwicklung eingesetzt worden, da sich Neuerungen und Ideen durch die zahlreichen Mitglieder nur schwierig und sehr zeitaufwendig umsetzen ließen. Nach der Aufnahme ihrer Tätigkeiten strebte sie einen klaren und engen Zeitplan mit klar definierten Zielen an und verschrieb sich einer offeneren Kommunikation.
Die letztendlich verabschiedeten Spezifikationen erwiesen sich als weitaus weniger spektakulär als angekündigt. Weite Teile des Codes wurden doch beibehalten, und der vorgestellte Objektmodus war nicht integriert. Auch sind keine Pläne bekannt, diesen in zukünftigen Versionen nachzureichen. Im Endeffekt ist die API weitgehend die gleiche geblieben, mit ein paar wenigen Erweiterungen an der Kernfunktionalität.
Dieses enttäuschende Ergebnis verursachte Unzufriedenheit bei manchen Entwicklergruppen, hatte man sich doch bahnbrechende Neuerungen und ein ernstzunehmendes, zukunftsweisendes, plattformübergreifendes Konkurrenzprodukt zu Microsofts DirectX erhofft. Aus Protest drohten manche, zukünftig zu DirectX zu wechseln. Am meisten für die Enttäuschung machte man die geringe bis gar nicht vorhandene Kommunikation von Seiten Khronos’ verantwortlich. Man fühlte sich regelrecht ausgesperrt und im Dunkeln gelassen. Andere Kritik wurde an der Notwendigkeit von DirectX-10-fähiger Hardware geübt und dem Fehlen von Geometry-Shadern und Instanced-Rendering als Kernfunktionen.
Andere Quellen geben an, dass die Reaktionen der Entwicklergemeinschaft nicht ganz so schlimm ausfielen wie ursprünglich berichtet, da viele Verkäufer bereits geplante Unterstützung für die neue Version zeigten.
Vor- und Nachteile von OpenGL gegenüber Direct3D
Vorteile
Client-Server-Modell
Draw-Aufrufe sind unter bestimmten Umständen leistungsfähiger als in Direct3D[18]
es gibt eine Vielzahl an Extensions für neue, noch nicht vom Standard unterstützte Funktionen
die verfügbaren Features sind von der GPU bzw. deren Treiber abhängig, nicht vom Betriebssystem[19]
Nachteile
OpenGL hat eine teilweise veraltete und komplexer zu verwendende Programmierschnittstelle (API), die von manchen Entwicklern als umständlich angesehen wird.[20][21]
Schnittstellen zum System
Da es sich bei OpenGL um eine reine Grafikbibliothek handelt, kümmert sie sich nicht um die Verwaltung von Zeichenoberflächen (Fenster), weiteren Puffern (wie etwa dem Z-Buffer oder dem Stencil-Buffer) oder Renderkontexten, um mit mehreren Anwendungen gleichzeitig die Schnittstelle nutzen zu können. Diese müssen mit Hilfe dafür vorgesehener, betriebssystemabhängiger Bibliotheken zur Verfügung gestellt werden.
Es gibt mehrere Bibliotheken, die OpenGL mit dem darunter liegenden Betriebssystem verbinden:
AGL und CGL, das entsprechende Gegenstück für macOS,
freeglut, eine neuere Alternative zum nicht mehr weiterentwickelten GLUT,
GLFW, ähnliche Bibliothek wie GLUT, die das darunterliegende Betriebssystem abstrahiert,
GLUT, eine Bibliothek, die aufbauend auf OpenGL, GLU und je nach Plattform GLX, WGL oder AGL eine plattformübergreifende API für Ein-/Ausgabe, Erstellen von Rendering-Kontexten und dergleichen bietet,
WGL, die Windows Graphics Library, die OpenGL und Windows verbindet.
Kommando-Syntax
OpenGL-Kommandos enthalten ein Präfix, an dem man erkennen kann, aus welcher Bibliothek der Befehl stammt, gefolgt von Wörtern, die jeweils mit Großbuchstaben beginnen:[23]
Durch die Kontinuität der Plattform laufen Programme heute im Vergleich von AMD-Grafikkarten bis zu 40-mal schneller als vor 12 Jahren und mit bis zu 15-mal geringerem Verbrauch pro Aktion, ohne dass dazu der Programm-Code geändert werden muss.[25]
Unterstützte Plattformen
OpenGL wird von vielen Betriebssystemen unterstützt, darunter auch den meisten führenden:
Plattformübergreifend (Windows, Mac OS, Solaris und Linux) wird OpenGL auch durch die Zusätze JOGL oder LWJGL der Java-Plattform unterstützt, die als Wrapper zwischen Java und der nativen Implementierung des Betriebssystems fungieren.
WebGL ist ein auf OpenGL ES aufbauender Bestandteil von Webbrowsern, mit dessen Hilfe hardwarebeschleunigte 3D-Grafiken direkt dargestellt werden können.
Am 3. März 2015 wurde auf der Game Developers Conference (GDC) der Nachfolger von OpenGL vorgestellt. Die neue API, zunächst bekannt unter dem Namen Next Generation OpenGL oder auch glNext, heißt Vulkan.
Siehe auch
DevIL, eine plattformübergreifende API zum schnellen Laden und Speichern von Grafiken. Ehemals OpenIL. Arbeitet sehr gut mit OpenGL zusammen, da es möglich ist, mit einem einzigen Funktionsaufruf eine Bilddatei in eine OpenGL-Textur zu laden oder Bildschirmfotos („screen shot“) abzuspeichern.
OpenGL Utility Library (GLU), die vom ARB standardisiert und Teil jeder OpenGL-Implementierung ist.
Java 3D, eine Bibliothek von Java-Klassen zur Erzeugung, Manipulation und Darstellung dreidimensionaler Grafiken innerhalb von Java-Applikationen und -Applets. Nutzt je nach Plattform und Implementierung OpenGL oder Direct3D.
AMD Mantle, eine vom Unternehmen AMD entwickelte Programmierschnittstelle für Grafikausgaben.
Open Inventor, eine freie objektorientierte C++-Programmbibliothek zur Erstellung von 3D-Grafiken.
OpenAL, eine plattformübergreifende 3D-Audio-API, die eine Art Audio-Erweiterung zu OpenGL darstellt und vom Aufbau, Programmierstil und Namenskonventionen an OpenGL angelehnt ist.
Simple DirectMedia Layer (SDL), eine plattformübergreifende API für Grafik, Audio und Eingabegeräte inklusive OpenGL-spezifischer Funktionalität.
Graham Sellers, Richard S. Wright und Nicholas Haemel: OpenGL Superbible: Comprehensive Tutorial and Reference. Addison-Wesley Longman, Amsterdam 2015, ISBN 978-0-672-33747-5.
Lorenz Burggraf: Jetzt lerne ich OpenGL. Der einfache Einstieg in die Schnittstellenprogrammierung. Markt+Technik, München 2003, ISBN 3-8272-6237-2.
Dave Shreiner, Graham Sellers, John Kessenich und Bill Licea-Kane: OpenGL Programming Guide: The Official Guide to Learning OpenGL, Version 4.3. Addison-Wesley Longman, Amsterdam 2013, ISBN 978-0-321-77303-6.