Während seiner Schulzeit an der Hamburger Sophie-Barat-Schule gehörte Semsrott zur Redaktion der Schülerzeitung Sophies Welt, die jedoch durch einen Beratungslehrer zensiert wurde. Nach einem Streit mit der Schulleitung gründete Semsrott gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder, dem heutigen Journalisten Arne Semsrott,[3] die eigenständige und später prämierte Schülerzeitung Sophies Unterwelt. Deren Verkauf auf dem Schulgelände wurde von der Schulleitung verboten, nach einer erfolgreichen Klage der Brüder Semsrott jedoch außerhalb des Schulgeländes gestattet.[3][4]
Sein erstes Soloprogramm mit dem Titel Freude ist nur ein Mangel an Information hatte am 14. Juni 2012 in Hamburg Premiere. Ab 2014 war Semsrott mit einer ständig aktualisierten Fassung des Programms auf Tour, wobei der Titel durch den Zusatz „Update“ und eine jährlich um 0.5 erhöhte Versionsnummer ergänzt wurde. Seit 2019 pausiert er aufgrund seines politischen Engagements.[6] 2017 bis 2019 gehörte er zum Ensemble der heute-show im ZDF.[7] Er stellt sich dabei dem Publikum meist als „Demotivationstrainer“ vor. Auch auf dem Stimmzettel zur Europawahl 2019 stand dies als Beruf.[8]
Politischer Werdegang
Bundestagswahl 2017 (2017)
Semsrott führte zur Bundestagswahl 2017 als Spitzenkandidat die Berliner Landesliste der Partei Die PARTEI an,[3] die dort 2,1 % der Stimmen erreichte.[9]
Mitglied des Europäischen Parlaments (2019 bis 2024)
Europawahl 2019
Bei der Europawahl 2019 kandidierte er für Die PARTEI auf Listenplatz 2 hinter Martin Sonneborn.[10] Im Wahlkampf kritisierte er oft eine mangelhafte Auseinandersetzung älterer Politiker mit jüngeren Generationen, da diese weniger Gewicht hätten. So forderte er in einer satirischen Wahlwerbung ein „Höchstwahlalter“.[11] Bei der Wahl am 26. Mai 2019 erreichte Die PARTEI in Deutschland 2,4 % der Stimmen. Damit errang Semsrott neben Sonneborn ein Mandat im Europäischen Parlament. Während Sonneborn sich wie in der Legislaturperiode zuvor entschied, fraktionslos zu bleiben, gab Semsrott bekannt, der Fraktion Die Grünen/Europäische Freie Allianz beizutreten.[12][13] Für seine Fraktion war er Mitglied im Haushaltskontrollausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Petitionsausschuss.[14] Im April 2024 erschien Semsrotts Buch Brüssel sehen und sterben über seine Zeit im Europaparlament.[15] Er schildert im Buch Machtmissbrauch, Intransparenz und seine Ohnmachtsgefühle.[16] Zur Europawahl 2024 trat Semsrott nicht mehr an. Er schied somit im Juli 2024 aus dem Europaparlament aus.
Diebstahlserie im Europäischen Parlament
Durch Semsrott wurde eine Diebstahlserie im Europäischen Parlament während der COVID-19-Pandemie bekannt.[17] Ein von ihm auf der Plattform YouTube veröffentlichtes Video, in dem er den Diebstahl und die Untätigkeit des zuständigen Sicherheitsdienstes thematisiert, fand internationale Resonanz.[18][19][20][21][22]
Austritt aus der PARTEI
Am 13. Januar 2021 gab Semsrott seinen Austritt aus der PARTEI öffentlich bekannt.[23] Sonneborn habe laut Semsrott seine „Verantwortung als Vorsitzender der PARTEI mit 50.000 Mitgliedern und zuletzt 900.000 Wähler*innen“[23] nicht ausreichend wahrgenommen, als er wiederholt nicht ernsthaft auf die Kritik an ihm reagiert habe.[24] Der Medienjournalist Michael Hanfeld bewertete in der FAZ den Vorgang als das Ende des „Satireprojekts“ von Die PARTEI und kritisierte, dass Semsrott trotz Austritt sein EU-Mandat behalte. Hanfeld warf Semsrott zudem eine „engstirnige Borniertheit“ vor, „die Witze und Satire nur erträgt, wenn diese nicht auf Kosten der eigenen Weltanschauung und Peergroup gehen“.[25]
Privates
Semsrott leidet unter Depressionen. Im Juli 2021 machte Semsrott öffentlich, seit Mai 2020 eine anhaltende depressive Phase zu durchleben. Im November 2021 gab er dem Hörfunksender COSMO ein einstündiges Interview über seine Erkrankung.[26][27]
Brüssel sehen und sterben: wie ich im Europaparlament meinen Glauben an (fast) alles verloren habe. Rowohlt Polaris, Hamburg 2024, ISBN 978-3-499-01410-9.
↑Volkan Ağar: EU-Abgeordneter Nico Semsrott: Er meint das ernst. In: Die Tageszeitung: taz. 9. Juli 2019, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 5. August 2019]).