Die Nesselblättrige Glockenblume (Campanula trachelium) ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Glockenblumen (Campanula) und in der Familie der Glockenblumengewächse (Campanulaceae). Das Artepitheton trachelium leitet sich vom griechischen Wort τραχύς = rau ab und bezieht sich auf die steife Behaarung des Stängels.[1]
Illustration der Nesselblättrigen Glockenblume (links (1)) und der Acker-Glockenblume (Mitte, rechts (2))Nesselblättrige Glockenblume (Campanula trachelium)
Vegetative Merkmale
Die mehrjährige, sommergrüne, krautige Pflanze wird 30 bis 80(-110) cm hoch. Ihr scharf vierkantiger Stängel ist steifhaarig. Die Stängelblätter sind kurz rauhaarig. Die unteren Stängelblätter sind lang gestielt, herz-eiförmig und besitzen einen doppelt gesägten Blattrand. Die oberen Blätter sind kurz gestielt bis sitzend. Die Blätter lassen die nicht-blühende Pflanze, entsprechend ihrem deutschen Namen, auf den ersten Blick als Brennnessel erscheinen.
Generative Merkmale
Die großen blauen Blüten öffnen sich zur typischen Glockenform und sind in einer allseitswendigen Traube angeordnet. Die Krone ist 3 bis 4(-5) cm lang. An ihrem Rand sind die Blüten zart bewimpert. Die Kelchzipfel sind breit-lanzettlich, liegen der Krone an und sind behaart.
Die Nesselblättrige Glockenblume ist eine Halbrosettenpflanze.
Die Blüten sind ausgeprägt vormännliche „Glockenblumen mit klebrigem Pollen“. Schon in der Knospe wird der Pollen an der Griffelbürste abgelagert und dann später durch Zurückziehen der Griffelhaare freigegeben; man spricht hier von sekundärer Pollenpräsentation. Der Griffel dient als Kletterstange für die Besucher. Die Staubfäden sind an der Basis verbreitert und müssen von den Besuchern zur Seite gedrückt werden, damit sie an den Nektar gelangen können. Bestäuber sind verschiedene Insekten, besonders Bienen einschließlich Hummeln. Da die Narbenlappen schließlich bis zur Griffelbürste zurückgekrümmt werden, ist auch Selbstbestäubung möglich.
Die Früchte sind hängende Porenkapseln mit klappigen Öffnungen an der Basis, die sich bei Nässe schließen. Wegen der bleibenden, abstehenden Kelchblätter sind die Früchte Tier- und Windstreuer. Die sehr leichten Samen werden außerdem als Körnchenflieger ausgebreitet; sie sind Licht- und Frostkeimer.
Die Pflanze liebt feuchten, tiefgründigen Lehmboden, nimmt aber auch mit steinigem Untergrund vorlieb. Sie ist eine Charakterart der Ordnung Fagetalia und kommt vor allem in Gesellschaften des Carpinion-Verbands und im Carici-Fagetum oder Tilio-Aceretum vor.[2] Sie kommt im gesamten Europa mit Ausnahme von Portugal, in Nordafrika in Marokko, Algerien und Tunesien und östlich von Europa bis Zentralasien und dem Iran vor.[4]
In Teilen der nordöstlichen USA und des Südostens von Kanada ist die Nesselblättrige Glockenblume eingebürgert bzw. ein Neophyt. Es gibt Fundangaben für Maine, Manitoba, Massachusetts, Michigan, New York, Neufundland, Ohio, Ontario, Pennsylvania, Québec, Sakhalin, Vermont und Wisconsin.[4]
Systematik
Für den wissenschaftlichen Namen Campanula tracheliumL. der Nesselblättrigen Glockenblume gibt es folgende Synonyme:[4]
Campanula serratifolia var. ciliatosepalaVuk., Campanula urticifoliaSalisb., Drymocodon trachelium(L.) Fourr. und Trachelioides vulgarisOpiz
Campanula trachelium subsp. athoa(Boiss. & Heldr.) Hayek: Sie kommt von der Balkanhalbinsel bis zur nordwestlichen und südlichen Türkei vor.[4]
Campanula trachelium subsp. mauritanica(Pomel) Quézel: Sie kommt in Marokko, Algerien und Tunesien vor.[4]
Campanula trachelium subsp. trachelium: Sie kommt von Europa bis Zentralasien und in Algerien vor.[4]
Trivialnamen
Für die Nesselblättrige Glockenblume bestehen bzw. bestanden, zum Teil auch nur regional, auch die weiteren deutschsprachigen Trivialnamen: braunes Fingerhütchen, brauen Glocken, Halskraut, Halswurz, Huckblatt (Sachsen), Huckwort, Hukosbleder (1659 erwähnt) und Zäpfleinkraut.[5]
Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Portrait. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
Einzelnachweise
↑ Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Nikol, Hamburg 2005, ISBN 3-937872-16-7 (Nachdruck von 1996).
↑ abErich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S.893.
↑Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, Seite 76. (online).