Moisdon-la-Rivière liegt etwa 58 Kilometer südsüdöstlich von Rennes und etwa 46 Kilometer nordnordöstlich von Nantes. Der Fluss Don und sein Zufluss Gravotel durchqueren die Gemeinde. Umgeben wird Moisdon-la-Rivière von den Nachbargemeinden Erbray im Norden und Nordosten, Petit-Auverné im Osten, Grand-Auverné im Südosten, La Meilleraye-de-Bretagne im Süden, Issé im Westen sowie Louisfert im Nordwesten.
Geschichte
Internierungslager Moisdon-la-Rivière
In Moisdon-la-Rivière befand sich seit 1939 ein Internierungslager, das in vielen Quellen nur als Nomaden-Lager[1] Erwähnung findet. Tatsächlich beginnt die Geschichte dieses Lagers, das unter dem Namen La Forge bekannt ist, aber mit spanischen Bürgerkriegsflüchtlingen, die hier 1939 interniert wurden.
Im Mai 1939 wurden auf dem Gelände der Schmiede ein Lager für republikanische Flüchtlinge aus Spanien eingerichtet, die vor dem Franco-Regime geflohen waren. Hier waren Im Oktober 1939 688 Personen untergebracht[2] – 26 Männer, 306 Frauen und 356 Kinder.[3]:S. 231 Als Frankreich in den Krieg eintrat, verließen die spanischen Flüchtlinge nach und nach das Lager. Einige wurden in andere Lager überführt, andere wurden nach Spanien repatriiert oder konnten sich in die französische Gesellschaft integrieren.[4]
Seit dem 6. April 1940 verbot ein Dekret die Freizügigkeit der sogenannten Nomaden in Frankreich für die Dauer des Krieges[3]:S. 23, und von November 1940 an wurden dann in La Forge Sinti und Roma interniert. Nach Peschanski geschah dies auf Drängen der deutschen Besatzungsbehörden, die verlangt hätten, alle Nomaden der besetzten Zone zu internieren.[5] Zur Situation im Lager heißt es bei Peschanski:
„Die Nomaden wurden entweder in ihren Zigeunerwagen oder in festen Gebäuden untergebracht, die jedoch sehr hohe Decken hatten, was das Heizen praktisch unmöglich machte. Als Speisesaal diente ein Schuppen, der dem Wind und der Kälte ausgesetzt war. Die Situation war so schlimm, dass die Nomaden nach einigen Monaten im kältesten Winter in das Lager Châteaubriant (Choisel) verlegt wurden.“
– Denis Peschanski: Les camps français d’internement (1938–1946), S. 177 ff.[6]
Die Gedenktafel (siehe unten) spricht von 567 Männern, Frauen und Kindern nomadischer Herkunft, die unter erbärmlichen sanitären Bedingungen in La Forge interniert waren. Mehrere Kinder seien Opfer der hier herrschenden schlechten Lebensbedingungen geworden. Während in der damaligen Presse verächtlich geschrieben wurde, die im Lager sesshaft gewordenen Romas würden dort das soziale Leben kennenlernen, war die Situation für die Internierten nahezu unerträglich. La Forge sei, wie ein Sozialarbeiter über die Situation im Jahre 1941 berichtete, ein sehr feuchter und von Stacheldraht umgebener Ort gewesen. „Während einige Familien, die zu den besser gestellten gehören, in einem Raum mit einigen Strohmatten versammelt sind, auf denen sie sich abends ausstrecken können, werden alle anderen wie Tiere in zwei große, schmutzige Holzbaracken gepfercht, in die niemals Sonne oder Luft eindringen.“[7]
Im Mai 1942 wurde das Lager La Forge geschlossen. 267 noch internierte Personen, darunter 150 Kinder, wurden zunächst in das Internierungslager Mulsanne gebracht, und von dort aus dann in das Internierungslager für Nichtsesshafte in Montreuil-Bellay.[7] Viele von ihnen konnten dieses Lager erst 1946 verlassen – zwei Jahre nach der Befreiung Frankreichs.
Die alte Schmiede (la Forge), in der spanische Republikaner und dann Sinti und Roma interniert waren
Weitere Häuser auf dem Gelände der Schmiede
Gedenktafel zur Erinnerung an die Internierung spanischer Republikaner und Sinti und Roma
Text Der Gedenktafel auf Französisch und Deutsch
Die Geschichte des Lagers La Forge blieb nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lange verborgen. Erst 2004 fand erstmals eine Gedenkfeier auf dem Gelände des ehemaligen Lagers statt – veranstaltet von einer Sinti- und Roma-Organisation.[8] 2010 wurde von der Gemeinde die obige Gedenktafel angebracht, und es existiert nun auch ein Museum über das Lager.[4] Am 27. April 2019 wurde ein neues Denkmal enthüllt. Es handelt sich um eine senkrecht stehende Schiefertafel von einem Meter Breite und 2 Metern Höhe, in die ein Camargue-Pferd und ein moderner Wohnwagen eingraviert sind sowie ein Zitat von Federico Garcia Lorca: „Erinnern heißt, gegen das Vergessen zu kämpfen“.[9] Nach Christophe Sauvé, einem Sinti, der zugleich als Seelsorger für diese Gemeinschaft zuständig ist, ist das Camargue-Pferd mit seiner wehender Mähne „ein Symbol für Freiheit. Es erinnert auch daran, dass es die Zigeunerwagen zog. Die Zigeunerwagen wurden von den französischen Behörden beschlagnahmt“. Der ebenfalls abgebildete moderne Wohnwagen soll an aktuelle Kämpfe erinnern, in denen es auch darum gehe, dass „Wohnwagen soll als Wohnraum anerkannt werden“.[10]
Bevölkerungsentwicklung
Jahr
1962
1968
1975
1982
1990
1999
2006
2017
Einwohner
1947
1810
1842
1807
1810
1734
1785
1951
Quellen: Cassini und INSEE
Sehenswürdigkeiten
Kirche Saint-Jouin, ursprünglich im 11. und 12. Jahrhundert begründet, umgebaut im 19. Jahrhundert, Monument historique seit 1978
Neue Schmieden, mehrere Schmiedehäuser aus dem 17. Jahrhundert, Monument historique
Literatur
Le Patrimoine des Communes de la Loire-Atlantique. Flohic Editions, Band 1, Charenton-le-Pont 1999, ISBN 2-84234-040-X, S. 590–601.
1939–1945. Telles furentnos jeunes années. Le Pays Castelbriantais sous l’Occupation (1939–1945. Das waren unsere jungen Jahre. Das Pays Castelbriantais während der Besatzungszeit) (Online). Die PDF-Datei beinhaltet die Kopie eines im Oktober 2009 erschienenen Buches. Zur Autorenschaft heißt es im Vorspann: „Dieses Buch ist ein Gemeinschaftswerk. Nicht das Werk eines Historikers, sondern das Resultat einer langjährigen Sammlung von Zeugenaussagen. Zahlreiche Personen haben sich bereit erklärt, zu erzählen, und haben dafür ihr Gedächtnis und ihre Archive durchsucht. Vielen Dank an alle, die auf die eine oder andere Art und Weise an der Entstehung dieses Buches beteiligt waren.“[11]
Denis Peschanski: Les camps français d’internement (1938–1946) – Doctorat d’Etat. Histoire. Univer-sité Panthéon-Sorbonne - Paris I, 2000. (Online1 oder Online2)
Manuel Rodriguez: Moisdon-la-Rivière: rencontre avec Odelinda Gutierrez, internée au camp de la Forge, L'Éclaireur de Châteaubriant, 20. August 2012. In dem Artikel wird die ursprünglich aus Asturien stammende Odelinda Gutierrez interviewt, die als achtjähriges Mädchen zusammen mit ihrer Mutter und ihrer kleineren Schwester in La Forge interniert wurde. Ihrer Abschiebung nach Spanien entkamen sie dadurch, dass der Vater in die französische Armee eingetreten war. Er starb während des Zweiten Weltkriegs im Konzentrationslager Gusen.
Einzelnachweise
↑Nomades und Tsiganes sind im Französischen auch aktuell benutzte Begriffe für Menschen, die im Deutschen zumeist als Sinti und Roma bezeichnet werden.
↑Die unten abgebildete Gedenktafel spricht von 875 Spaniern.
↑ abGedenkorte Europa 1939 – 1945: Moisdon-la-Rivière
↑Denis Peschanski: Les camps français d’internement (1938-1946), S. 177 ff.
↑„En effet les nomades furent logés soit dans leurs roulottes, soit dans des bâtiments en dur, très haut de plafond cependant ce qui rendait le chauffage pratiquement impossible. Un hangar, ouvert au vent et au froid, faisait fonction de réfectoire. La situation fut telle qu'après quelques mois, au plus froid de l'hiver, les nomades furent transférés au camp de Châteaubriant (Choisel).“
↑ abZitiert nach Le Camp de la Forge de Moisdon-la-Rivière (radio-aspic.net, siehe Weblinks). «Si quelques familles, parmi les mieux loties, sont réunies dans une pièce avec quelques paillasses pour s'étendre le soir venu, toutes les autres sont parquées comme des bêtes dans deux grands baraquements de bois repoussants de saleté, où jamais ne pénètrent ni le soleil ni l'air.»
↑Florence Pagneux: En mémoire de 567 nomades internés (Weblinks; dort auch ein Foto des Gedenksteins). „Faire mémoire, c’est lutter contre l’oubli“
↑Zitiert nach Philippe Ridou: Moisdon-la-Rivière. „Un cheval camarguais, crinière au vent, est gravé sur le bloc d’un mètre sur deux. «Le cheval, c’est un symbole de liberté. Il rappelle aussi qu’il tirait les roulottes. Des roulottes qui ont été confisquées par les autorités françaises» , souligne Christophe Sauvé. Une caravane, plus moderne, figure également sur la pierre. «Les jeunes voulaient être représentés» , explique l’aumônier. C’est aussi un message d’un combat plus actuel: «Celui de faire reconnaître la caravane comme logement», glisse l’éternel militant de la cause tzigane.“
↑„Ce livre est un ouvrage collectif. Non pas une œuvre d’historien, résultat d’une longue collecte de témoignages. De nombreuses personnes ont accepté de raconter, fouillant leur mémoire et leurs archives. Merci à tous ceux qui, d’une façon ou d’une autre, ont participé à la réalisation de cet ouvrage.“