Mildred war das jüngste Kind von William Cook Fish und dessen Frau Georgina (geb. Hesketh) nach Harriet, Marion Hesketh und Marbeau Davenport Fish. 1919 machte sie ihren Abschluss an der Western High School in Georgetown (Washington, D.C.) und studierte dann Literaturwissenschaften. 1926 arbeitete sie als Dozentin für deutsche Literatur an der University of Wisconsin–Madison, wo sie den Juristen und Rockefeller-Stipendiaten Arvid Harnack kennenlernte und heiratete. 1929 zog sie mit Arvid nach Berlin. Von 1932 bis 1936 war sie als Englischlehrerin am Berliner Abendgymnasium (heute: Peter-A.-Silbermann-Schule) tätig. Sie promovierte 1941 an der Ludwigs-Universität Gießen und arbeitete als Lehrbeauftragte und Übersetzerin an der Auslandswissenschaftlichen Fakultät der Universität Berlin. Dort sammelte sich ab 1939/40 ein reger Kreis widerständiger Dozenten und Studenten, darunter auch Harro Schulze-Boysen und Horst Heilmann. Bis zu ihrer Verhaftung arbeitete sie auch als Dozentin am Heilschen Abendgymnasium in Berlin-Schöneberg.
Ab 1933 baute sie zusammen mit ihrem Mann sowie dem Schriftsteller Adam Kuckhoff und dessen Frau Greta Kuckhoff einen Diskussionszirkel auf, der politische Perspektiven nach dem erwarteten Sturz des Naziregimes erörterte.[1] 1939 entstand daraus das Widerstandsnetz Rote Kapelle. Bis zum Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg war sie Vorsitzende des Frauen-Clubs an der US-Botschaft in Berlin und eng befreundet mit Martha Dodd, der Tochter des Botschafters William Edward Dodd. Später waren die Harnacks eng mit Botschaftsrat Donald R. Heath und dessen Frau Louise befreundet.[2] Donald Heath jr. schrieb später : „Mildred war ein Typ wie Julie Christie in Doktor Schiwago, wirklich höchst interessant. Ich fühlte mich zu ihr hingezogen. Sie wirkte sehr nordisch und trug altmodische Kleidung. Sie zog die Blicke der Leute auf sich. Sie entging einem selbst in einem überfüllten Raum nicht. Sie wirkte auf Männer. Sehr auffallend. Eine totale Präsenz, ihre Stimme, ihr Anblick, ihr Denken.“
Sie unterstützte ihren Mann, der ab 1935 für den sowjetischenNachrichtendienst arbeitete, und half ihm beim Zusammenstellen politischer, militärischer und wirtschaftlicher Informationen.[3]
Bis Ende Juni 1941 hatte die Gruppe Kontakt mit Angehörigen der sowjetischen Botschaft und versuchte, vor dem bevorstehenden deutschen Überfall auf die Sowjetunion zu warnen. Im August 1942 wurde ein Funkverkehr der belgischen Gruppe mit den Adressen von Adam Kuckhoff, Harro Schulze-Boysen und Ilse Stöbe dechiffriert.
Am 7. September 1942 wurden Arvid und Mildred Harnack während eines Urlaubs auf der Kurischen Nehrung in Ostpreußen von der SS verhaftet.[4] Am 19. Dezember fällte das Reichskriegsgericht das Todesurteil über Arvid Harnack, das am 22. Dezember 1942 vollstreckt wurde. Mildred Harnack wurde zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Hitler ordnete jedoch eine neue Hauptverhandlung an, die am 16. Januar 1943 mit einem Todesurteil endete. Am 16. Februar 1943 wurde Mildred Harnack im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee mit der Guillotinehingerichtet.[5] Ihre letzten Worte waren: „Und ich habe Deutschland so geliebt.“ Harnack-Fish ist die einzige amerikanische Zivilperson, die wegen Widerstands gegen das Naziregime hingerichtet wurde.[6]
In Berlin-Neukölln erinnert in der Lilienthalstraße eine Gedenktafel an das Ehepaar Harnack und an ihren Mitbewohner Stefan Heym.
Mildred Harnacks Name steht mit dem ihres Mannes Arvid und zehn weiteren Namen auf dem 1976 errichteten Mahnmal für die „im Kampf gegen den Hitlerfaschismus gefallenen“ Angehörigen der Humboldt-Universität im Gartenhof des Hauptgebäudes Berlin-Mitte, Unter den Linden 6.[10]
An der heutigen Peter-A.-Silbermann-Schule (ehemaliges Berliner Abendgymnasium) wurde am 6. Juli 2009 eine Gedenktafel enthüllt.[11] Dazu gab es eine Gedenkveranstaltung. Ehemalige Schüler berichteten dort von der Umbenennung der Schule in Mildred-Harnack-Fish-Kolleg durch die Schülerinnen und Schüler Ende der 1960er Jahre aus Protest gegen den konservativen Namensgeber Peter Adalbert Silbermann.[12]
In Gießen gibt es einen Mildred-Harnack-Weg. 2015 wurde das Otto-Eger-Heim des Studentenwerkes in Mildred-Harnack-Fish-Haus umbenannt.[13]
In ihrer Geburtsstadt Milwaukee trägt eine Kunstschule Mildred Harnacks Namen.[16]
Im Bundesstaat Wisconsin wird seit 1986 an allen Schulen am 16. September ein Gedenktag für Mildred Fish-Harnack begangen.[6]
Auf dem Friedhof Zehlendorf in Berlin erinnert ein Gedenkstein an Mildred und Arvid Harnack. Das Grab von Arvids Bruder Falk Harnack (1913–1991) befindet sich auf diesem Friedhof.[17]
Irving Stone: Lust for Life. (Vincent van Gogh. Ein Leben in Leidenschaft.) Berlin 1936, Universitas.
Walter D. Edmonds: Drums along the Mohawk. (Pfauenfeder und Kokarde.) Berlin 1938, Universitas.
Schriften
Mildred Harnack: Die Entwicklung der amerikanischen Literatur der Gegenwart in einigen Hauptvertretern des Romans und der Kurzgeschichte. (Maschinenschriftliche Dissertation), Philosophische Fakultät der Ludwigs-Universität zu Gießen, Gießen 1941.
Mildred Harnack-Fish: Variationen über das Thema Amerika. Studien zur Literatur der USA. Herausgegeben von Eberhard Brüning. Aufbau-Verlag, Berlin u. a. 1988, ISBN 3-351-01022-2.
Literatur
Rebecca Donner: All the Frequent Troubles of Our Days: The True Story of the American Woman at the Heart of the German Resistance to Hitler. Little, Brown and Company, New York 2021, ISBN 978-0-316-56169-3.
Rebecca Donner: Mildred. Die Geschichte der Mildred Harnack und ihres leidenschaftlichen Widerstands gegen Hitler. Kanon, Berlin 2022, ISBN 978-3-98568-047-4.
deutsch: Mildred Harnack und die „Rote Kapelle“. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Frau und einer Widerstandsbewegung. Übersetzt von Klaus Kochmann. Scherz, Bern 2003, ISBN 3-502-18090-3.[18]
Gert Rosiejka: Die Rote Kapelle. „Landesverrat“ als antifaschistischer Widerstand. Ergebnisse, Hamburg 1986, ISBN 3-925622-16-0.
Ingo Juchler (Hrsg.): Mildred Harnack und die Rote Kapelle in Berlin. 2., verbesserte Auflage. Universitätsverlag Potsdam, Potsdam 2021, ISBN 978-3-86956-500-2 (uni-potsdam.de [PDF]).