Eine Micheline ist ein Schienenbus[1] respektive Leichttriebwagen oder Leichttriebzug, bei dem die Räder mit Luftreifen ausgestattet sind. Diese Bauweise wurde in den 1930er Jahren von Michelin entwickelt. Der Name Micheline wurde in der Folge in Frankreich auch oft für Dieseltriebwagen im Allgemeinen verwendet.
In Paris werden heute noch U-Bahnen mit Luftbereifung eingesetzt. Die starke Haftung des Reifens auf der Schiene ermöglichte schnelle Beschleunigungs- und Bremsvorgänge, was insbesondere beim innerstädtischen Verkehr mit häufigen Stopps vorteilhaft ist. Der Komfort ist durch die zusätzliche Federung höher, bietet aber nur geringe Zuladung und daher kleinere Fahrgastkapazität. Auch wurden bis zu 20 Reifen pro Jahr und Wagen verschlissen und anders als eisenbereifte Fahrzeuge waren Pannen durch Beschädigungen der Reifen häufig.
André Michelin wollte den Reisekomfort verbessern und mehr Luftreifen verkaufen. Es musste ein Rad entwickelt werden, das auf dem schmalen Schienenkopf rollen und das Fahrzeuggewicht tragen konnte sowie in der Lage war, Weichen zu durchlaufen. Die erste Version wurde 1929 patentiert, und in der Folge wurde das Rad mit einer widerstandsfähigeren Metallkarkasse gebaut. Die Spurführung auf der Schiene erfolgt durch einen aus der Felge ausgeformten Spurkranz. Außerdem mussten die Wagenkästen leicht sein. Sie bestanden aus Duraluminium, und für ihren Bau wurden Konstruktionsverfahren aus der Luftfahrttechnik eingesetzt. Der erste Prototyp wurde 1931 den Bahngesellschaften vorgestellt.
Um diese Erfindung zu bewerben, organisierte Marcel Michelin, Sohn von André Michelin, am 10. September 1931 eine Rekordfahrt. Der Prototyp Michelin Nummer 5 fuhr von ParisSaint-Lazare nach Deauville und wieder zurück. Auf der Rückfahrt legte das Fahrzeug die 219,2 Kilometer zwischen den Bahnhöfen in zwei Stunden und drei Minuten zurück, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 107 km/h entspricht; damit wurde deren Einsatzfähigkeit unterstrichen. In der Folge entstanden bei Michelin zahlreiche Fahrzeuge dieser Bauart.
Die von Michelin gebauten Triebwagen waren für viele Jahre auf dem Netz der französischen Eisenbahnen vor und auch noch nach Gründung der SNCF im Einsatz. Für die Schmalspur wurden Micheline-Triebwagen auch in den französischen Kolonien in Afrika, in Indochina und auf Madagaskar adaptiert. Dort legten im Jahre 1937 Micheline-Triebwagen die 369 Kilometer lange Strecke Tamatave-Tananarive in neun Stunden zurück, was einer Reisegeschwindigkeit von 44 km/h entspricht, und die Pneus hielten 20.000 km.[3]
Zwei Exemplare existieren in Madagaskar, wo damit noch Tourismusverkehr betrieben wird. Ein Exemplar ist im Eisenbahnmuseum Mulhouse ausgestellt.
Die Budd Company baute 1932/1933 drei Fahrzeuge, die ebenfalls nach dem System Michelin funktionierten. Die Fahrzeuge besaßen durch Goodyear in Lizenz gefertigte Reifen, bewährten sich jedoch nicht und wurden innerhalb kurzer Zeit wieder ausgemustert oder umgebaut.[4]
Yves Broncard, Yves Machefert-Tassin, Alain Rambaud: Autorails de France: Les Automotrices à Vapeur, Michelin, Bugatti, Band 1, Verlag La Vie du rail, Paris 1997, ISBN 978-2-902808-39-7.
Gaston Labbé: Les Autorails dans les colonies françaises, in Chemin de fer régionaux et urbains N° 281 (2000), Neuauflage eines 1937 in Traction nouvelle erschienenen Artikels über die Michelines in Madagaskar.