Der Plan, in Niedersachsen neben der Universität Göttingen eine zweite Medizinische Fakultät zu errichten, geht auf das Jahr 1961 zurück. Gründungsrektor der Medizinischen Hochschule Hannover war der Göttinger Internist Rudolf Schoen (1964 bis 1967). Erster gewählter Rektor war der Internist Fritz Hartmann. Der Wissenschaftsrat hatte empfohlen, in Deutschland sieben neue medizinische Lehreinrichtungen zu errichten.
Diese Neugründungen sollten allerdings nicht nur die bestehenden Einrichtungen entlasten, sondern auch dazu genutzt werden, Reformideen in der Ausbildung neuer Ärzte zu verwirklichen. Dieser Idee folgend, weicht schon die Organisationsstruktur von der einer klassischen Universität ab und orientiert sich vielmehr an der Department-Struktur amerikanischer Universitäten. Die Abteilungen wurden Zentren zugeordnet, die wiederum in vier Sektionen (Vorklinische Fächer, Große Klinische Fächer, Kleine Klinische Fächer, Klinisch-Theoretische Fächer) zusammengefasst sind.
Als akademische und klinische Einrichtung wurde der Leitspruch In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas gewählt, mit dem Ideale und Zielsetzung als Verpflichtung und Aufgabe umrissen werden sollten. Die Worte unitas libertas caritas finden sich daher auch im akademischen Logo der Hochschule, auf der Amtskette des Rektors und im Siegel wieder. Gestaltet wurde es, ebenso wie das Hochrelief, das sich im Klinischen Lehrgebäude befindet, von dem Bildhauer Kurt Lehmann (1905–2000).[8]
Knapp vier Jahre nach ihrer Gründung wurde im Jahr 1965 den Lehrbetrieb mit 41 eingeschriebenen Studierenden aufgenommen. Mangels eigener räumlicher Möglichkeiten fand der Unterricht zunächst im städtischen Krankenhaus Oststadt in Hannover statt. Parallel dazu erfolgten die Grundsteinlegung und dann die Errichtung neuer Gebäude auf einem rund 400.000 Quadratmeter großen Areal im Roderbruch. Bis zum Jahr 1978 entstanden hier alle wichtigen Einrichtungen, wie Zentralklinikum, Polikliniken, Kinderklinik, Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, die Bibliothek, verschiedene Laborgebäude, Lehrgebäude und Hörsäle sowie Versorgungs- und Verwaltungsgebäude, Wohnheime und Wohnhäuser. Erst in den letzten Jahren wurde ein weiteres Gebäude ergänzt, das seit 2004 die Frauenklinik und das „Rudolf Pichlmayr“ Transplantations- und Forschungszentrum beherbergt. Die Abteilung für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie zog zum Jahreswechsel 2006 aus dem Klinikum Oststadt-Heidehaus in das Klinikum der MHH.
Die Hochschule ist als Campus-Universität errichtet, mit der Orthopädie im Annastift befindet sich lediglich eine Abteilung in einem externen Krankenhaus.
Die MMH wurde als Reformhochschule gegründet. So wurde dort von Anfang an nach dem Konzept der Zusammenarbeit von Lehrenden und Lernenden „in kleinen Gruppen am Krankenbett“ gearbeitet.
Seit 2003 wird – bestärkt durch die 2002 verabschiedete Approbationsordnung für Ärzte – in der MHH in dem Studienmodell HannibaL (Hannoverscher integrierter, berufsorientierter und adaptiver Lehrplan) unterrichtet.[12]
Im Jahr 2021 waren insgesamt 3780 Studierende, davon 2527 Frauen (66,9 %), aus 80 Nationen an der MHH eingeschrieben. 489 Studierende (12,9 %) besaßen einen ausländischen Pass. Sie studierten größtenteils Humanmedizin (2347), gefolgt von Zahnmedizin (463).[3]
Medizinstudenten müssen ihr letztes Studienjahr als Praktisches Jahr am Universitätskrankenhaus ihrer Universität oder einem akademischen Lehrkrankenhaus absolvieren. Die Studenten können ihr Praktisches Jahr an über 50 Lehrkrankenhäusern absolvieren.
Die beiden erstgenannten M.Sc.-Programme sowie die PhD-Studiengänge befinden sich unter dem Dach der Abschlussschule Hannover Biomedical Research School, die seit 2006 im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes gefördert wird.
Das Klinikum der Medizinischen Hochschule Hannover ist ein Krankenhaus mit überregionalem Einzugsbereich. Das Universitätsklinikum verfügt über 41 Fachabteilungen mit 1.520 Betten.[14] Weitere Betten der MHH befinden sich in anderen Krankenhäusern in Hannover. 2021 wurden 57.100 Patienten stationär und 272.556 ambulant behandelt.[15] Die MHH ist Deutschlands größtes Transplantationszentrum.[16][17] Im Jahr 2021 wurden hier 337 Transplantationen solider Organe sowie 180 Knochenmarks- und Stammzelltransplantationen vorgenommen.[15]
Pastoralklinikum der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers
Das Pastoralklinikum ist eine Einrichtung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und Arbeitsbereich im Zentrum für Seelsorge der Landeskirche. Das Klinikum bietet Aus-, Fort- und Weiterbildungen für Pastoren und kirchliche Mitarbeiter an, die als Seelsorger in Gemeinden, Krankenhäusern, Gefängnissen oder Diakonischen und Sozialen Einrichtungen arbeiten. Das Pastoralklinikum kooperiert eng mit der MHH und anderen Einrichtungen, z. B. dem Zentrum für Gesundheitsethik und Diakonischen Krankenhäusern.[18] Die Leitung des Klinikums hat seinen Dienstsitz im Dienstgegebäude des Zentrums für Seelsorge in der Blumhardtstraße 2.[19]
Beziehungen
Die MHH hat folgende Partneruniversitäten:
Hiroshima University School of Medicine, Hiroshima, (Japan)
Medizinische Akademie Hannover (Hrsg.): Zentralklinik (Vorentwurf Juli 1963)
Medizinische Hochschule Hannover, Sonderdruck der Bauverwaltung, Hannover, 1972
40 Jahre Medizinische Hochschule Hannover. Eine Ausstellung der Abteilung Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizinischen Hochschule, in der Reihe MHH Info, Sonderausgabe September 2005
Rainer Kasties M.A.: Medizinische Hochschule Hannover. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 435f.
Stefan Zorn (Chefred.), Bettina Bandel, Daniela Beyer, Simone Corpus, Bettina Dunker, Tina Gerstenkorn, Camilla Mosel, Jo Schilling (Red.), Karin Kayser (Fotored.): 50 Jahre MHH, Sonderheft anlässlich des Jubiläums zur akademischen Feierstunde am 17. Mai 2015, Hrsg.: Das Präsidium der Medizinischen Hochschule Hannover, Hannover 2015, ISSN 1619-201X
Konsequent modern – Die Anfänge der Medizinischen Hochschule Hannover, Lehmann Verlag Berlin 2020.
↑Volker Paulmann, Volkhard Fischer, Ingo Just: HannibaL – the model curriculum at Hannover Medical School: targets, implementation and experiences. In: GMS Journal for Medical Education; 36(5):Doc57. 15. Oktober 2019, ISSN2366-5017, doi:10.3205/ZMA001265 (egms.de [abgerufen am 20. Mai 2024]).