Ihr lebensprägendes Interesse an Gräsern führte Chase auf deren häufige Erwähnung in der Bibel zurück. Für sie hielten Gräser die Erde zusammen und ermöglichten es einst dem Menschen, das Leben in Höhlen aufzugeben, um den Tierherden zu folgen.[1]
Mary Agnes Chase wurde als Mary Agnes Meara 1869 in Iroquois County, Illinois, als Tochter von Martin Meara, einem aus Tipperary in Irland stammenden Schmied, der für die Eisenbahn arbeitete, und Mary Cassidy Brannick Meara geboren. Sie hatte vier Geschwister. Als sie zwei Jahre alt war, starb ihr Vater und ihre Mutter zog mit den Kindern nach Chicago zur Großmutter.[2] Da der Vorbehalt gegen irische Immigranten groß war, änderte die Familie den Nachnamen von Meara in Merrill. In Chicago besuchte Mary Agnes Chase lediglich die Grammar School, weil von ihr erwartet wurde, die Familie zu unterstützen. Sie arbeitete danach als Korrektorin und Setzerin für eine Zeitung und heiratete im Alter von 19 Jahren William Chase, den Herausgeber des School Herald. William Chase starb bereits ein Jahr nach der Hochzeit an Tuberkulose und hinterließ ihr eine größere Schuldensumme. Mary Agnes Chase zahlte die Schulden zurück, lebte sparsam, arbeitete nachts für die Zeitung und besuchte tagsüber Kurse am Lewis Institute und an der University of Chicago, ohne jedoch einen formalen Abschluss zu erwerben.[3]
Durch den Besuch der Ausstellung zu Pflanzen auf der World’s Columbian Exposition im Jahr 1893 zusammen mit ihrem Neffen Virginius Chase, der später auch Botaniker war, erwachte ihr Interesse an der Botanik und sie begann mit persönlichen Studien der Flora im Norden von Illinois. Ihr erstes Feldbuch legte sie 1897 an. In ihm finden sich Sumpfpflanzen, die sie auf Exkursionen sammelte.[3] Auf einer Exkursion lernte sie den Bryologen Ellsworth Jerome Hill kennen, einen Priester, der bereits verrentet war. Hill bot an, ihr alles über Botanik beizubringen, was er wusste. Auch Hill hatte Botanik nicht studiert. Im Gegenzug illustrierte Chase für Hill neu gefundene Arten. Hill erklärte Chase auch die Funktionsweise eines Mikroskops. Dadurch konnte Chase als Fleischinspektorin auf dem Union Stock Yards arbeiten.[4]
Viele Reisen führten Mary Agnes Chase in den Jahren 1913, 1924 und 1929 bis 1930 durch Nord- und Südamerika. Auch in Europa sammelte sie Gräser. Sie verbrachte sieben Monate in Brasilien und entdeckte dort 500 Arten.[1]
Nachdem sie 1939 in den Ruhestand versetzt worden war, arbeitete sie ohne Bezahlung weiter als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Wächterin der Gräser des Nationalen Herbariums. Bis zu ihrem Lebensende war sie zumeist an fünf bis sechs Tagen in der Woche an ihrem Arbeitsplatz. Als Beraterin des Venezolanischen Landwirtschaftsministeriums reiste sie nach Venezuela, um es bei der Entwicklung eines Sortimentsmanagementprogramms zu unterstützen. Ihre Feldbücher der Jahre 1897 bis 1959 befinden sich in der Sammlung der Smithsonian Institution.[3] Ihre erste wissenschaftliche Veröffentlichung erschien 1906, im Jahr 1910 folgte The North American Species of Panicum, das sie gemeinsam mit Hitchcock veröffentlichte, 1915 folgte Tropical North American Species of Panicum und 1917 Grasses of the West Indies.[5]
Chase unterstützte junge Botanikerinnen und baute ein Netzwerk auf, in dem sie sich fachlich verständigen und Proben tauschen konnten. Ihr Zuhause, die Casa Contenta, hielt Mary Agnes Chase für Botanikerinnen immer offen.[5]
Mit 94 Jahren starb Mary Agnes Chase in einem Pflegeheim in Bethesda, Maryland.
Einsatz für das Frauenwahlrecht
Mary Agnes Chase schloss sich der radikalen National Woman’s Party an. Wegen ihres Engagements wurde ihr mit der Entlassung aus dem US-Landwirtschaftsministerium gedroht. Als Kämpferin für das Frauenwahlrecht wurde sie wegen der Teilnahme an Demonstrationen in den Jahren 1918 und 1919 inhaftiert.[5][3]
Auszeichnungen
The certificate of merit for distinguished achievement in botanical science der Botanical Society of America (1956)[1]
↑ abcswaing: Mary Agnes Chase. In: si.edu. Smithsonian Institution Archives, 2017, abgerufen am 15. Januar 2019 (englisch).
↑ Lotte Burkhardt: Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen. Erweiterte Edition. Botanic Garden and Botanical Museum Berlin, Freie Universität Berlin, Berlin 2018. [1]