Maria Anna Victoria war die älteste Tochter des Kurfürsten Ferdinand Maria von Bayern (1636–1679) aus dessen Ehe mit Henriette Adelheid (1636–1676), Tochter des Herzogs Viktor Amadeus I. von Savoyen. Vor allem ihre Mutter legte Augenmerk auf die künstlerische und musikalische Ausbildung der Prinzessin. Maria Anna Victoria dichtete, malte, sang und spielte Harfe. Zu ihren Lehrern gehörte unter anderem Johann Caspar von Kerll.[1]
Maria Anna Victoria war für ihre Zeit umfassend gebildet, sie sprach fließend Deutsch (mit bairischem Akzent), Französisch, Italienisch und konnte fließend Latein lesen. Sie konnte zeichnen, auf vornehme und anmutige Art tanzen, vorzeigbar singen und das Cembalo spielen. Liselotte von der Pfalz, die sie am französischen Hof kennenlernte, bezeichnet sie als sehr geistvoll, liebenswürdig und mit natürlichem Wesen. „Sie ist sehr zuvorkommend, aber dies voller Würde und ohne geschmacklos zu werden.“ Allerdings wird ebenfalls einhellig berichtet, dass die Prinzessin wahrlich keine Schönheit war.[2]
Bereits im geheimen bayerisch-französischen Bündnisvertrag vom 17. Februar 1670 wurde die spätere Heirat der damals neunjährigen Maria Anna mit dem ein Jahr jüngeren französischen Kronprinzen vereinbart. Vor allem ihre Mutter, selbst Enkelin eines Bourbonen-Königs, erhoffte sich durch das Heiratsprojekt eine dynastische Erhöhung ihrer Nachfahren.[3]
Am 16. Januar 1680 warb dann der Herzog von Croque als außerordentlicher Botschafter Ludwigs XIV. von Frankreich in München um die Hand der Prinzessin.[4] Der Heiratsvertrag war schon 14 Tage vorher unterschrieben worden. Maria Anna Victoria heiratete am 7. März 1680 in Châlons-sur-Marne ihren Cousin 2. Grades, den französischen Thronfolger Ludwig, Dauphin de Viennois (1661–1711). Die Ehe war, vor allem aus französischer Sicht, aus politischen Gründen geschlossen und durch Colbert de Croissy in München ausgehandelt worden. Die dadurch bezeugte Annäherung Bayerns an Frankreich erregte bei Kaiser Leopold I. große Besorgnis, der befürchtete, Bayern könnte über Salzburg Österreich angreifen.[5]
Nach ihrer Heirat nahm Maria Anna Victoria nach der Königin den zweiten Rang der Damen am Hof des Sonnenkönigs ein.[6] Neben Liselotte von der Pfalz, die mit dem Bruder des Königs verheiratet war und zu der sie ein sehr enges Verhältnis entwickelte, war sie bereits die zweite Wittelsbacherin am Hofe Ludwigs. Nach dem Tod der Königin 1683 war sie erste Frau des Reiches und bezog deren Appartements in Versailles. Die Thronfolgerin wurde als fromm und melancholisch beschrieben, während ihr Ehemann den Vergnügungen des Hofes zugetan war und Mätressen hatte.
Maria Anna Victoria starb bereits 29-jährig und wurde in Saint-Denis bestattet.
Nachkommen
Aus ihrer Ehe hatte Maria Anna Victoria folgende Kinder:
Peter Claus Hartmann: Zwei Wittelsbachische Prinzessinnen am Hof Ludwigs XIV.: Maria Anna Christina von Bayern und Elisabeth Charlotte von der Pfalz. In: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte. Bd. 44, 1981, S. 269–285, (Digitalisat).
Klaus Malettke: Die Bourbonen. Band 1: Von Heinrich IV. bis Ludwig XIV. 1589–1715. W. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2008, ISBN 978-3-17-020581-9, S. 246.
↑Linda Maria Koldau: Frauen – Musik – Kultur. Ein Handbuch zum deutschen Sprachgebiet der Frühen Neuzeit. Böhlau, Köln u. a. 2005, ISBN 3-412-24505-4, S. 229.
↑Dirk van der Cruysse: „Madame sein ist ein ellendes Handwerck“. Liselotte von der Pfalz – eine deutsche Prinzessin am Hof des Sonnenkönigs (= Serie Piper. 2141). Ungekürzte Taschenbuchausgabe, 12. Auflage. Piper, München u. a. 2010, ISBN 3-492-22141-6, S. 275.
↑Roswitha von Bary: Henriette Adelaide. Kurfürstin von Bayern. Pustet, Regensburg 2004, ISBN 3-7917-1873-8, S.284.
↑Andreas Buchner: Geschichte von Bayern. Band 9: Enthält die Geschichte Bayerns vom Ableben des Churfürsten Maximilian I. 1651 bis zum Ableben des Churfürsten Karl Theodor 1799. Selbstverlag, München 1853, S. 25.
↑Georg Abdon Pichler: Salzburg's Landes-Geschichte. Band 1: Allgemeine Geschichte. Oberer'schen Buchhandlung, 1865, S. 480.
↑Hartmann: Zwei Wittelsbachische Prinzessinnen am Hof Ludwigs XIV. In: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte. Bd. 44, 1981, S. 269–285, hier S. 272.