Marcus Livius Drusus der Jüngere
Der jüngere Marcus Livius Drusus (* um 124 v. Chr.; † 91 v. Chr.), Sohn des älteren Marcus Livius Drusus, war ein Politiker der späten römischen Republik.
Leben
Er wurde etwa 105 v. Chr. Militärtribun, etwa 102 v. Chr. Quaestor und um 94 v. Chr. Ädil. Für das Jahr 91 v. Chr. wurde er zum Volkstribunen gewählt. Er galt aufgrund seiner Verbindungen und Herkunft als Kandidat des Senats.[1] Es bestand nicht nur eine Freundschaft zu L. Licinius Crassus, C. Aurelius Cotta und P. Sulpicius Rufus, sein Vater, M. Livius Drusus der Ältere, Volkstribun des Jahres 122, hatte gegen C. Gracchus interzediert und wurde bereits als Optimat angesehen. Über Crassus wiederum bestand eine Verbindung zu M. Antonius Orator und Q. Mucius Scaevola.
Seine ersten Gesetze waren zur Getreide- und Landversorgung. Das Getreidegesetz war ein typisches populares Vorhaben, wie es bereits Appuleius Saturninus an den Beginn seiner Amtszeit gesetzt hatte, um die Unterstützung der Plebs zu gewinnen. Mit dem Landgesetz sollte italisches Land neu verteilt werden, vermutlich war ebenfalls die Gründung von Kolonien geplant.[2] Zu diesem Gesetzespaket gehörten auch ein Richter- und ein Münzgesetz. Mit dem ersten sollten dem Senat 300 neue Mitglieder aus dem Ritterstand gewählt und die Gerichtshöfe der alleinigen senatorischen Aufsicht zugesprochen werden sollten.[3] Das zweite ließ ein Achtel Bronze in einer Silbermünze zu.[4] Das letzte Vorhaben des Tribunen, die Bürgerrechtsverleihung an die Bundesgenossen, führte zum endgültigen Scheitern der Reformen.[5] Nach der Aufhebung seiner Gesetze war Drusus’ Position geschwächt, so dass es am Tag der geplanten Abstimmung zu Gewalttaten kam.[6] Drusus wurde von allen Gruppen in Rom sehr stark bekämpft. Er verlor nicht nur die Unterstützung des Senats, sondern auch die der equites, genauso wie die der Bevölkerung Roms, die ihre italischen Nachbarn nicht als Bürger sehen, und der reichen Grundbesitzer, die ihr Land nicht verlieren wollten. Entweder an diesem Tag oder kurz darauf wurde Drusus ermordet, der Verdacht fiel auf Q. Servilius Caepio.[7] Die Bürgerrechtsfrage war ungelöst und der Bundesgenossenkrieg brach aus.
Teile der Forschung gehen davon aus, dass Drusus seine Gesetze im Konsens mit Marcus Aemilius Scaurus und Marcus Licinius Crassus umsetzen wollte, um dem Senat mehr Macht zu verschaffen. Der Charakter von Drusus war möglicherweise unangenehm, er wird teils als übermütig, ehrgeizig, arrogant und verschwenderisch beschrieben,[8] und trug vielleicht auch einen Anteil am Scheitern des Volkstribunen. Der überwiegende Teil der Forschung jedoch sieht Drusus als einen der wenigen an, die die Problemlage der Republik erkannten und sie zu lösen gewillt waren. Die Lage war allerdings unübersichtlich, sodass sein Vorhaben scheiterte.[9] Er unterschätzte das Festhalten seiner Standesgenossen, der Ritter und des Volkes an der Tradition. Es fehlte ihnen an Krisenbewusstsein. Erst Sulla setzte die von Drusus geplanten Reformen in weiten Teilen durch.
Anmerkungen
- ↑ Marcus Tullius Cicero, De oratore 1,24; Titus Livius, Ab urbe condita, Periocha zu Buch 70.
- ↑ Titus Livius, Ab urbe condita, Periocha zu Buch 71; Pseudo-Aurelius Victor, De viris illustribus urbis Romae 66,4.
- ↑ Pseudo-Aurelius Victor, De viris illustribus urbis Romae 66,4 und 66,10; Velleius Paterculus, Historia romana 2,13,2.
- ↑ Plinius der Ältere, Naturalis historia 36,46.
- ↑ Velleius Paterculus, Historia romana 2,14,1.
- ↑ Florus, Epitoma de Tito Livio 2,5,7–9.
- ↑ Pseudo-Aurelius Victor, De viris illustribus urbis Romae 66,12; Plinius der Ältere, Naturalis historia 28,148.
- ↑ Pseudo-Aurelius Victor, De viris illustribus urbis Romae 66,1-3; Velleius Paterculus, Historia romana 2,13,3.
- ↑ Die Lage beschreibt Sallust in De coniuratione Catilinae 38. Zur Forschung: Ursula Hackl: Die Bedeutung der popularen Methode von den Gracchen bis Sulla im Spiegel der Gesetzgebung des jüngeren Livius Drusus, in: Gymnasium 94, 1987, S. 109–127; Christian Meier: Res publica amissa, Frankfurt 1980, S. 211 ff.; Leonhard Burckhardt: Politische Strategien der Optimaten in der späten römischen Republik, Stuttgart 1988, S. 256–267.
Quellen
Literatur
- Leonhard Burckhardt: Politische Strategien der Optimaten in der späten römischen Republik. Steiner Verlag Wiesbaden, Stuttgart 1988, ISBN 3-515-05098-1 (Teilweise zugleich: Dissertation Basel 1985).
- Jochen Martin: Die Popularen in der Geschichte der späten Republik. Dissertation, Freiburg i. Br. 1965.
- Christian Meier: Res Publica Amissa. Eine Studie zu Verfassung und Geschichte der späten römischen Republik. Steiner, Wiesbaden 1966 (3. veränderte Auflage. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-518-57506-6).
- Lukas Thommen: Das Volkstribunat der späten römischen Republik (= Historia. Einzelschriften 59). Steiner, Stuttgart 1989, ISBN 3-515-05187-2 (Zugleich: Basel, Universität, Dissertation, 1987).
Stammbaum
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