Leichtbenzin

Leichtbenzin
Siedeverläufe von Erdöl qualitativ
Andere Namen
  • Petrolether (Petroleumäther)
  • Ligroin
  • Reinbenzin, Spezialbenzin, Wundbenzin, Waschbenzin, Fleck(en)benzin, Siedegrenz(en)benzin 60/95, FAM Normalbenzin
  • alte Bezeichnungen: Extraktionsbenzin, Petroleumbenzin,[1] Gasolin,[2] Hydririn,[3] Hydrür, Solin, Kerosol, Zymogen (US), Rhigolen (US)[4] und andere
Handelsnamen

Exxsol™, Hydrosol, Total Solane, Exxon Isopar™,

Kurzbeschreibung farbloser, sehr leicht flüchtiger[5] Ottokraftstoff der Jahrhundertwende bis 1920er-Jahre, Super-Flugkraftstoff im Ersten Weltkrieg, seit 1850er-Jahre Reinigungsmittel und Fleckentferner[6]
Herkunft

fossil

CAS-Nummer

64742-49-0; 8032-32-4 Ligroin; 8030-30-6

Eigenschaften
Aggregatzustand flüssig
Dichte
  • 0,640–0,700 kg/L
Oktanzahl

etwa 70–88 ROZ

Siedebereich
  • 25–100 °C
  • 60–100 °C (Ligroin)[7]
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[5]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 225​‐​304​‐​315​‐​336​‐​411
P: 210​‐​273​‐​280​‐​301+310​‐​331​‐​403+233[5]
UN-Nummer

3295

Gefahrnummer

33/30 (abhängig vom Dampfdruck)

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Leichtbenzin ist eine farblose und leicht brennbare Flüssigkeit mit mildem Geruch, die schnell verdunstet. Es ist eine komplexe Kombination von leichtentzündlichen Kohlenwasserstoffen, hauptsächlich C5–C7 (Pentan, Hexan, Heptan) aus der fraktionierten Destillation von Erdöl. Butan und Oktan können auch enthalten sein. Je nach Definition siedet diese Kombination im Bereich bis etwa 90 °C oder 100 °C. Zur unteren Siedegrenze gibt es in der Literatur ebenfalls voneinander abweichende Angaben. Gelegentlich wird 25 °C oder 35 °C angegeben, was die Petroletherfraktion mit einschließt, andere Stellen geben ca. 70 °C als untere Siedegrenze an.[5][7][8] Gemäß DIN 51630 sind Petrolether Spezialbenzine mit Siedepunkt 25–80 °C.

Leichtbenzine sind z. B. Petrolether (C5, C6, Sdp. 30–70 °C), Ligroin (C6, C7, Sdp. 60–100 °C), Siedegrenzbenzin DIN 51631 Typ I 60/95, FAM Normalbenzin (Fachausschuss für Mineral- und Brennstoffnormung; Analysebenzin) DIN 51635 60/95 sowie weitere unter 100 °C siedende Mischungen.

Geschichte

Die ersten Raffinerien, die im 19. Jahrhundert entstanden, stellten aus Erdöl Petroleum her, welches als Lampenöl Verwendung fand. Ein Abfallprodukt war dabei eine Flüssigkeit, die sich schon bei relativ niedriger Temperatur verflüchtigte, jedoch hatte man zunächst wenig Verwendung für sie. Seit 1850 wurden Leichtbenzine für die chemische Reinigung verwendet, deswegen ist Leichtbenzin auch unter dem Namen Wasch- oder Fleckenbenzin bekannt. Unter diesen Bezeichnungen wurde es in kleinen Mengen auch in Drogerien, Kaufläden oder Apotheken verkauft. Leichtbenzine verwendete man Ende des 19. Jahrhunderts unter anderem bei der Erzeugung des sogenannten Luftgases für Beleuchtungszwecke in den sogenannten Luftgasapparaten.

In der Entwicklung der Ottokraftstoffe übernahmen die Leichtbenzine eine wichtige Rolle, da die zu Anfang des 20. Jahrhunderts verwendeten Oberflächenvergaser mit dem leichtflüchtigen Leichtbenzin zündfähige Gemische bilden konnten.[9] Die früheste Verwendung von Ottokraftstoffen im Fahrzeug ist die Beschreibung von Leichtbenzin in der Patentschrift zum Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 von 1886 als „leichtflüchtiges Oel“. Dies konnte das dort namentlich genannte Ligroin oder z. B. ein damals erhältliches Gasolin sein.[10] 1888 wurde der Apotheker der Wieslocher Stadt-Apotheke zum „ersten Tankwart der Welt“, als er Bertha Benz Ligroin zur Verfügung stellte. Der Name Ligroin wird im Englischen immer noch verwendet, der Begriff Gasoline für Benzin wird noch in vielen spanisch- sowie portugiesischsprachigen (gasolina), als auch englischsprachigen Ländern (neben petrol) genutzt und hier häufig zu gas abgekürzt. Mit der Einführung der Vakuumdestillation 1904 stand Leichtbenzin in zunehmenden Mengen zur Verfügung und verbilligte sich ganz entscheidend;[6] im Ersten Weltkrieg wurde Leichtbenzin als Flugkraftstoff verwendet.

Verwendung

Leichtbenzine werden als Reinigungs-, Entfettungs- oder Extraktionsmittel verwendet, in der Klebstoff- und Lackherstellung sowie als Chemierohstoff. Leichtbenzine sind auch Mischungsbestandteil in Ottokraftstoffen.

Siehe auch

Literatur

  • Joachim Kleinmanns: Super, voll! Kleine Kulturgeschichte der Tankstelle. Jonas, Marburg 2002, ISBN 3-89445-297-8.
  • Rainer Karlsch, Raymond G. Stokes: Faktor Öl. Die Mineralölwirtschaft in Deutschland 1859–1974. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-50276-8.

Einzelnachweise

  1. Jürgen Falbe, Manfred Regitz: RÖMPP Lexikon Chemie. Band 4: M–Pk, 10. Auflage, Georg Thieme Verlag, 1998, ISBN 3-13-734910-9.
  2. W. Bleyberg, G. Meyerheim, W. Bachmann, J. Davidsohn, F. Frank, F. Fritz, J. Herzenberg, L. Jablonski, H. Kantorowicz, H. P. Kaufmann, E. L. Lederer, P. Levy, I. Lifschütz, H. Lindemann, H. Mallison: Kohlenwasserstofföle und Fette. 7. Auflage, Springer-Verlag, 1933, ISBN 978-3-642-89045-1, S. 179.
  3. W. Bertelsmann, F. Schuster: Einführung in die technische Behandlung gasförmiger Stoffe. Springer-Verlag, 1930, ISBN 978-3-642-89449-7, S. 154.
  4. David Holde (Hrsg.): Kohlenwasserstofföle und Fette sowie die ihnen chemisch und technisch nahestehenden Stoffe. 6. Auflage, Springer-Verlag, 1924, ISBN 978-3-642-89873-0, S. 123, 124.
  5. a b c d Eintrag zu Benzin, leicht in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 28. Januar 2024. (JavaScript erforderlich)
  6. a b Patrick Masius: Umweltgeschichte und Umweltzukunft: Universitätsverlag Göttingen, 2009, ISBN 978-3-940344-69-4, S. 118.
  7. a b Alkane (PDF; 368 kB) abgerufen am 23. März 2016.
  8. Adalbert Wollrab: Organische Chemie: Eine Einführung für Lehramts- und Nebenfachstudenten. Springer-Verlag, 2014, ISBN 978-3-642-45144-7, S. 277.
  9. Leichtbenzin auf motorlexikon.de, abgerufen am 23. März 2016.
  10. Deutscher Verein von Gas- und Wasserfachmännern: Journal für Gasbeleuchtung und verwandte Beleuchtungsarten. Rud. Oldenbourg, 1873, S. 55.

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