Die Legio X war eine Legion der römischen Armee. Weil Caesar der X. Legion einmal Pferde gab und sie als Kavallerie einsetzte, da er den verbündeten gallischen Reitern nicht traute, wurde sie auch Legio X Equestris („zehnte berittene Legion“) genannt. Von Augustus wurde die Legion in Legio X Gemina („zehnte Zwillingslegion“) umbenannt. Das Symbol der Legion war ein Stier.
Die Legio X wurde zum ersten Mal im Jahre 58 v. Chr. erwähnt, als die römische Provinz Gallia Narbonensis durch die Helvetier bedroht wurde. Anfangs konnte Gaius Iulius Caesar nur auf diese einzige Legion zurückgreifen, die bei Genf stationiert war. Im Gallischen Krieg spielte die Legio X Equestris eine wichtige Rolle bei Caesars militärischem Erfolg; er selbst bezeichnete sie als seine bevorzugte Legion.[1]
Nach Caesars Ermordung wurde die Legion im Winter 44/43 v. Chr. von Lepidus wieder aufgestellt und der Armee des Marcus Antonius zugeteilt. Sie kämpfte für die TriumvirnAugustus, Lepidus und Marcus Antonius im Jahr 42 v. Chr. in der Schlacht bei Philippi gegen die Caesarmörder. Nach dem Sieg wurden ihre Veteranen in Cremona angesiedelt. Anschließend folgte sie 36–34 v. Chr. Marcus Antonius auf seinem Feldzug gegen die Parther nach Armenien. Nachdem Antonius’ Flotte die Schlacht bei Actium (31 v. Chr.) gegen Octavian verlor, gaben seine Legionen den Kampf auf. Die Legio X soll aber nur widerwillig ihre Waffen niedergelegt haben. Octavian übernahm sie in seine Armee und wies ihren Veteranen in Patras Land zu. Da sich ihre Soldaten später gegen Octavian ungebührlich verhielten, wurde die Legion laut Sueton zunächst unehrenhaft entlassen (Sueton, Augustus 24). Dabei verlor sie auch den Titel Equestris. Später wurden ihr zur Wiederauffüllung Soldaten aus anderen Legionen zugeführt und die Legio X erhielt den Beinamen Gemina (‚doppelt‘).[4][5]
Julisch-claudische Dynastie
Die neuformierte Legio X Gemina wurde in Hispania Tarraconensis stationiert, wo Augustus einen Feldzug gegen die Kantabrer vorbereitete. Sie nahm von 29 v. Chr. bis 19 v. Chr. am Kantabrischen Krieg teil.[2] Die Legionen VI Victrix und X Gemina waren zunächst gemeinsam in einem namentlich unbekannten Lager in Asturien stationiert. Zeugnisse ihrer Anwesenheit hat man in Astorga (Asturica Augusta), in NW-Spanien entdeckt. Auch weiter südlich, bei Gallaecia (Callaecia), stieß man auf Spuren dieser Legion, die dort vermutlich die örtliche Bevölkerung überwachte. Später wurde die VI Victrix vermutlich nach (León) verlegt, während die X Gemina im Lager von Petavonium (Rosinos de Vidriales) stationiert wurde.[6] Das Lager Petavonium bot lediglich Platz für die halbe Legion, so dass davon ausgegangen wird, dass Vexillationen auch in Städten, Minen und anderen Kastellen lagen.[7] Etwa zu dieser Zeit trug die Legion den Ehrentitel Victrix.[8]
Im Jahr 25 v. Chr. wurden Veteranen der Legionen V Alaudae und X Gemina von Publius Carisius in der neugegründeten spanischen Stadt Emerita Augusta (Mérida) angesiedelt.[9] Veteranen der IIII Macedonica, VI Victrix und der X Gemina waren nach Münzfunden um 15 v. Chr. unter den ersten Siedlern in der Colonia Caesaraugusta (Saragossa). Zu dieser Zeit wurden die Legionen zu umfangreichen Straßen- und Brückenbaumaßnahmen an der Via Augusta eingesetzt.[6]
Um das Jahr 63 wurde die Legio X Gemina in die pannonische Stadt Carnuntum verlegt, um dort die Legio XV Apollinaris zu ersetzen. Galba (68–69) verlegte die neuausgehobene Legio VII Galbiana nach Carnuntum und die Legio X Gemina kehrte kurzzeitig wieder nach Hispania zurück.[2]
Flavische Dynastie
Im sog. Vierkaiserjahr unterstützte die Legion Vitellius, spielte aber in den darauffolgenden Kämpfen keine besondere Rolle. Während des Bataveraufstands wurde die X Gemina im Jahr 70 von Vespasian mit der Armee des Quintus Petillius Cerialis in die Provinz Germania inferior gesandt. Bei einem Angriff der Bataver auf ein Holzfällerkommando außerhalb des Kastells wurden ihr Lagerpräfekt, fünf Zenturionen und einige Soldaten getötet.[2] Im Herbst des Jahres 70 bezog die Legion das Winterlager Arenacium im heutigen Kreis Kleve am Niederrhein, wo sie einige Angriffe der Germanen abwehrte.[10]
Von 71 bis etwa 104 war die Legion auf dem Hunnerberg stationiert, auf dem die Legio II Adiutrix das im Bataveraufstand zerstörte Lager Ulpia Noviomagus Batavorum (Nijmegen) erneuert hatte, um das Gebiet der Bataver zu überwachen und neuen Revolten vorzubeugen. Der „Frontabschnitt“ der Legion umfasste etwa 2000 km² zwischen Rhein und Maas. Mit der Stationierung ging ein wirtschaftlicher Aufschwung der Region einher. Im nahegelegenen De Holdeurn betrieb die Legion eine Töpferei. Die Legion betrieb auch jenseits des Rheins Ziegeleien (Tegularia transrhenana). Die Bautätigkeit der Legion erstreckte sich von Xanten rheinabwärts auf zahlreiche Kastelle und Benefiziarierstationen, aber auch auf zivile Bauten, wie civitas-Vororte der Bataver und Cananefaten.[11] Vexillationen waren in den Steinbrüchen an der Mosel, in Voorburg, Neuss, Gellep und Xanten eingesetzt.[2]
Im Jahr 89 revoltierte Lucius Antonius Saturninus, der Statthalter der Germania superior, gegen Domitian. Die niedergermanischen Legionen (I Minervia, VI Victrix, X Gemina, XXII Primigenia) marschierten nach Mogontiacum (Mainz) und schlugen den Saturninusaufstand nieder. Zum Dank verlieh Domitian den Legionen den Titel Pia Fidelis Domitiana („dem Domitian pflichtbewusst und treu“).[12] Nach Domitians Tod und dessen „damnatio memoriae“ 96 n. Chr. wurde der Namenszusatz Domitiana gestrichen.[2]
Adoptivkaiser und Antoninische Dynastie
Trajan (98–117) ließ die Rheingrenze ausbauen. Die Legio X Gemina verstärkte mehrere Kastelle, wie zum Beispiel in Dormagen und in Lugdunum Batavorum (Brittenburg) bei Leiden, und errichtete einen Deich am Rhein. Ungefähr im Jahr 104 wurde die X Gemina nach Aquincum (Budapest) in Pannonia abkommandiert; die letzten Belege für ihre Anwesenheit in Germanien datieren wohl in die Jahre 101/102.[13] Vexillationen der VI Victrix, I Minervia und X Gemina nahm an Trajans zweitem Dakerkrieg (105/106) teil. Nach dem Krieg, vermutlich um 114, wurde die Legion nach Vindobona (Wien) verlegt, wo sie die kommenden 300 Jahre, bis in das 5. Jahrhundert hinein, blieb.[2] Ziegelstempel weisen Bautätigkeiten von Vexillationen in Noricum (Kastell Wallsee, Kastell Favianis) und Oberpannonien (Kastell Aequinoctium, Kastell Ala Nova und Kastell Klosterneuburg) nach.
Als Septimius Severus, der Statthalter von Pannonia superior, sich zum Kaiser ausrufen ließ, wurde er nur zögerlich von der Legion unterstützt. An den Kämpfen gegen den Usurpator Pescennius Niger (193–194) nahm die Legion teil. Septimius löste die Prätorianergarde auf und setzte eine neue Formation, die überwiegend aus Legionären der pannonischen Legionen bestand, an deren Stelle.[16]
Im Laufe des 3. Jahrhunderts wurde die Legion von den regierenden Kaisern mehrmals mit dem Recht zur Führung eines Ehrennamens ausgezeichnet:
Im Konflikt mit Postumus (260–269), dem Gegenkaiser des Imperium Galliarum, unterstützte die Legion Gallienus (260–268) und wurde mit dem Titel Pia VI Fidelis VI (sechsmal pflichtbewusst und treu) belohnt[2] und durch Münzprägungen[22] geehrt.
Spätantike
Kaiser Valentinian I. (364–375) trieb die von seinen Vorgängern begonnenen massiven Ausbaumaßnahmen am pannonischen Donaulimes und am Limes Sarmatiae weiter voran und ließ – entgegen geltender Verträge – auch auf dem Siedlungsgebiet der Quaden und dem der südlich angrenzenden sarmatischenJazygen Befestigungen errichten. Das größte dieser Festungswerke sollte das von einer Abteilung der Legio X Gemina unter dem DuxFrigeridus begonnene Kastell Göd-Bócsaújtelep werden. Mit seiner Absetzung aufgrund einer Hofintrige, wurden die Arbeiten an der Festung eingestellt und erst unter dem neuen Dux Marcellianus im Frühjahr bzw. Frühsommer 374 wiederaufgenommen. Zur selben Zeit waren Bauvexillationen der Legion auch an den auf jazygischen Territorium liegenden Burgus Dunakeszi und am Burgus Bölcske eingesetzt.[23] Nach heftigen Protesten wurde der Quadenkönig zu Verhandlungen eingeladen aber während eines Festbankettes in Marcellianus Residenz hinterrücks ermordet. Daraufhin durchbrachen Quaden und Jazygen den Limes und verheerten Pannonien. Der Festungsbau musste daraufhin endgültig eingestellt werden.[24] Im Juni 374 musste Valentinian persönlich auf dem Kriegsschauplatz erscheinen, um die Gegner wieder niederzuwerfen, was ihm auch bald gelang.
Herwig Friesinger u. a. (Hrsg.): Der römische Limes in Österreich. Führer zu den archäologischen Denkmälern. 2., korrigierte Auflage, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2002, ISBN 3-7001-2618-2.
Nigel Pollard, Joanne Berry: Die Legionen Roms. 3. Auflage, Theiss, Darmstadt 2016, ISBN 978-3-8062-3360-5.
↑Gerold Walser: Bellum Helveticum: Studien zum Beginn der caesarischen Eroberung von Gallien, (Historia Einzelschriften 118), Steiner, Stuttgart 1998, ISBN 3-515-07248-9, S. 56.
↑Cassius Dio 53, 26, 1; Die Veteranensiedlungen werden sehr ausführlich behandelt in: Sabine Panzram: Stadtbild und Elite: Tarraco, Corduba und Augusta Emerita zwischen Republik und Spätantike (Historia, Einzelschriften 161), Steiner, Stuttgart 2002, ISBN 3-515-08039-2, S. 233 und 267; Rezension bei sehepunkte und Rezension (PDF; 92 kB) von Joachim Gruber.
↑Jan Kees Haalebos: Die wirtschaftliche Bedeutung des Nijmegener Legionslagers und seiner Canabae; In: Thomas Grünewald (Hrsg.): Germania inferior. Besiedlung, Gesellschaft und Wirtschaft an der Grenze der römisch-germanischen Welt (Reihe: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde - Ergänzungsbände 28), de Gruyter, 2000, ISBN 978-3-11-016969-0, S. 464–479.
↑Das genaue Datum lässt sich aus den verfügbaren Quellen nicht erschließen, siehe Vincent van der Veen: Chronology and spatial distribution of terra sigillata potters’ stamps and coins within the Nijmegen castra and canabae. In: Germania. Band 98, 2020, S. 63–95, hier S. 72 mit Anmerkung 52 (online).
↑CIL3, 4558; Die Lesung der stark verwitterten Inschrift ist unsicher: Christian Körner: Philippus Arabs. Ein Soldatenkaiser in der Tradition des antoninisch-severischen Prinzipats. (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte 61). Walter de Gruyter, Berlin u. a. 2002, ISBN 3-11-017205-4. S. 294.
↑Zsolt Mráv: Archäologische Forschungen 2000–2001 im Gebiet der spätrömischen Festung von Göd-Bócsaújtelep (Vorbericht) 2002. In: Communicationes archeologicae Hungariae 2003. Népművelési Propaganda Iroda. Budapest 2003. S. 83–114; hier: S. 105.
↑Zsolt Mráv: Archäologische Forschungen 2000–2001 im Gebiet der spätrömischen Festung von Göd-Bócsaújtelep (Vorbericht) 2002. In: Communicationes archeologicae Hungariae 2003. Népművelési Propaganda Iroda. Budapest 2003. S. 101.
↑Notitia Dignitatum Occ. XXXIV (Praefectus legionis decimae geminae und Praefectus legionis decimae et quartae decimae geminae geminarum militum liburnariorum).