Ein Kugelstoßpendel, auch Kugelpendel, Newtonpendel oder Newton-Wiege genannt, ist eine Anordnung von identischen elastischen Kugeln (meist aus Metall), die je an zwei gleichen Fäden(bifilar) in einer Reihe aufgehängt sind. Jede Kugel bildet ein Pendel gleicher Masse und Pendellänge und vorgegebenem Bewegungspfad. Der Abstand der Aufhängepunkte im Rahmen ist gleich dem Durchmesser der Kugeln, sodass die senkrecht hängenden Kugeln sich gerade berühren, wenn sie in Ruhe sind.
Wenn eine der äußeren Kugeln seitlich mit gestreckten Fäden abgehoben wird und gegen die Reihe der anderen Kugeln zurückfällt, bewirkt der Anprall, dass genau eine Kugel gegenüberliegend abgestoßen wird, während die anderen Kugeln in Ruhe bleiben. Pendelt diese Kugel zurück und prallt auf, wird durch den Stoß wieder die äußerste Kugel auf der anderen Seite abgestoßen – das System schwingt.
Bemerkenswert ist das Verhalten bei mehr als einer bewegten Kugel. Wenn zwei oder mehrere Kugeln an die verbleibenden Kugeln prallen, werden auf der anderen Seite immer ebensoviele Kugeln abgestoßen, wie sie auf der Gegenseite aufgeprallt sind – und nicht etwa eine einzelne Kugel mit höherer Geschwindigkeit, wie man auch vermuten könnte.
Die Vorrichtung geht auf den französischen PhysikerEdme Mariotte zurück, der sie erstmals 1673 in seinem Werk Traitté de la percussion ou chocq des corps veröffentlichte. Newton selbst hat Mariottes Arbeit, zusammen mit der von Wren, Wallis und Huygens, in seinen Prinicipia erwähnt. Versuche mit Pendelkörpern waren zu der Zeit auch von anderen gemacht worden - das Werk De Motu Corporum ex Percussione von Christiaan Huygens wurde allerdings erst 1703 nach dessen Tod veröffentlicht. Darin bezieht er den Effekt schon auf das Erste Newtonsche Gesetz.
Das dekorative Spielzeug verbreitete sich ab den 1960er Jahren. Der Name Newton-Wiege (Newton's cradle) soll dabei auf Marius J. Morin zurückgehen, verbreiteter ist jedoch das Holzspielzeug von Simon Prebble, der es ab 1967 über seine Firma Scientific Demonstrations Ltd vertrieb.[1]
Zu den praktischen Experimenten gehört eine Arbeit der TV-Serie MythBusters, die in einer Folge von 2011 eine funktionierende Newton-Wiege mit fünf 15 kg Stahlkugeln mit 15 cm Durchmesser herstellten. Bei einer Kompositkonstruktion mit einer Stahlplatte von 28 Zoll Durchmesser und 3 Zoll Dicke (etwa 71 cm Durchmesser und 8 cm Dicke) und zusätzlicher Betonbeschwerung wurde jedoch zu viel Energie in Gerüst, Kabeln und dem Material selbst absorbiert, das sich bei den Stößen deformierte.[2]
Physikalische Erklärung
vor dem Stoß
nach dem Stoß
Varianten mit fünf Kugeln
Oft wird vermutet, dass eine Erklärung des Verhaltens vollständig mittels Impuls- und Energieerhaltungssatz möglich sei. Jedoch bieten beide Sätze im Falle von 5 Kugeln gleicher Masse () – davon eine zum Anstoß mit Geschwindigkeit () benutzt und vier Kugeln anfänglich ruhend – lediglich zwei Gleichungen mit 5 Unbekannten ():
Mit den Geschwindigkeiten vor bzw. nach dem Stoß der jeweiligen Kugeln. So wäre nach diesen Gleichungen auch eine Lösung im Einklang mit den Erhaltungssätzen möglich in der nach den Stößen zwei Kugeln abheben und die erste Kugel einen Rückstoß erfährt. Dieses Bewegungsmuster tritt tatsächlich auch auf. Nämlich dann, wenn die Kugeln vier und fünf miteinander verklebt werden (zusätzliche Bedingung ).
Bezieht man jedoch die zeitliche Abfolge in die Betrachtung ein, kann man zusätzliche Annahmen treffen: Die im nebenstehenden Bild am weitesten links liegende, ruhende Kugel nimmt den Impuls der aufprallenden Kugel auf und gibt ihn an die rechts daneben liegende Kugel ab, und die dann an die rechts daneben und so weiter. Dabei handelt es sich um eine schnelle Abfolge elastischer Stöße zwischen jeweils nur zwei Kugeln gleicher Masse. Die am weitesten rechts liegende Kugel kann allerdings keinen Impuls mehr weitergeben und wird abgestoßen. Werden zwei Kugeln für den Anstoß benutzt, pflanzt sich zunächst der zuerst eintreffende Impuls von Kugel zwei auf Kugel drei fort, bevor Kugel eins an Kugel zwei weitergibt, und so weiter.
Diese zeitliche Abfolge wurde 2014 durch Kristof Heck und Simon Huppertz bei „Jugend forscht“ (2. Bundessieger) und in den 90er Jahren von Albrecht Böhm im Rahmen von Vorlesungen zur Experimentalphysik an der RWTH Aachen mittels eines Piezo-Sensors zwischen den Kugeln untersucht und bestätigt.[3]
Die einzelnen Stöße gleicher Kugeln mit Masse geben ihren Impuls sowie ihre kinetische Energie vollständig an die jeweils nächste Kugel weiter, wie sich für dieses vereinfachte System mit nur zwei Kugeln mittels Impuls- und Energieerhalt zeigen lässt:
und
und
Die Lösungen dieser quadratischen Gleichung (und eingesetzt in die zweite Zeile) sind und (zu einem Zeitpunkt vor dem Stoß) sowie und (nach dem Stoß).
Literatur
F. Herrmann, P. Schmälzle: Simple explanation of a well-known collision experiment. In: Am. J. Phys. Band49, 1981, S.761ff. ([1][2] [PDF; 295kB]).
F. Herrmann, M. Seitz: How does the ball-chain work? In: Am. J. Phys. Band50, 1982, S.977ff. (oebv.at (Memento vom 24. Dezember 2012 im Internet Archive) [PDF; 360kB]).
↑Kristof Heck, Simon Huppertz: Jugend-forscht 2014, Physik: Untersuchungen zur Kugelstoß-Pendelkette und zur Hertzschen Kontakt-Theorie. (mgm-monschau.de9 [PDF; 3,3MB; abgerufen am 29. Dezember 2016]).
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