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Ein Kreuzgelenk (auch Kardangelenk oder Universalgelenk) ist eine winkelbewegliche Kupplung zwischen zwei Wellen zu einer sogenannten Kardanwelle. Der Beugungswinkel zwischen den angeschlossenen Wellen darf sich während der Drehmoment-Übertragung verändern.
Eine der ersten genauer überlieferten Anwendungen fand sich in der Uhr des Straßburger Münsters von 1354, über die Caspar Schott 1664 berichtete. Mit dem Namen Gerolamo Cardano ist seit etwa 1550 die später (vorwiegend im europäischen Raum) als „kardanische Aufhängung“ bezeichnete bewegliche Aufhängung bekannt geworden, wobei Cardano selbst schrieb, dass er von einer ähnlichen Vorrichtung inspiriert worden sei. Bereits seit 1245 ist von Villard de Honnecourt eine Aufhängung für einen Ofen bekannt und um 1500 hängte Leonardo da Vinci auf gleiche Weise einen Kompass auf.
Der englische Universalgelehrte Robert Hooke erfand 1663 die Kreuzgelenke in einer Vorform. Er hatte ihre ungleichförmige Übertragung erkannt und die Kombination zu einem Doppelkreuzgelenk entwickelt, welche diese Ungleichförmigkeit durch Kombination zweier Einzelgelenke zum Doppelkreuzgelenk kompensierte. Im angelsächsischen Sprachraum sind Kreuzgelenke bis heute als „Hooke’s Joint“ („Hookesches Gelenk“) bekannt.
Kreuzgelenke in der heutigen Form mit einem Zapfenkreuz gehen auf Amicus (16. Jahrhundert) zurück. Den mathematischen Beweis der ungleichförmigen Drehung legte 1824 Jean-Victor Poncelet vor.[1]
Funktion und Anwendungen
Ein zentrales Teil (Kreuzstück) enthält zwei rechtwinklig gekreuzte Achsstummel-Paare, über die es mit je einer der beiden Wellen gelenkig verbunden ist: Die Wellen haben je ein gabelförmiges Ende, deren Querbohrungen je ein Achsstummel-Paar umfassen. Eine seltenere Variante, bei der eine der beiden Wellen im Inneren des zentralen Teils angelenkt ist, erinnert an die kardanische Aufhängung (bei der kardanischen Aufhängung eines Kreisels (Kreiselkompass) befindet sich ganz im Inneren noch eine dritte Welle, um die der Kreisel rotiert).
Eine bauliche Einheit aus Kardangelenk/en und Welle/n wird als Kardanwelle bezeichnet. Diese dient traditionell zur Drehmoment-Übertragung in Kraftwagen zwischen der Einheit Motor/Getriebe und Hinterachse. Die Welle überbrückt die beträchtliche Distanz. Bei federnder Bewegung der Hinterachse erfährt das Kardangelenk (oder die Kardangelenke) eine kleine Beugung.
Bei einer am Traktor angehängten Arbeitsmaschine, die selbst fährt, ist die Auslenkung zwischen Traktor und Maschine relativ hoch. Der Zapfwelle am Traktor folgt ein Doppelkreuzgelenk mit Zwischenwelle (Doppelgelenkwelle).
Kardangelenke (links unten) sind ein typisches Zubehörteil in einem Steckschlüssel-Satz. Die Achsen des komprimierten Zwischenstücks kreuzen, schneiden sich aber doch nicht.
Ausgleich des Kardanfehlers durch zwei Kreuzgelenke in Z- bzw. W-Anordnung
Kardanfehler
Ein gebeugtes Kreuzgelenk bewirkt eine ungleichmäßige Drehübertragung. Das bedeutet, dass bei konstanter Drehgeschwindigkeit der Antriebswelle die Abtriebswelle keine konstante Drehgeschwindigkeit hat. Diese Ungleichmäßigkeit, die auch Kardanfehler genannt wird, nimmt mit dem Beugewinkel stark zu.[2] Das momentane Verhältnis der Drehgeschwindigkeiten und , auch als (momentane) Übersetzung bezeichnet, ist bei momentanem Drehwinkel [3] der Antriebswelle:
Die Abtriebswelle dreht sich während einer Umdrehung zweimal etwas schneller und zweimal etwas langsamer als die Antriebswelle, so dass die Durchschnittsdrehzahl der Abtriebswelle wiederum der Drehzahl der Antriebswelle entspricht.
Gelegentlich wird auch die Differenz der Drehwinkel als Kardanfehler bezeichnet.
Der Drehwinkel hängt nach folgender Gleichung vom Drehwinkel und dem Beugewinkel ab:
Wenn die beiden Gelenke einer Doppelgelenkwelle nicht gegeneinander verdreht sind, den gleichen Beugewinkel aufweisen und An- und Abtriebswelle in einer Ebene liegen, gleicht sich der Kardanfehler zwischen Antriebs- und Verbindungswelle sowie zwischen Verbindungs- und Abtriebswelle gegeneinander aus (siehe Abbildung). Dennoch wird die Verbindungswelle regelmäßig beschleunigt und abgebremst, was die Belastung der Lager erhöht.
Herleitung der Formeln
Im Kreuzgelenk werden zwei Achsen miteinander verbunden, die sich jeweils drehen. Dabei ist der Rotationswinkel der ersten Achse , der der zweiten und der Winkel, um den die beiden Achsen gegeneinander abgeknickt sind. beschreibt dabei, dass sie in einer Geraden liegen.
Achsenstücke und zugehörige Rotationsebenen
Rotationsebenen mit den verwendeten Vektoren
Im Diagramm rechts sind diese Winkel, das ortsfeste Koordinatensystem , und die beiden Punkte und eingezeichnet. Dabei sind und die normierten Vektoren von der Zwischenstückmitte zu den Verbindungspunkten zwischen diesem und dem Achsstück 1, beziehungsweise 2. Durch Drehen der Achse 1 bewegt sich in der rot eingezeichneten Ebene um und in der blauen Ebene um .
Wie oben im Diagramm zu erkennen ist, sind die Koordinaten der Vektors und im -Koordinatensystem gegeben durch
und
.
Durch die Bauart des Zwischenstücks bedingt, stehen und senkrecht aufeinander, also ist .
Daher stehen die Winkel , , in folgendem Zusammenhang:
Eine Hardyscheibe lässt ebenso wie das Kreuzgelenk einen Winkelversatz zwischen An- und Abtriebswelle zu, besteht jedoch lediglich aus einer sich verformenden elastischen Scheibe und benötigt keine Drehlager.
Literatur
Graf von Seherr-Thoss, Schmelz, Aucktor: Gelenke und Gelenkwellen. Berechnung, Gestaltung, Anwendungen Springer, 2002. ISBN 3-540-41759-1
↑Historische Daten nach „Gelenke und Gelenkwellen“, siehe Literatur
↑Kardan Theorie auf der Seite Powerboxer.de; abgerufen im September 2016
↑Die nachfolgenden Gleichungen und Grafiken gelten für die sogenannte „nullphasige“ Anfangslage: γ1 = 0°, wenn sich die antriebsseitige Achse des Kardankreuzes in der Ebene der beiden Wellen befindet.
↑ abcdSiegfried Hildebrand: Feinmechanische Bauelemente, Carl Hanser Verlag, 1968, Seite 725