Die Stammmutter der Familie war Karoline Kaulla, geborene Raphael (1739–1809). Bekannt wurde sie vor allem unter dem Namen „Madame Kaulla“, wobei „Kaulla“ die eingedeutschte Version ihres jüdischen Vornamens „Chaile“ war. Karoline Kaulla war zu ihrer Zeit eine der größten Hoffaktoren und galt als die reichste Frau im Deutschen Reich. Bereits in der zeitgenössischen Wahrnehmung galt Karoline Kaulla als so erfolgreich und angesehen, dass auch ihre Brüder und Kinder ihren Vornamen als Familiennamen annahmen.[2]
1802 gründeten Karoline Kaulla und ihr jüngerer Bruder Jacob Raphael Kaulla in Stuttgart das erste Bankhaus, „M. & J. Kaulla“. Das „M“ stand für „Madame“. Herzog (ab 1806 König) Friedrich Wilhelm Karl von Württemberg beteiligte sich mit 50 % an dem 150.000 Taler betragenden Startkapital der Bank. Aufgabe dieser Hofbank war nicht nur die Abwicklung der königlichen Geldgeschäfte, sondern auch die Gewährung von Darlehen für Unternehmensgründungen. 1805 in „Königlich Württembergische Hofbank“ umbenannt, blieb dieses Institut unter gleichbleibender Beteiligung des Königs eine halbstaatliche Privatbank.[3] Diese Bank wurde bis 1915 von Mitgliedern der Familie Kaulla geleitet. Sie wurde 1922 von der Württembergischen Vereinsbank übernommen und ging 1924 mit dieser in der Deutschen Bank auf.[4]
Nicht weniger als fünf Mitglieder der Familie Kaulla, alle jüdischen Glaubens, erhielten im Verlauf des 19. Jahrhunderts aufgrund ihrer Verdienste um das Königreich Württemberg den württembergischen Personaladel[5], darunter drei der vier Mitglieder der Familie Kaulla, die als Direktoren der Königlich Württembergische Hofbank fungierten.[6] Aber nur ein Mitglied der Familie Kaulla, Joseph Wolf Kaulla (seit 1841 von Kaulla), erhielt den Erbadel, allerdings nicht in Württemberg, sondern im benachbarten Fürstentum Hohenzollern-Hechingen.[7]
Karoline Kaulla (genannt „Madam Kaulla“, 1739–1809), Hoffaktorin in Hechingen, Mitinhaberin des Großhandelshauses „Kaulla & Cie.“ und Mitbegründerin der „Königlich Württembergischen Hofbank“ in Stuttgart, 1857 verheiratet mit dem Gelehrten Akiba (Liefe) Auerbach (1733–1812), Stifterin u. a. eines Heims für obdachlose Juden, einer Talmudschule und einer Bibliothek für die jüdischen Gemeinde in Hechingen
Mayer Kaulla (1757–1823), Hofagent und Bankier in Hechingen, später Stuttgart
Salomon Mayer Kaulla (1789–1864), Bankier und Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Stuttgart
Albert von Kaulla (1833–1899), seit 1887 Direktor der „Königlich Württembergischen Hofbank“ in Stuttgart, geheimer Hofrat und britischerKonsul in Stuttgart, 1892 Verleihung des württembergischen Personaladels
Raphael Mayer Kaulla (1803–1871), k.k. privater Großhändler, Prokurist und Gesellschafter der Firma „M.L. Biedermann & Comp.“ in Wien, verheiratet mit Betty (Babette) Biedermann (1805–1855), Tochter von Michael Lazar Biedermann (1769–1843), Großhändler, K.k. Hofjuwelier, Bankier und Fabrikant
Wolf von Kaulla (1758–1841), kaiserlicher Rat und württembergischer Hofbankier, 1814 Verleihung des württembergischen Personaladels,
Jacob Raphael Kaulla (1750–1810), Mitbegründer der „Königlich Württembergischen Hofbank“ in Stuttgart, kaiserlicher Hoffaktor und württembergischer Hofbankier, verheiratet mit seiner Nichte Michel Kaulla (1761–1822), Tochter von Jacob Raphael Kaullas Schwester Karoline Kaulla
Henriette Kaulla (1786–1812), verheiratet mit Marx b. Ezechiel Pfeiffer (1786–1842), württembergischer Hofrat und Bankier in Stuttgart
Maximilian Salomon Kaulla (1816–82), Bankier in Stuttgart, dann in Mailand
Hirsch Raphael Kaulla (1756–1798), Hofagent und Handelsmann in Darmstadt
Nathan Wolf Kaulla (1785–1838), Hofbankier und Teilhaber der „Königlich Württembergischen Hofbank“ in Stuttgart, Hoffaktor, königlich württembergischer Kommerzienrat, 1825 Mitbegründer der ersten Synagoge in Stuttgart
Leopold von Kaulla (1813–1886), Rechtsanwalt und Obertribunal-Prokurator, Teilhaber und seit 1872 Direktor der „Königlich Württembergischen Hofbank“ in Stuttgart, geheimer Hofrat, 1878 Verleihung des württembergischen Personaladels
Eduard Kaulla (1858–1915), seit 1899 Direktor der „Königlich Württembergischen Hofbank“ in Stuttgart
Rudolf (Raphael) von Kaulla (1814–72), Teilhaber und seit 1857 Direktor der „Königlich Württembergischen Hofbank“ in Stuttgart, geheimer Hofrat, 1852 Verleihung des württembergischen Personaladels
Salomon Hirsch Kaulla (1792–1858), Kaufmann in München
Hermann Hirsch Kaulla (1821–1876), Bankier in München, verheiratet mit der Sängerin und Gesangspädagogin Emilie Isabella Kaulla (1833–1912), Schwester der Literaturdozentin, Kritikerin und Schriftstellerin Anna Ettlinger (1841–1934)
↑Kai Drewes: „Jüdischer Adel - Nobilitierungen von Juden im Europa des 19. Jahrhunderts“, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2013, S. 100, ISBN 978-3-593-39775-7
↑Kai Drewes: „Jüdischer Adel - Nobilitierungen von Juden im Europa des 19. Jahrhunderts“, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2013, S. 98, ISBN 978-3-593-39775-7
↑Georg Gaugusch: „Wer einmal war - Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800 - 1938 - A-K“, Amalthea Signum Verlag, Wien 2011, S. 1374, ISBN 978-3-85002-750-2
Literatur
Kai Drewes: „Jüdischer Adel - Nobilitierungen von Juden im Europa des 19. Jahrhunderts“, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2013, S. 98–103, 184 und 325ff., ISBN 978-3-593-39775-7;
Gaugusch, Georg: „Wer einmal war“, Band A–K, Amalthea Signum Verlag, Wie 2011, S. 1374–1390, ISBN 978-3-85002-750-2;
Schnee, Heinrich: „Die Hoffinanz und der moderne Staat IV“, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 1963, S. 148–178, ISBN 978-3-428-01348-7.
Weblinks
Commons: Kaulla – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien