Berger wurde als ältester Sohn des Juristen Stanley Berger und seiner Frau Miriam Berger geboren. Er hatte einen Bruder. Seine Vorfahren waren zum Teil jüdischer Abstammung und kamen aus Italien, Galizien und Böhmen.[2]
Von 1944 bis 1946 war Berger in der Britischen Armee.
Nach einem Kunststudium an der Chelsea School of Art und der Central School of Art in London begann Berger eine Karriere als Maler. In den späten 1940er Jahren bis in die 1950er Jahre gab Berger privaten Mal- und Zeichenunterricht und arbeitete als Kunstdozent am St Mary’s teacher training college, einem Ausbildungsseminar für Lehrer südwestlich von London, da ihm der kommerzielle Erfolg als Maler verwehrt blieb. Zugleich stellte er seine eigenen Arbeiten in verschiedenen englischen Galerien aus.[3]
Ab Anfang der 1950er Jahre fand Berger über den Rundfunk den Weg zur Kunstkritik. Neben Kunstkritiken verfasste er Künstlerbiographien und Essays über Kunst. Ebenso engagierte er sich in der Friedensbewegung Artists For Peace. Vor allem mit seinen Artikeln für den New Statesman wurde er in kurzer Zeit zu einem der führenden marxistischen Kunst- und Literaturkritiker in Großbritannien, ohne sich jedoch der Communist Party of Great Britain anzuschließen.
Unter dem theoretischen Einfluss von Frederick Antal, einem der Freunde von Georg Lukács und Antonio Gramsci, machte er sich in seinem erstmals 1960 veröffentlichten Werk Permanent Red: Essays in Seeing für den Sozialistischen Realismus stark. Er löste sich jedoch schnell von dessen orthodoxen Elementen, entwickelte ein stärker sozialhistorisch ausgerichtetes Kultur- und Kunstverständnis und grenzte sich schließlich deutlich von der sozialistischen Kulturpolitik ab.
1958 erschien als erster literarischer Text sein autobiografischerRomanA Painter of Our Time; 1962 folgten als Querschnitte der englischen Nachkriegsgesellschaft die sozialkritischen Romane The Foot of Clive und 1964 Corker‘s Freedom.
Bereits Ende der 1950er Jahre verließ Berger unter dem Einfluss des Kalten Krieges England und bereiste anschließend Europa. Nachdem er sich in den 1970er Jahren in einem französischen Alpendorf niedergelassen hatte, weckte das Erleben der ländlichen Kultur sein Interesse an bäuerlichen Lebensformen als Gegenpol und Alternative zur urbanen Massengesellschaft. Seine literarische Ausgestaltung fand dies in Bergers TrilogieInto Their Labours (1979–90).
Neben seinem literarischen Werk verfasste Berger eine Reihe von kunsthistorischen und politischen Texten oder Kritiken, die u. a. in Le Monde diplomatique veröffentlicht wurden.
In den 1980er bis 1990er Jahren erprobte Berger u. a. in enger Zusammenarbeit mit der ukrainisch-französischen Schriftstellerin und Schauspielerin Nella Bielski vor allem experimentelle dramatischen Gestaltungsformen. In seinen letzten Lebensjahre widmete er sich zunehmend den philosophischen Fragestellungen des modernen Menschen, wobei er in wachsendem Maße mystisch-spekulative Momente aufnahm.
In seinem vielfältigen literarischen Schaffen befasste sich Berger mit einem weiten Spektrum von Themen wie Sexualität, alternative Lebensformen und Emigration. In seinen kunsttheoretischen Abhandlungen finden sich Reflexionen zur Fotografie sowie zum Verhältnis von Sehen und Erzählen. Ebenso verfasste er zahlreiche sozial- und kulturkritische Beiträge zur Urbanität, zum Arbeitsalltag sowie zur Konsumgesellschaft. Gemeinsam mit dem Fotografen Jean Mohr untersuchte Berger verstärkt visuelle Ausdrucksformen. Auf dem Hintergrund dieser Arbeit entstanden sozialkritische Bild-Text-Studien über einen englischen Landarzt (A Fortunate Man, 1967) sowie über Gastarbeiterschicksale in Europa (A Seventh Man, 1975) und der experimentelle Erzählbildband Another Way of Telling (1982).
Obwohl Berger als einer der bedeutsamen Grenzgänger der europäischen Gegenwartsliteratur und Kultur gilt, ist sein Werk in Europa wie auch in den USA durchaus unterschiedlich aufgenommen worden.[6]
Im Dezember 2006 trat Berger mit einem Boykott-Aufruf (für den Bereich von Kultur und Wissenschaft) gegen die Besatzungspolitik Israels an die internationale Öffentlichkeit. Den Boykott wollte er „taktisch“ verstanden wissen; das heißt, für sich lehnte er es ab, von einem großen Mainstream-Verlag in Israel publiziert zu werden. Er habe damit den Staat Israel treffen, aber nicht den Kontakt zu den einzelnen Menschen in Israel unterbinden wollen.[7]
Berger war drei Mal verheiratet. Seine erste Ehefrau war die Künstlerin Pat Marriott. Aus seiner zweiten Ehe mit der Russin Anya Bostock (geboren als Anna Sisserman) gingen zwei Kinder hervor: Katya Berger (geb. 1962) und Jacob Berger (geb. 1963), ein Schweizer Regisseur. In dritter Ehe war Berger mit der US-Amerikanerin Beverly Bancroft verheiratet, die 2013 starb. Die beiden haben einen gemeinsamen Sohn namens Yves (geb. 1976). Er ist Maler.[8] Im Jahr 2010 war in der Neuen Galerie Landshut eine gemeinsame Ausstellung von Vater und Sohn zu sehen.[9]
Berger hatte bereits in den 1960er Jahren für Recherchen zeitweilig in der West-Schweiz gelebt. 1973/1974 verließ Berger England endgültig und zog in das Bergdorf Quincy im Département Haute-Savoie in Frankreich, wo er mehrere Jahrzehnte mit seiner Familie lebte. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Berger in dem Pariser Vorort Antony (Département Hauts-de-Seine).[10]
Glanz und Elend des Malers Pablo Picasso. Rowohlt, Reinbek 1973.
Sehen. Das Bild der Welt in der Bilderwelt. Deutsch von Axel Schenck. Rowohlt, Reinbek 1974; Neuausgabe: Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2016, ISBN 978-3-596-03677-6.
Velázquez Äsop. Erzählungen zur spanischen Malerei. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1991.
Das Kunstwerk. Wagenbach, Berlin 1992.
Essays
mit Jean Mohr: Arbeitsemigranten. Erfahrungen, Bilder, Analysen. Rowohlt, Reinbek 1976.
Neuausgabe als: Der siebte Mensch. Eine Geschichte über Migration und Arbeit in Europa. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2016, ISBN 978-3-596-29625-5.
mit Jean Mohr: Eine andere Art zu erzählen. Hanser, München 1984.
Und unsere Gesichter, mein Herz, vergänglich wie Fotos. Hanser, München 1986.
Das Sichtbare und das Verborgene. Hanser, München 1990.
Ralf Hertel, David Malcolm (Hrsg.): On John Berger: Telling Stories. Brill, Leiden 2015, ISBN 978-90-04-30612-7.
Geoff Dyer (Hrsg.): John Berger: Selected Essays. Bloomsbury, ISBN 0-375-71318-2.
Geoff Dyer: Ways of Telling. The Work of John Berger. London 1986, ISBN 0-7453-0097-9 (mit Werkübersicht).
Charity Scribner: John Berger, Leslie Kaplan and the Western Fixation on the „Other Europe“. In: Moritz Csáky, Klaus Zeyringer (Hrsg.): Inszenierungen des kollektiven Gedächtnisses. Eigenbilder, Fremdbilder. Studienverlag, Innsbruck 2002, ISBN 3-7065-1772-8, S. 236–246.
↑Vgl. die biografischen Angaben in dem Nachruf von Michael McNay: John Berger obituary. In: The Guardian, 2. Januar 2017. Abgerufen am 12. Oktober 2019.
↑Vgl. die biografischen Angaben in dem Nachruf von Michael McNay: John Berger obituary. In: The Guardian, 2. Januar 2017. Abgerufen am 12. Oktober 2019. Siehe auch Yves Berger auf ivorypress.com. Abgerufen am 12. Oktober 2019.
↑Vgl. die biografischen Angaben in dem Nachruf von Michael McNay: John Berger obituary. In: The Guardian, 2. Januar 2017. Abgerufen am 12. Oktober 2019.