Johannes Müller wurde 1986 an der Universität Freiburg i. Br. mit einem Thema zu nordschottischen Megalithanlagen magistriert, 1990 ebenfalls in Freiburg i. Br. promoviert mit einer Arbeit zur Neolithisierung des Adriaraumes. Für die herausragende Promotion erhielt er 1991/92 das Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts. Anschließend war er wissenschaftlicher Assistent an der Freien Universität Berlin, wo er 1998 mit einem Thema zum Neolithikum des Mittelelbe-Saale-Gebiets habilitiert wurde. 2000 bis 2004 war er Inhaber der Professur für ur- und frühgeschichtliche Archäologie an der Universität Bamberg. Seit 2004 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Urgeschichte und Direktor des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel.
Müllers Hauptinteressen galten und gelten sozialarchäologischen Fragestellungen, der Landschaftsarchäologie, zeitlich vor allem dem Neolithikum und der Bronzezeit. Die Entstehung sozialer Unterschiede im Neolithikum und die Rekonstruktion von demographischen Entwicklungen bilden wesentliche Aspekte seiner Forschungen. Im Rahmen u. a. des Exzellenzclusters „ROOTS“ sowie des DFG Sonderforschungsbereichs SFB 1266 werden Analysen und Ausgrabungen in verschiedenen Gebieten Europas durchgeführt. Ein wesentlicher räumlicher und zeitlicher Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit betrifft das spätneolithische und chalkolithische Südosteuropa und den nordpontischen Raum. Er widmete sich dem Spätneolithikum in Zentral- und Ostbosnien. Dort führte er Ausgrabungen im zentralbosnischenVisoko-Becken, u. a. in Okolište und an der Drina durch. Müller ist als Projekt- und Ausgrabungsleiter aktiv an Feldforschungen und Ausgrabungen in der Ukraine, hier steht die Tripolje-Siedlung Maidanetske im Fokus der Untersuchungen; in Moldawien Ausgrabungen in Stolniceni. An der Unteren Donau ist er als Grabungsleiter beteiligt an den Grabungen in Sultana.
In Deutschland ist Müller als Projekt- und Grabungsleiter insbesondere an der Ausgrabung neolithischer Siedlungen und von Megalithgräbern beteiligt. Hier sind u. a. die Ausgrabungen im Rahmen des Schwerpunktprogramms SPP 1400 hervorzuheben (z. B. Wangels LA 69, Oldenburg-Dannau LA 77, Büdelsdorf LA 1, Albersdorf-Dieksknöll LA 68), aber auch die Ausgrabung von Megalithgräbern in der Altmark.
Zu weiteren wichtigen Ausgrabungen zählen das Erschließen der schnurkeramischen Siedlung (Wattendorf-Motzenstein) bei Bamberg und einer frühbronzezeitlichen befestigten Siedlung (Bruszczezwo) in der Woiwodschaft Großpolen.
Ethnoarchäologische Studie führte und führt Müller in Nordostindien, Indonesien und Südostäthopien durch.
Er genießt ein hohes internationales Ansehen, da er wiederholt große Forschungsprojekte initiiert oder maßgeblich mitentwickelt hat, wie dem Schwerpunktprogramm SPP 1400, der Exzellenzinitiative „Graduate School: Human Development in Landscapes“, dem Sonderforschungsbereich SFB 1266 und dem Exzellenzcluster ROOTS. Diese Projekte sind gemessen an der Interdisziplinarität, der Anzahl involvierter Universitäten und Forschungsinstitute verschiedener Länder und vor allem gemessen am Budget, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft bereitgestellt hat, als außerordentlich im Fach zu bezeichnen.
Müller hat dutzende Abschlussarbeiten (Diplom, Magister, Bachelor, Master, Promotion, Habilitation) betreut und somit eine ganze Generation von Archäologen geprägt. Er hat etliche Fachartikel publiziert, ist (Mit-)Herausgeber zahlreicher Zeitschriften und Bände und hat einige populärwissenschaftliche Beiträge oder eigene Bücher verfasst. Für seine Verdienste zu internationalen Kollaborationen wurde er 2019 mit der Ehrenmedaille der Adam-Mickiewicz-Universität Poznań und dem Shanghai Archaeological ForumSAF Research Award ausgezeichnet und 2021 mit dem Schwedischen Riksbankens Jubileumsfond.[6][7] 2023 wurde Müller nach 2020 erneut vom McDonald-Institut für Archäologische Forschung an der Universität Cambridge (UK) der Titel eines Assoziierten Forschers Ehrenhalber (Honorary Research Associate) für drei Jahre verliehen. Damit ist er der einzige Wissenschaftler einer deutschen Einrichtung, der diesen Titel führen darf.[8]
Publikationen (Auswahl)
mit Timo Seregély (Hrsg.): Endneolithische Siedlungsstrukturen in Oberfranken: Wattendorf-Motzenstein: eine schnurkeramische Siedlung in der nördlichen Frankenalb. Teil II, Bonn 2008, ISBN 978-3-7749-3553-2
Soziochronologische Studien zum Jung- und Spätneolithikum im Mittelelbe-Saale-Gebiet (4100 – 2700 v. Chr.). Eine sozialhistorische Interpretation prähistorischer Quellen. (Habilitationsschrift 1998) Rahden/Westf. 2001, ISBN 3-89646-503-1
mit Reinhard Bernbeck (Hrsg.): Prestige – Prestigegüter – Sozialstrukturen. Beispiele aus dem europäischen und vorderasiatischen Neolithikum (= Archäologische Berichte. Band 6). Holos, Bonn 1996 (Digitalisat).
Großsteingräber, Grabenwerke, Langhügel: Frühe Monumentalbauten Mitteleuropas. Sonderheft Archäologie in Deutschland (WBG Darmstadt 2017).