Das Institut für Asien- und Afrikawissenschaften (IAAW) ist eine regionalwissenschaftliche Lehr- und Forschungseinrichtung der Humboldt-Universität zu Berlin. Es ist der Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät zugeordnet.
Das Institut betreibt interdisziplinäre Studien zu Zentral-, Ost-, Süd- und Südostasien sowie Afrika südlich der Sahara mit kultur-, sozial-, sprach- und geschichtswissenschaftlichen sowie eigenen regionalwissenschaftlichen Methoden. Zudem bietet es Ausbildung in 22 afrikanischen und asiatischen Sprachen an.[1] Das IAAW gliedert sich in fünf regionale Fachbereiche (Seminare) und zwei Querschnittsbereiche. Die MENA-Region (Naher Osten und Nordafrika) ist keine Fokusregion des Instituts, wird aber bei transregionalen Studien berücksichtigt.
Frühester Vorläufer des IAAW war das 1887 gegründete Seminar für Orientalische Sprachen, das der Dolmetscherausbildung für die wirtschaftliche Expansion nach Asien sowie den kolonialen Ambitionen des deutschen Kaiserreichs dienen sollte.[2] In der NS-Zeit wurde das Seminar 1936 in „Auslandshochschule“ umbenannt, 1941 zusammen mit der Deutschen Hochschule für Politik zur „Auslandswissenschaftlichen Fakultät“ fusioniert und in die Berliner Universität integriert.
Da ehemalige NSDAP-Mitglieder in der Sowjetischen Besatzungszone bzw. DDR in der Regel von den Universitäten entfernt wurden, kam es nach 1945 zu einem weitgehenden personellen Neuanfang. Eine Ausnahme war der Afrikanist Diedrich Westermann, der sich zwar mit dem NS-Regime arrangiert hatte, aber kein Parteimitglied gewesen war.[3] Anders als die philologisch ausgerichtete Orientalistik bzw. Afrikanistik in der Bundesrepublik Deutschland hatten die Asien- und Afrikawissenschaften in der DDR und damit auch an der Humboldt-Universität einen stärker gesellschaftswissenschaftlichen Zuschnitt. Sie sollten der Pflege von Beziehungen zu sozialistischen „Bruderländern“ und blockfreien Staaten in der „Dritten Welt“ dienen und „Kader“ für Außen- und Kulturpolitik, Außenhandel und Journalismus ausbilden.[4]
Im Zuge der Dritten Hochschulreform wurde die bisherige Universitätsgliederung in Fakultäten und Lehrstühle 1968 durch „Sektionen“ ersetzt. Zugleich wurden die Regionalwissenschaften in der DDR jeweils an einer Universität konzentriert. So wurde an der Berliner Humboldt-Universität eine Sektion Asienwissenschaften eingerichtet, während die Afrika- und Nahostwissenschaften schwerpunktmäßig an der Karl-Marx-Universität Leipzig, orientalische Archäologie und Kunst an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angesiedelt wurden. In Ost-Berlin gab es auch einen kleinen Bereich Afrikanistik, der jedoch organisatorisch an die Sektion Asienwissenschaften angegliedert wurde. Diese Struktur wirkt sich am IAAW bis heute aus (vier Seminare für asiatische Regionen, aber nur eins für Afrika).
Während der Wende in der DDR wurde aus der Sektion 1989 ein Fachbereich Asien- und Afrikawissenschaften mit eigenem Dekan. Der Fachbereich wurde jedoch 1994 aufgelöst und als Institut für Asien- und Afrikawissenschaften in die Philosophische Fakultät III eingegliedert (zusammen mit den Instituten für Kultur- und Kunstwissenschaften sowie für Sozialwissenschaften). Von zunächst geplanten 24 Professuren am Institut wurde die Zahl ab 1998 deutlich reduziert. Mehr als 60 Prozent der Studenten durchliefen zwar die Sprachausbildung, machten aber keinen Abschluss am Institut, sondern setzten das Studium andernorts fort. Für die universitätsinterne Statistik galten sie damit als Abbrecher, was sich auf die dem Institut zugebilligten Mittel negativ auswirkte. Die Fächer Ägyptologie und Sudanarchäologie wechselten 2003 als Seminar für Archäologie und Kulturgeschichte Nordostafrikas in das Institut für Archäologie.[5]
Statt der klassischen Einteilung in Großregionen aus jeweils mehreren benachbarten Nationalstaaten vertritt das Institut im Sinne der „Neuen Regionalwissenschaften“ seit 2000 zunehmend eine transregionale Perspektive mit mehreren Ebenen von lokal bis global.[6] Nach der Bologna-Reform führte das Institut 2005 einen gemeinsamen Bachelor-Studiengang „Regionalstudien Asien/Afrika“ ein, auf den zunächst drei verschiedene Master-Studiengänge (Afrika, Zentralasien oder Süd- und Südostasien) aufbauten.[7] Diese wurden zum Wintersemester 2021/22 ebenfalls durch einen gemeinsamen Master Asien-/Afrikastudien ersetzt.
Andreas Eckert: Afrikanische Sprachen und Afrikanistik. In: Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.): Geschichte der Universität Unter den Linden 1810–2010. Band 6: Selbstbehauptung einer Vision. Akademie Verlag, Berlin 2010, S. 535–547.
Peter Heine: Orientalistik an der Humboldt-Universität – Zwischen Politik und Philologie 1945–2010. In: Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.): Geschichte der Universität Unter den Linden 1810–2010. Band 6: Selbstbehauptung einer Vision. Akademie Verlag, Berlin 2010, S. 525–534.
Ulrich van der Heyden: Die Afrikawissenschaften in der DDR – Eine akademische Disziplin zwischen Exotik und Exempel. Eine wissenschaftsgeschichtliche Untersuchung. Lit Verlag, Münster u. a. 1999.
Wolf-Hagen Krauth, Ralf Wolz (Hrsg.): Wissenschaft und Wiedervereinigung. Asien- und Afrikawissenschaften im Umbruch. Akademie-Verlag, Berlin 1998.
↑Andreas Eckert: Afrikanische Sprachen und Afrikanistik. In: Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.): Geschichte der Universität Unter den Linden 1810-2010. Band 6: Selbstbehauptung einer Vision. Akademie Verlag, Berlin 2010, S. 535–547, hier S. 535.
↑Peter Heine: Orientalistik an der Humboldt-Universität – Zwischen Politik und Philologie 1945–2010. In: Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.): Geschichte der Universität Unter den Linden 1810-2010. Band 6: Selbstbehauptung einer Vision. Akademie Verlag, Berlin 2010, S. 525–534, hier S. 525–526.
↑Peter Heine: Orientalistik an der Humboldt-Universität – Zwischen Politik und Philologie 1945–2010. In: Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.): Geschichte der Universität Unter den Linden 1810-2010. Band 6: Selbstbehauptung einer Vision. Akademie Verlag, Berlin 2010, S. 525–534, hier S. 533.
↑Peter Heine: Orientalistik an der Humboldt-Universität – Zwischen Politik und Philologie 1945–2010. In: Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.): Geschichte der Universität Unter den Linden 1810-2010. Band 6: Selbstbehauptung einer Vision. Akademie Verlag, Berlin 2010, S. 525–534, hier S. 533–534.