Das Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie (IPWS) an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn entstand 2006 aus dem Zusammenschluss zweier vorher getrennter Seminare aus den 1950er (Politische Wissenschaft) und 1970er Jahren (Soziologie). Geschäftsführender Direktor ist der Soziologe Jörg Blasius, sein Stellvertreter der Politologe Wolfram Hilz. Es trägt die Verantwortung für die 1969 durch Karl Dietrich Bracher gegründete Schriftenreihe Bonner Schriften zur Politik und Zeitgeschichte.
Während der Westdeutschen Studentenbewegung der 1960er Jahre kam es zu Protesten am Seminar. Einige Studenten reagierten darauf ablehnend mit der Aktion Demokratische Mitte (ADM). 1969 wurde ein weiterer Lehrstuhl für Politische Wissenschaft eingerichtet und ein Seminarrat ins Leben gerufen, der eine Hochschulreform ausarbeiten sollte. Verschiedene linke Gruppierungen wie die Sozialistische Gruppe (SG) protestierten gegen die Assistenz von Manfred Funke und die Lehrstuhlvertretung von Hans-Helmuth Knütter für Karl Dietrich Bracher. 1973 wurde am Seminar ein Symposium der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) abgehalten. Außerdem wurde mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung (DGFK) die Carl-von-Ossietzky-Gastprofessur für Friedens- und Konfliktforschung eingerichtet.[1][2] Erster Lehrstuhlinhaber wurde der norwegische Friedensforscher Johan Galtung.
Das Seminar erlangte als eine Art „Schnittstelle zwischen Politik- und Geschichtswissenschaft“[3] nationales Ansehen. Überregional beachtete Schwerpunkte der Forschung sind bis heute die Themenfelder Demokratie, Diktatur, Extremismus und Totalitarismus. Viele Veröffentlichungen zählen gegenwärtig zu den Standardwerken in diesem Bereich. Zugute kam der Einrichtung der Wissenschaftsstandort der alten Bundeshauptstadt Bonn. Tilman Mayer und Volker Kronenberg sprachen in der Festschrift zum fünfzigjährigen Bestehen des Instituts 2009 von einer „unverwechselbare[n] Tradition“. So sind die Mehrzahl der Politologen im Bundestag in Bonn ausgebildet worden. In jüngster Zeit wurde die Bonner Traditionslinie zudem medial durch Wissenschaftler wie Frank Decker popularisiert.[4]
Seminar für Soziologie
Das Seminar für Soziologie wurde 1974 gegründet, als das Fach in der Philosophischen Fakultät angesiedelt wurde. Maßgeblich am Aufbau waren Martinus Emge, Justin Stagl und Alfred Bellebaum beteiligt. In der Folgezeit entwickelte sich ein kultursoziologischer Schwerpunkt am Seminar heraus.
1960 wurde das Seminar für Politische Wissenschaft für den Aufbau eines eigenen Bibliotheksbestands von der Rockefeller-Stiftung gefördert. 1977 erfolgte eine Bibliotheksspende, inklusive einer mehrbändigen Encyclopædia Britannica, durch Vertreter der Botschaft der Vereinigten Staaten in Bonn. Der derzeitige Bestand umfasst rund 40.000 Exemplare.[5]
Bonner Schriften zur Politik und Zeitgeschichte
1969 erschien der erste Band der anschließend von der Leitung des Seminars für Politische Wissenschaft herausgegebenen SchriftenreiheBonner Schriften zur Politik und Zeitgeschichte im Verlagshaus Droste in Düsseldorf.[6] Personen wie Ulrich von Alemann, Karl Dietrich Bracher, Manfred Funke, Hans-Helmuth Knütter, Patrik von zur Mühlen, Paul Noack und Hans-Gert Pöttering veröffentlichten in der Reihe.
Hans Günter Brauch: Entwicklungen und Ergebnisse der Friedensforschung 1969–1978. Eine Zwischenbilanz und konkrete Vorschläge für das 2. Jahrzehnt, Haag u. Herchen, Frankfurt a. M. 1979, ISBN 3-88129-220-9
Ulrike Quadbeck: Karl Dietrich Bracher und die Anfänge der Bonner Politikwissenschaft, Nomos, Baden-Baden 2008, ISBN 978-3-8329-3740-9
Tilman Mayer und Volker Kronenberg (Hrsg.): Streitbar für die Demokratie. Bonner Perspektiven der Politischen Wissenschaft und Zeitgeschichte 1959–2009, Bouvier, Bonn 2009, ISBN 978-3-416-03248-3
↑Hans Günter Brauch: Entwicklungen und Ergebnisse der Friedensforschung 1969–1978. Eine Zwischenbilanz und konkrete Vorschläge für das 2. Jahrzehnt, Haag u. Herchen, Frankfurt a. M. 1979, ISBN 3-88129-220-9, S. 45
↑Unterrichtung durch die Bundesregierung, Faktenbericht 1977 zum Bundesbericht Forschung, Drucksache 8/1116, S. 71 (PDF)