Am 7. Juli 1918 wurde er für sein Wirken in der Gemeinde und seine Spenden an die Armen im Ort etc. Ehrenbürger von Frankenfels.[7] Ab 15. Jänner 1919 war er Facharzt für Tuberkulose in St. Pölten.[3][6]
Jury betätigte sich ab 1927 in der Heimwehr,[8] von der er zum 14. Februar 1931 zur NSDAP übertrat (Mitgliedsnummer 441.338).[9][4] In St. Pölten war er NSDAP-Ortsgruppenleiter und nach der Gemeinderatswahl 1932 Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Gemeinderat.[8] Nachdem in der Zeit des Austrofaschismus die österreichische NSDAP am 19. Juni 1933 verboten worden war, war er weiterhin im Untergrund für die NSDAP tätig, wofür er mehrere Male inhaftiert wurde, auch im Anhaltelager Wöllersdorf.[3] In seiner Wiener Wohnung soll zeitweise die zweimal wöchentlich erscheinende NSDAP-Kampfschrift Die braune Front hergestellt worden sein.[6] Zudem war er Mitglied des deutschnationalenDeutschen Klubs.
Nach dem Juliabkommen wurde er 1936 stellvertretender Landesleiter der illegalen NSDAP und hatte diese Funktion bis 1938 inne.[10] Ab Februar 1937 führte er als Vorsitzender des zur Befriedung der nationalsozialistischen Opposition gebildeten Siebenerausschusses Verhandlungen mit dem austrofaschistischen System.[6] Nach der von Hitler im Berchtesgadener Abkommen erzwungenen Regierungsumbildung wurde Jury am 20. Februar 1938 von Schuschnigg in den Staatsrat berufen[4] und wurde Stellvertreter Arthur Seyß-Inquarts im Volkspolitischen Referat der Vaterländischen Front.[6]
Nach dem Anschluss wurde Jury auch ein Eintritt in die SS nahegelegt. Am 12. März 1938 wurde er im Rang eines SS-Sturmbannführers in die SS übernommen (SS-Nummer 292.777), wo er im Juni 1943 bis zum SS-Obergruppenführer aufstieg.[12][6]
Jury hatte besonderes Interesse daran, seine Heimatregion Mähren zu „germanisieren“, manche Verwaltungsbezirke Mährens waren nun Teil des Reichsgaus Niederdonau (z. B. Neubistritz, Znaim, Nikolsburg). Wirtschaftlich wollte Jury Niederdonau zu einem Mustergau entwickeln. Durch den Betrieb der von Hermann Göring gegründeten Wiener Neustädter Flugzeugwerke, in denen zeitweise 20.000 Menschen arbeiteten, konnte die Arbeitslosigkeit gesenkt und die Wirtschaft vorerst belebt werden. Zur Deckung der hohen Nachfrage nach Energie durch die Industrie wurde durch die Gauwerke Niederdonau ein einheitliches Strom-Verbundnetz geschaffen und der Ausbau der Erdölförderung wurde vorangetrieben.
Parallel zum Ausbau der Industrie wurde die Landwirtschaft modernisiert und technisiert. Viele bäuerliche Betriebe waren 1938 verschuldet und zum Teil von Zwangsversteigerungen bedroht. Unter dem Druck der NSDAP mussten die Gläubiger den Bauern kleine Schulden nachlassen, große Schulden wurden auf Antrag bis auf 51 Jahre umgeschuldet. Dadurch wurden die Bauern aber auch vom NS-Herrschaftssystem abhängig und erpressbar gemacht: Neuverschuldung und Veräußerungen wurden genehmigungspflichtig und es konnten Betriebsüberwachungen angeordnet werden. Die durch die Entschuldungen freiwerdende Mittel wurden von den Bauern zum Kauf von landwirtschaftlichen Maschinen genutzt. Allerdings zog der rasche Aufbau der Industrie auch Arbeitskräfte von der Landwirtschaft ab.
Unter dem Eindruck militärischer Siege wurden 1941 bereits wirtschaftliche Pläne für die Nachkriegszeit geschmiedet. Niederdonau sollte dabei im Rahmen der kontinentalen Großraumwirtschaft eine besondere Rolle spielen. Mit dem Dr. Hugo-Jury-Plan wurde ein umfangreicher Katalog von Maßnahmen geschaffen, der alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche durchdringen und Niederdonau im nationalsozialistischen Sinne umgestalten sollte. 1942 wurden jedoch infolge des Kriegsverlaufs auf Führerbefehl alle Nachkriegsplanungen eingestellt.
Als der Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft, später auch in der Industrie, aufgrund des Kriegsbeginns bedrohliche Ausmaße annahm, wurden zur Aufrechterhaltung der Wirtschaft Kinder und ausländische Zivilarbeitskräfte, später vermehrt Zwangsarbeiter herangezogen. 1941 waren bereits 88.500 ausländische Arbeitskräfte im Landesarbeitsamtsbezirk Niederdonau-Wien registriert, im Jahr 1943 betrug der Anteil von Zwangsarbeitern in manchen Industriebetrieben über 70 % der Belegschaft. Schließlich wurden auch KZ-Häftlinge eingesetzt, um – besonders in der Rüstungsindustrie – den Arbeitskräftemangel auszugleichen. Dazu wurden Außenlager des KZ Mauthausen in Melk, Wiener Neustadt, Wiener Neudorf, Hinterbrühl, Hirtenberg, Schwechat, Amstetten, St. Valentin und St. Aegyd errichtet.[6]
Gegen Kriegsende, als Wien an die Rote Armee zu fallen drohte, verlagerte sich die Gauleitung der NSDAP und die Reichsstatthalterei nach Westen und traf am 3. April in Krems ein.[14] In der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 beging Hugo Jury in Zwettl Selbstmord.
Die Rolle Jurys am Massaker im Zuchthaus Stein wurde nie endgültig geklärt. Erwiesen ist jedenfalls, dass einer der Haupttäter, der später dafür zum Tode verurteilte SA-Standartenführer und Kreisstabsführer des Volkssturms für den Kreis Krems, Leo Pilz ab März 1945 zur besonderen Verfügung für Gauleiter Jury gestellt wurde.[15] Dieser gab später vor dem Volksgericht an, Jury habe am 6. April 1945 die Niederwerfung des angeblichen Häftlingsaufstandes angeordnet.[16] Der ehemalige Generalstaatsanwalt Johann Karl Stich sagte vor Gericht aus, Jury hätte die Erschießung der 44 Häftlinge am 15. April 1945 befohlen.[17] Dies könnte zwar genauso gut eine Schutzbehauptung Stichs sein, aber das Gericht ging bei dem Prozess gegen Stich von einer Verantwortung Jurys aus.[18]
Am 7. Dezember 1948 fand ein Volksgerichtsverfahren gegen den abwesenden Beschuldigten Jury gemäß § 24 Volksgerichtsverfahrens- und Vermögensverfallgesetz 1947 wegen seiner illegalen NSDAP-Mitgliedschaft und der Beteiligung an der NSDAP-Machtergreifung in Österreich statt, in dem auf Vermögensverfall entschieden wurde.[19][20]
Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 3: I–L. Winter, Heidelberg 1999, ISBN 3-8253-0865-0, S. 44–45.
Wolfgang Graf: Österreichische SS-Generäle. Himmlers verlässliche Vasallen. Hermagoras-Verlag, Klagenfurt/ Ljubljana/ Wien 2012, ISBN 978-3-7086-0578-4.
Hugo Jury: Hitlers Vollstrecker in Niederdonau. In: Stefan Eminger / Ernst Langthaler / Klaus-Dieter Mulley: Nationalsozialismus in Niederösterreich. Opfer. Täter. Gegner. Studien-Verlag, Innsbruck u. a. 2021 (Nationalsozialismus in den österreichischen Bundesländern; 9), ISBN 978-3-7065-5571-5, S. 73f.
Weblinks
Hugo Jury in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
Eintrag zu Hugo Jury in der Datenbank Gedächtnis des Landes zur Geschichte des Landes Niederösterreich (Museum Niederösterreich)
Einzelnachweise
↑ abWolfgang Graf: Österreichische SS-Generäle. Himmlers verlässliche Vasallen, Klagenfurt/ Ljubljana/ Wien 2012, S. 137.
↑Bernhard Weidinger: "Im nationalen Abwehrkampf der Grenzlanddeutschen". Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2015, ISBN 978-3-205-79600-8, S.83.
↑ abcdHugo Jury in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
↑Bernhard Gamsjäger und Ernst Langthaler (Hrsg.): Das Frankenfelser Buch. Frankenfels 1997, Seite 264.
↑ abcdGertrude Enderle-Burcel, Johannes Kraus: Christlich – Ständisch – Autoritär: Mandatare im Ständestaat 1934–1938. Hrsg.: DÖW und Österreichische Gesellschaft für historische Quellenstudien. Wien 1991, ISBN 3-901142-00-2, S.116f.
↑Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 293.
↑Wolfgang Graf: Österreichische SS-Generäle. Himmlers verlässliche Vasallen, Klagenfurt / Ljubljana / Wien 2012, S. 138.
↑Landesgericht Wien (Hrsg.): Urteil des LG Wien als Volksgericht gegen Leo Pilz u. a. vom 30. August 1946. 30. August 1946, S.44 (Online [PDF; 366kB; abgerufen am 27. Oktober 2021] auf der Website des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)).
↑Landesgericht Wien (Hrsg.): Urteil des LG Wien als Volksgericht gegen Leo Pilz u. a. vom 30. August 1946. 30. August 1946, S.39 (Online [PDF; 366kB; abgerufen am 27. Oktober 2021] auf der Website des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)).
↑Landesgericht Wien (Hrsg.): Urteil des LG Wien als Volksgericht gegen Leo Pilz u. a. vom 30. August 1946. 30. August 1946, S.55 (Online [PDF; 366kB; abgerufen am 27. Oktober 2021] auf der Website des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)).
↑Dr. Stich hat vierundvierzig Hinrichtungen befohlen. In: Arbeiter-Zeitung. Nr.123. Vorwärts-Verlag, Wien 29. Mai 1948, S.4 (Online auf der Website der AZ).
↑Matthias Keuschnigg: Johann Karl Stich. In: Bibliotheksverein im Landesgericht für Strafsachen Wien (Hrsg.): Die Geschichte des Grauen Hauses und der österreichischen Strafgerichtsbarkeit. BMJ, Wien Juni 2012, S.56–58 (web.archive.org [PDF; 12,3MB; abgerufen am 27. Oktober 2021]).
↑Hellmut Butterweck: Nationalsozialisten vor dem Volksgericht Wien: Österreichs Ringen um Gerechtigkeit 1945-1955 in der zeitgenössischen öffentlichen Wahrnehmung. StudienVerlag, Innsbruck 2016, ISBN 978-3-7065-5833-4 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Reinhard Tenhumberg: LG Wien Vg 11 Vr 3207/48. In: www.tenhumbergreinhard.de. Abgerufen am 30. September 2017.