Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde sie am 6. April 1933 aufgrund ihrer KPD-Arbeit in „Schutzhaft“ genommen und war ein halbes Jahr im Frauengefängnis Barnimstraße inhaftiert.[1] Gemeinsam mit den anderen konnte sie bessere Haftbedingungen für die Frauen durchsetzen. Ende September 1933 wurde sie mit etlichen anderen „Politischen“ wieder entlassen und zog nach Berlin-Mitte. Da sie als ehemaliges KPD-Mitglied nicht mehr bei der Post arbeiten konnte, ging sie als Arbeiterin zu Siemens und machte illegale Parteiarbeit im Betrieb.
1939 lernte sie ihre spätere Freundin Else Klopsch („Eddy“) kennen, mit der sie ab 1941 ein kleines Restaurant im Berliner Scheunenviertel führte.[1] Dieses diente später auch als Unterschlupf für „Illegale“. Im August 1944 warnte eine mit Eddy befreundete Kriminalpolizistin sie vor ihrer bevorstehenden Verhaftung im Rahmen der so genannten Aktion Gitter. So konnte sie gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin in Prieros untertauchen, wo sie bis Kriegsende in einer Gartenlaube versteckt lebten. Zum Zeitpunkt der Befreiung Berlins durch die Rote Armee war sie fast verhungert.[1] Außerdem zog sie sich ein Rheumaleiden zu und musste deshalb Mitte der 1950er Jahre Frührente beantragen.
Sofort nach Kriegsende beteiligte sich Hilde Radusch am Wiederaufbau. Von Juni 1945 bis Februar 1946 arbeitete sie für das Bezirksamt Schöneberg in der Abteilung Opfer des Faschismus. 1946 war sie Mitinitiatorin der Aktion „Rettet die Kinder“. Im gleichen Jahr kam es jedoch zu Konflikten zwischen der Kommunistin und ihrer Partei, in deren Folge Radusch aus der KPD austrat und diese sie zugleich ausschloss. Sie trat dann 1948 in die SPD ein und führte zusammen mit Eddy einen Trödelladen, bis der Tod ihrer Lebensgefährtin Eddy 1960 für Radusch einen weiteren schweren Schlag darstellte.
Ihr Nachlass, in dem sich auch 129 Bücher aus Raduschs Privatbibliothek befinden, liegt im FFBIZ, dem Frauenforschungs-, -bildungs- und -informationszentrum in Berlin.[3]
Gedenken
18 Jahre nach ihrem Tod erinnerte der Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg 2012 an das Leben und Wirken Raduschs. An ihrer letzten Wohnadresse in der Eisenacher Straße Ecke Winterfeldtstraße, initiierte das Netzwerk zur Frauengeschichte vor Ort – Miss Marples Schwestern den ersten Berliner Gedenkort für eine während der NS-Zeit verfolgte lesbische Frau.[4] Er besteht aus drei an Radusch erinnernde Emailletafeln und einer Sitzmöglichkeit.
Literatur
Vor die Tür gesetzt – Im Nationalsozialismus verfolgte Berliner Stadtverordnete und Magistratsmitglieder 1933–1945. Verein Aktives Museum, Berlin 2006, ISBN 3-00-018931-9, S. 316.
Claudia Schoppmann: Zeit der Maskierung. Lebensgeschichten lesbischer Frauen im „Dritten Reich“. Orlanda Frauenverlag, Berlin 1993, ISBN 3-922166-94-6; Hilde Radusch (1903–1994). Online-Projekt Lesbengeschichte.
Sina Speit: Die westdeutsche Frauenbewegung im intergenerationellen Gespräch. Der Nachlass von Hilde Radusch (1903–1994). In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 2021, Jg. 69, Heft 2, S. 151–162.
Silke Schneider: Hilde Radusch (1903–1994). In: Siegfried Mielke (Hrsg.): Gewerkschafterinnen im NS-Staat, biografisches Handbuch. Band 2. Metropol-Verlag, Berlin 2022, ISBN 978-3-86331-633-4, S. 381–394 (Gewerkschafter im Nationalsozialismus, 10).
↑ abcBundesstiftung Magnus Hirschfeld (Hrsg.): Forschung im Queerformat: Aktuelle Beiträge der LSBTI*-, Queer- und Geschlechterforschung. transcript Verlag, 2014, ISBN 978-3-8394-2702-6 (google.de).
↑Dagmar Jank: Bibliotheken von Frauen: ein Lexikon. Harrassowitz, Wiesbaden 2019 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen; 64), ISBN 978-3-447-11200-0, S. 159.