Die Group of Thirty (oftmals abgekürzt mit G30) ist ein privates, internationales Gremium, bestehend aus führenden Personen aus dem Finanzwesen und der Wissenschaft. Sie veröffentlichen unter anderem Empfehlungen zur Aufsicht über die großen internationalen Finanzinstitutionen.[1][2]
Sie selbst sehen als ihr Ziel, das Verständnis der internationalen wirtschaftlichen und finanziellen Fragen zu vertiefen, Auswirkungen der politischen Entscheidungen zu untersuchen und politische Optionen für wichtige Fragen zu prüfen. Die Mitglieder treffen sich zweimal jährlich zur Erörterung der wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Entwicklungen. Die G30 wird von Stiftungen, Banken, Unternehmen, Zentralbanken, Fonds und Privatpersonen finanziert. Seinen Sitz hat das Gremium in Washington, D.C.
Die G30 wurden auch bezeichnet als die „30 mächtigsten Finanzbosse der Welt“.[1]
Die Group of Thirty wurde 1978 von Geoffrey Bell auf Initiative der Rockefeller-Stiftung gegründet, die auch die ersten Mittel für das Gremium bereitstellte.[3] Die Rockefeller-Stiftung ist eng mit dem privaten US-amerikanischen Elite-Think Tank Council on Foreign Relations (CFR) verwoben. Die legendären War and Peace-Studies des CFR, bei denen die Grundlagen für die „Organisation“ der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg erdacht wurden, die letztlich in Weltbank, Internationalen Währungsfonds (IWF), NATO und UNO mündeten, wurden 1939 von der Rockefeller-Stiftung ins Leben gerufen und mit 350.000 US-Dollar (entsprach 2015 ca. 6 Millionen US-Dollar) finanziert.[4] Der erste Vorsitzende der Group of Thirty wurde Johan Witteveen, der ehemalige Präsident des Internationalen Währungsfonds.
Die Bellagio-Gruppe, die der österreichische Ökonom Fritz Machlup gegründet hatte, war eine Inspiration für die Gründung der Group of Thirty.[5] Sie traf sich zum ersten Mal 1963, um die internationalen Währungsprobleme zu untersuchen, insbesondere die Zahlungsbilanzprobleme, denen Amerika in den frühen 1960er-Jahren gegenüberstand.
Mitglied der exklusiven Gruppe ist neben dem ehemaligen Präsidenten der Deutschen BundesbankAxel A. Weber, der aus dem Young Leader-Programm des deutschen Elite-Netzwerkes Atlantik-Brücke stammende Bankmanager Gerd Häusler, bis 31. März 2014 Vorstandsvorsitzender der BayernLB. Häuslers Karriere beinhaltete Stationen beim IWF, der US-amerikanischen Investmentbank Lazard sowie der Dresdner Bank.
Tommaso Padoa-Schioppa †, Bankier und Volkswirt, Wirtschafts- und Finanzminister von Italien
Kritik
Ende Juli 2012 ist Beschwerde gegen EZB-Präsident und G30-Mitglied Mario Draghi von der Brüsseler Anti-Lobby-Gruppe Corporate Europe Observatory (CEO) eingelegt worden. Sie wirft dem EZB-Präsidenten einen Interessenkonflikt vor. Die Group of Thirty weise alle Charakteristika einer Lobbyorganisation für Großbanken auf.[15][16] CEO befürchtete, dass Draghi dort seine Ansichten mit großen Investmentbanken abstimme.[17] Durch seine Mitgliedschaft fehle dem EZB-Präsidenten die Unabhängigkeit, argumentierte die Anti-Lobby-Gruppe.[15][16]
In seinem Abschlussbericht befand der damalige EU-Bürgerbeauftragte Nikiforos Diamandouros, die G30 sei keine Lobbyorganisation. Daher sei Mario Draghis Mitgliedschaft legitim.[18]
Nachdem die EZB die Zuständigkeit für die Bankaufsicht in Europa bekommen hatte, legte CEO erneut Beschwerde gegen die G30-Mitgliedschaft des EZB-Präsidenten ein, mit dem Argument, es befänden sich auch Vertreter von der EZB beaufsichtigter Banken in der Gruppe und was in der Gruppe vorgehe und besprochen werde, sei intransparent. In ihrem Abschlussbericht vom 3. Juli 2018 zu ihrer entsprechenden Untersuchung bestätigt die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly die Kritik an der Mitgliedschaft Draghis. Eine solche Mitgliedschaft entspräche nicht der etablierten internationalen Praxis und kompromittiere die Unabhängigkeit der EZB. Sie kritisiert, dass die EZB sich weigere, ihrer Empfehlung Folge zu leisten, die Mitgliedschaft Draghis in der G30 zu beenden.[19]
Die Group of 30, zu der unter anderem aktive und ehemalige Zentralbanker gehören, veröffentlicht unter anderem Empfehlungen zur Aufsicht über die großen internationalen Finanzinstitutionen. Es wurde kritisiert, dass die ehemaligen Zentralbanker jedoch inzwischen als Topmanager selbst bei eben diesen Finanzinstitutionen arbeiten.[1][2][20]
Harald Schumann: Die Herrschaft der Superreichen. Die Macht der Geldelite und die Kapitulation der Politik. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. Dezember 2016, S. 67–78, abgerufen am 22. September 2022.