Gisela Niemeyer wurde als Tochter eines Lehrers und einer Parlamentsstenographin geboren. Im Jahr 1942 legte sie ihr Abitur ab. Zunächst plante sie Journalistin zu werden, entschied sich dann aber für ein Studium der Medizin. Nach ein paar Monaten des Studiums wurde sie zum Dienst im Zweiten Weltkrieg eingezogen. Zum Kriegsende musste sie fliehen. Inzwischen mit einem ehemaligen Offizier der Kriegsmarine verheiratet begann sie 1948 an der Universität Kiel das Studium der Rechtswissenschaft. Kurz nach dem ersten Staatsexamen gebar sie ihr zweites Kind. Sie zog anschließend mit ihrer Familie nach Bonn, wo sie als Kanzleikraft arbeitete und das Referendariat ableistete. Im Jahr 1956 bestand sie das zweite juristische Staatsexamen und legte ihre Dissertation ab.[1] Der Titel ihrer Dissertation lautet: Der Gegenstand des Verfahrens bei der Anfechtung von Steuerbescheiden.
Finanzverwaltung und Landesfinanzschule
Nach Ausbildung und Promotion war Niemeyer zunächst in der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen tätig. Von 1957 bis 1964 war sie Sachgebietsleiterin beim FinanzamtBonn-Stadt. Bis 1966 war sie Lehrerin an der Landesfinanzschule Nordrhein-Westfalen.
Richterin an Finanzgerichten
Ab 1966 war Niemeyer Richterin am Finanzgericht Düsseldorf, ab 1971 als Vorsitzende Richterin des 6. Senats des Finanzgerichts Düsseldorf.
Von 1972 bis 1975 bekleidete Niemeyer das Amt einer Richterin am Bundesfinanzhof.
Präsidentin des Finanzgerichts Düsseldorf
Niemeyer wurde im Jahr 1975 zur Präsidentin des Finanzgerichts Düsseldorf berufen. Sie war damit die erste Frau, die einem Finanzgericht vorstand.[3]
Richterin des Bundesverfassungsgerichts
Im Jahr 1977 erfolgte ihre Wahl zur Richterin des Bundesverfassungsgerichts, dessen erstem Senat sie bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand 1989 angehörte.[3] Sie folgte am Bundesverfassungsgericht Wiltraut Rupp-von Brünneck nach. Sie war dort insbesondere Berichterstatterin zu Fällen aus dem Familienrecht. Obwohl Mitglied der SPD, stimmte sie – ähnlich wie der von der SPD vorgeschlagene Wolfgang Zeidler im zweiten Senat – tendenziell mit den konservativeren Kollegen.[4] Ihre Nachfolgerin am Bundesverfassungsgericht war Helga Seibert.
Artikel in Familie und Recht. Die Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, ISSN 0937-2180
Der verfassungskonforme Familienlastenausgleich als gesetzgeberisches Ziel. Schwerpunkt: Steuerrecht. Band1, Nr.1, 1990, S.2–8.
Bedarf es einer Änderung des Art. 1 Abs. 1 GG? Band3, Nr.3, 1992, S.145–148.
Art. 6 GG auf dem Prüfstand. Ein Bericht zur Anhörung der Gemeinsamen Verfassungskommission. Band4, Nr.1, 1993, S.29–30.
Zur Reform des Kindschaftsrechts Sorgerecht allein oder zu zweit? Band6, Nr.3, 1995, S.221–223.
Übertragung des hälftigen Kinderfreibetrags bei unwesentlicher Unterhaltsleistung EStG § 32; FG Köln, Urteil vom 10. Mai 1995 - 11 K 1473/94, Anmerkung. Band6, Nr.4, 1995, S.313.
Kinder homosexueller Eltern. Kein Ende der Diskussion über die Reform des Kindschaftsrechts? Band8, Nr.5, 1997, S.141–142.
Die Verfassungsgarantie des Erbrechts in der Rechtsprechung des BVerfG. Band9, Nr.1, 1998, S.12–13.
BAföG/Wohngeld zum Ausschluß berufsbegleitend studierender Personen vom Bezug von Wohngeld. Band9, Nr.8, 1998, S.246–247.
Die gesetzliche Umsetzung des Gleichberechtigungsgebots (Art. 3 Abs. 2 GG) im Hinterbliebenenrecht verletzt nicht Verfassungsrecht zum Beschluß des Ersten Senats des BVerfG vom 18.2.1998 - 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86. Band9, Nr.8, 1998, S.247–250.
Ungleiche Behandlung von Müttern bei Bezug von Sozialhilfe nicht verfassungswidrig. Geburtsjahrgänge vor 1921 und Geburtsjahrgänge ab 1921. Band9, Nr.11/12, 1998, S.403–404.
Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den steuerlichen Familienleistungsausgleich durch die vier Entscheidungen des 2. Senats des BVerfG vom 10.11.1998. Band10, Nr.3, 1999, S.97–101.
Art. 13 Abs. 2 des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vor dem BVerfG. Band10, Nr.9, 1999, S.362.
Entspricht das Vetorecht der nichtehelichen Mutter den verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der gesetzlichen Gestaltung des Sorgerechts des nichtehelichen Vaters? Band12, Nr.11, 2001, S.491–493.
Der Versorgungsausgleich nicht immer ein Äquivalent für die Tätigkeit einer geschiedenen Hausfrau und Mutter. Band13, Nr.5, 2002, S.193–194.
Artikel in anderen Veröffentlichungen
Der Gegenstand des Verfahrens bei der Anfechtung von Steuerbescheiden. Dissertation. Köln 1961, DNB481070060.
Der Gegenstand des Verfahrens bei der Anfechtung von Steuerbescheiden. In: Schriftenreihe des Instituts für Steuerrecht der Universität zu Köln. Band23. Verlags-Buchhandlung des Instituts der Wirtschaftsprüfer, Düsseldorf 1962, DNB453584381.
Keine Maßgeblichkeit der mündlichen Verhandlung für die Bestimmung des Streitgegenstands gemäß § 65 Absatz 1 FGO. In: Deutsche Steuer-Zeitung. Band56, Nr.15. Industrie-Verlag Gehlsen, 1968, ISSN0012-0774, S.244–248.
Mögliche Auswirkungen der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) auf das finanzgerichtliche Verfahren. In: Bericht über den Fachkongreß der Steuerberater des Bundesgebietes. Fachkongress der Steuerberater des Bundesgebietes. Band34. Schmidt, Köln 1983, S.69–86.
Die steuerliche Behandlung von Ehe und Familie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. In: Ein Richter, ein Bürger, ein Christ. Festschrift für Helmut Simon. Nomos Verlags-Gesellschaft, Baden-Baden 1987, ISBN 3-7890-1468-0, S.711–725.
Das Pflegekind im Spiegel der Verfassung. Mit BVerfG-Urteil 1 BvR 818/88 v. 12.10.88. In: 3. Tag des Kindeswohls. 31.8. – 1.9.1988. Psychosozialer und rechtlicher Status von Pflegekindern. Lezius, Ahnatal 1988, S.60–104.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Konfliktlösung bei Pflegekindschaftsverhältnissen. In: Grundrechte, soziale Ordnung und Verfassungsgerichtsbarkeit. Festschrift für Ernst Benda zum 70. Geburtstag. Müller, Juristischer Verlag, Heidelberg 1995, ISBN 3-8114-0695-7, S.185–200.
Literatur
Dr. Gisela Niemeyer zum Gedenken. In: Familie und Recht. Die Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht. Band23, Nr.12. Luchterhand, 2012, ISSN0937-2180, S.646–647.
Helga Oberloskamp: Dr. Gisela Niemeyer, Richterin des Bundesverfassungsgerichts a. D. Zur Erinnerung. In: Zeitschrift des Deutschen Juristinnenbundes. Band15, Nr.2, 2012, S.83.