Georges Favon entstammte eine der ältesten Genfer Familien, die ursprünglich aus Charolles in Frankreich stammte. Er kam aus einer begüterten Familie und war der Sohn des Tuchhändlers und Grundbesitzers Franois Gédéon Favon (* 17. Oktober 1800 in Genf; † 12. Januar 1860 ebenda)[1] und dessen Ehefrau Louise Anne Sara (* 14. Oktober 1801 in Céligny; † 28. Januar 1876 in Genf), die Tochter des Pfarrers Georges Choisy (1758–1843); er hatte keine weiteren Geschwister.
Seit dem 4. Juli 1877 war er in erster Ehe mit Eugénie (* 6. Juli 1856; † 21. November 1899), der Tochter von Henri Bosson, verheiratet; die Ehe blieb kinderlos. In zweiter Ehe heiratete er am 14. November 1901 Augustine (* 28. April 1856) (geschiedene Schneegans), die Tochter von Jean Lachaud; auch diese Ehe blieb kinderlos.
Er besass unter anderem ein Landhaus in Bossey auf französischem Boden.[2]
Sein behandelnder Arzt, der ihn bis zu seinem Tod gepflegt hat, war Hugues Oltramare (1851–1937)[3].
Er gründete am 4. Februar 1875 die TageszeitungLe Petit Genevois, die 1877 in Le Genevois[4] umbenannt wurde, und ein Presseorgan des volksnahen Freisinns war; bis zu seinem Tod blieb er Redaktor der Zeitung. Die Gründung der Zeitung erfolgte in Gegnerschaft zu Henri FazysChronique radicale.
Ab 1883 hielt er, als Nachfolger von Louis Etienne Jousserandot (1813–1887)[8][9], als ausserordentlicher Professor Vorlesungen über soziale Systeme an der Universität Genf.[10][11]
Georges Favon war ab 1863 in konservativen politischen Kreisen aktiv, bis er sich 1872 den Freisinnigen anschloss.
Anfangs liess er sich in der politischen konservativen Gesellschaft Jeune Genève aufnehmen, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die neu gegründete radikale Gruppe Les fruitiers d'Appenzell, die von Moïse Vautier geführt wurde, mit allen Mitteln zu bekämpfen; später jedoch gab er seine alten politischen Überzeugungen auf und begann mit weiteren Mitgliedern aus der konservativen Gruppe, die sich Unabhängige Partei nannte, eine radikale Politik. Er gab seine alten politischen Überzeugungen und die protestantischen Traditionen und Gewohnheiten seines Elternhauses auf. Zusammen mit einigen anderen Überläufern aus der konservativen Gruppe, machte er militante radikale Politik auf der Seite von Charles Chalumeau, Hippolyte Gosse (1834–1901)[13] und Jean-Antoine Viollier (1819–1896)[14] und einigen anderen. Im Laufe der Zeit wandelte er sich dann vom bürgerlichen Radikalen zum radikalen Sozialisten.
Anfangs unterstützte er im Genfer Freisinn die antikatholische Politik von Antoine Carteret, dessen Schüler er wurde, distanzierte sich aber später von dieser Linie und wandte sich sozialpolitischen Problemen zu. Er strebte eine Allianz mit den Sozialisten an und warb sogar um die katholische Wählerschaft. 1889 stand er an der Spitze einer gespaltenen Kantonalpartei, die dazu noch in der Minderheit war. Im Bündnis mit den Sozialisten führte er sie jedoch an die Macht zurück.
Er widersetzte sich mit seiner epikureischen Grundhaltung dem reformierten Pietismus. Ihm schwebte ein heiteres und lockeres Genf vor, sodass er Glücksspiele und die sogenannten Maisons de tolérance (= Bordelle)[15] verteidigte.
Er verfolgte eine politische Linie, die auf Bundes- und Kantonsebene staatlich geprägt war, aber nicht immer auf Zustimmung der Bevölkerung stiess. Er schlug unter anderem eine allgemeine Krankenversicherung und den Zwang zur Gewerkschaftsmitgliedschaft vor, jedoch ohne Erfolg. In Genf kämpfte er vergeblich gegen die Einführung des Proporzwahlsystems sowie gegen Gemeindeabstimmungen und das Gesetz zur Vereinbarkeit verschiedener politischer Ämter. Am Schulgesetz von 1886, welches das Genfer Bildungswesen modernisierte, war er hingegen massgeblich beteiligt. Als Staatsrat baute er die Universität Genf durch die Schaffung von Polikliniken aus; weiter liess er die Gebäude der Hochschule vergrössern und förderte die Sozialwissenschaften, die er liberalen, sozialistischen und christlichen Denkschulen öffnen wollte.
Er verlieh dem Genfer Freisinn zwar neuen Auftrieb, indem er sein Engagement in sozialen Belangen stärkte, seinen Erfolgen im Bildungswesen stehen das Scheitern sozialer Anliegen, für die die Zeit noch nicht reif war, und die Unterstützung veralteter Wahlsysteme, gegenüber.
Von 1876 bis zu seinem Tod war er Abgeordneter im Genfer Grossen Rat[18] (1876 und 1877 Vizepräsident) und von 1880 bis 1881 Ständerat sowie von 1881 bis 1893 (1883[19] Vizepräsident und 1884 Präsident)[20] und von 1894 bis 1902 Nationalrat; in dieser Zeit war er auch, als Nachfolger des verstorbenen Alexandre Gavard, von 1899 bis zu seinem Tod als Genfer Staatsrat (1900 Präsident)[21] und leitete das Departement für das Erziehungswesen; sein Nachfolger im Staatsrat wurde François Besson.
Sein Nachfolger im Nationalrat wurde Henri Fazy.
Er setzte sich 1885 dafür ein, dass zu Ehren von James Fazy ein Denkmal errichtet werden solle.[22]
Als Staatsrat richtete er an der Universität Genf die Fakultäten Heilkunde und Naturwissenschaften ein, schuf neue Lehrstühle und Kliniken sowie eine Entbindungsanstalt und liess in den umliegenden Gemeinden neue Schulhäuser erbauen.
Um die Jahrhundertwende griff er einen Vorschlag, den James Fazy 1872 gemacht hatte, wieder auf und versuchte an der Universität Genf eine Fakultät der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften einzurichten; allerdings kam es erst 1915 zur Einrichtung einer staatswissenschaftlichen Fakultät.[23]
Am 20. Mai 1917[27], am 31. Mai 1922 und am 17. Mai 1952 wurde in Genf eine Gedächtnisfeier für Georges Favon abgehalten.[28]
Ehrungen und Auszeichnungen
Der Boulevard du Plainpalais in Genf wurde 1904 in Boulevard Georges-Favon umbenannt und seine Büste, gefertigt vom BildhauerRodo, in der Nähe aufgestellt.[29]
Schriften (Auswahl)
Les pervenches: poésies. Genf, 1876 (Digitalisat).
Literatur
Jean Sauvajeau: M. Georges Favon. In: La tribune de Genève vom 12. Februar 1884. S. 3 (Digitalisat).
Georges Favon. In: Le confédéré de Fribourg vom 29. Januar 1893. S. 2 (Digitalisat).
Georges Favon. In: La Suisse libérale vom 17. Mai 1902. S. 3 (Digitalisat).
Georges Favon. In: La tribune de Genève vom 17. Mai 1902. S. 3 (Digitalisat).
Georges Favon. In: Neue Zürcher Zeitung vom 17. Mai 1902. S. 2 (Digitalisat).
Georges Favon. In: Nidwaldner Volksblatt vom 24. Mai 1902. S. 2 (Digitalisat).
Georges Favon. In: Die Bauhütte vom 14. Juni 1902. S. 191–192 (Digitalisat).
François Ruchon; Lucien Fulpius: Georges Favon. 25 ans de politique genevoise. Genf 1927.
↑Chronique locale. In: La tribune de Genève 31. Januar 1882 Ausgabe 02. Abgerufen am 20. März 2024.
↑Gavard: Schweizerische Landesausstellung: Genf, 1. Mai–15. Oktober 1896: offizieller Führer. Buchdruckerei der "Tribune de Genève", 1896 (google.de [abgerufen am 24. März 2024]).
↑Geneve. In: Le confédéré de Fribourg 24. November 1876. Abgerufen am 20. März 2024.
↑A Genève. In: Le confédéré de Fribourg 19. Oktober 1883. Abgerufen am 20. März 2024.
↑Telegramme: Bern. In: Neue Zürcher Zeitung 5. Juni 1884. Abgerufen am 24. März 2024.