Im Frühsommer 2021 äußerte US-Präsident Joe Biden in einer öffentlichen Rede bei einer Zusammenkunft mit US-Truppen auf dem britischen Militärflugplatz RAF Mildenhall, er wünsche angesichts der tiefgreifenden Spannungen in den Beziehungen mit Russland ein direktes Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er wolle diesem die Sicht der US-Regierung auf verschiedene strategische Probleme der letzten Jahre und auf die Menschenrechtssituation in Russland darlegen.[3]
Kurz danach einigten sich die Regierungen beider Staaten auf ein Treffen der Staatspräsidenten. Sie wählten auf den Vorschlag der Schweizer Regierung hin Genf als Tagungsort. Die Bezeichnung in der USA lautete zunächst «Geneva Summit» und wurde erst wenige Tage vor dem Treffen in «U.S.–Russia Summit» geändert.[4]
Wenige Wochen blieben für die Planung. Der Kanton Genf und die Stadt, Bundesbehörden und die Schweizer Armee bereiteten den Aufenthalt und die Betreuung der Konferenzteilnehmer, ihrer zahlreichen Begleiter und einer großen Zahl Medienschaffender vor. Sie hatten dabei den hohen Erwartungen der russischen und US-amerikanischen Sicherheitsorgane zu entsprechen. Wegen der Nähe der Staatsgrenze zu Frankreich arbeiteten die Schweizer Behörden eng mit französischen Sicherheitskräften zusammen. So übernahm Frankreich die Überwachung des Luftraums auf seinem Staatsgebiet, während die Schweizer Luftwaffe über eigenem Territorium ein Flugverbot rund um den Tagungsort überwachte.[5][6][7]
Nach Absprache zwischen Schweizer Behörden mit Vertretern beider Staaten wurde das historische Landhaus im Parc La Grange als Ort für das Gipfelgespräch festgelegt. Das weitläufige Areal des Parc La Grange wurde mit Barrikaden gesichert und überwacht und die Villa La Grange für das Gespräch vorbereitet; so mussten auf US-Wunsch die dafür vorgesehenen Räume im historischen Bauwerk klimatisiert werden. Die Umgebung des Hotels Intercontinental – wo Biden vom 15. zum 16. Juni übernachtete – war für Passanten abgesperrt, während der Tagung auch das Stadtzentrum am Genfersee. Die Schifffahrt, das Fliegen von Drohnen sowie Demonstrationen wurden eingeschränkt.[8]
Besondere Vorkehrungen betrafen den internationalen Flughafen Genf Cointrin, über welchen der kommerzielle Reiseverkehr auch während des Gipfeltreffens mit nur geringen Unterbrüchen weiter lief. Die Abstellplätze der zahlreichen Spezialflugzeuge aus den USA und Russland waren besonders gesichert. Die Schweizer Armee schützte den Flughafen mit einem eigens dafür eingesetzten Bataillon.[9][10]
Am Quai Gustave-Ador errichtete der Kanton Genf ein Medienzentrum mit einer Tribüne, von wo aus die Journalisten und Journalistinnen die Konvois der Präsidenten und die Ereignisse im Parc La Grange beobachten konnten.[11] Nur die bei der russischen oder der US-amerikanischen Regierung akkreditierten Medienschaffenden waren zu den Presseterminen bei der Villa La Grange und dem Hôtel du Parc des Eaux-Vives zugelassen.
Die zunehmende diplomatische Krise zwischen beiden Staaten führte dazu, dass Russland im März 2021 den Botschafter bei den Vereinigten Staaten aus Washington, D.C. zurückbeorderte und im April 2021 den US-Botschafter in Moskau zur Rückkehr in die USA aufforderte.[14] In Genf ging es nun darum, diese Spannungen zu entschärfen.
Im Vorfeld des Gipfeltreffens liessen die beiden Staatspräsidenten über die Medien hohe Erwartungen an den Gesprächspartner veröffentlichen und hielten sich mit Vorwürfen an die Regierungen der jeweils andern Seite wegen politischen Vorgängen in den letzten Jahren nicht zurück.[15][16] Für Präsident Biden bildete der Aufenthalt in Genf den Abschluss seiner ersten Auslandsreise, bei der er zuvor am G7-Gipfel im britischen St Ives und dem NATO-Gipfeltreffen in Brüssel teilnahm. Biden erklärte im Vorfeld in einem Artikel in der Washington Post seine Absicht, mit dieser Reise den Zusammenhalt der demokratisch regierten Staaten zu festigen.[17]
Ablauf
Biden reiste bereits am Vortag von Brüssel nach Genf,[18][19] während Putin den Tagungsort erst am 16. Juni erreichte. Am Abend des 15. Juni fand in Genf ein Gespräch zwischen Biden und Blinken mit dem Schweizer BundespräsidentenGuy Parmelin sowie dem EDA-VorsteherIgnazio Cassis statt.
Am frühen Nachmittag des 16. Juni begrüsste Parmelin seine beiden Kollegen Biden und Putin vor der Villa La Grange offiziell als Gäste der Schweiz.[20]
Nach den Gesprächen der Präsidenten und derer Begleitpersonen in der Villa La Grange – die ungefähr dreieinhalb Stunden dauerten – informierten nacheinander Putin auf einer Pressekonferenz in einem Medienzentrum im Park La Grange und Biden in einem ähnlichen Rahmen unmittelbar daneben im Parc des Eaux-Vives über das Treffen. Vor der Abreise traf Putin Parmelin ebenfalls zu einem Gespräch.
Ergebnisse
Die Präsidenten vereinbarten die baldige Rückkehr der Botschafter auf ihre Posten und die Aufnahme von Gesprächen zwischen den Verwaltungen beider Staaten, um die Problemfelder in den bilateralen Beziehungen und besonders die Gefahr von Cyberattacken zu untersuchen. Sie bezeichneten in den separaten Pressekonferenzen einerseits das Gipfelgespräch als offen und sachlich, während andererseits in vielen wesentlichen Fragen keine Annäherung stattgefunden habe.[21]
Noch am 16. Juni veröffentlichten das Weiße Haus und der Kreml eine gleichlautende Erklärung über den in Genf vereinbarten Dialog betreffend die Rüstungskontrolle und strategische Stabilität.[22] Beide Seiten veröffentlichten zudem das Wortprotokoll ihrer Pressekonferenz nach dem Gipfeltreffen[23] sowie ein Statement zu ihrem Treffen mit dem Schweizer Bundespräsidenten.[24]
Kritik
Am 15. und 16. Juni fanden verschiedene Protestveranstaltungen auf dem großen Genfer Platz Plaine de Plainpalais statt. Unter anderem versammelten sich Personen aus Syrien und Armenien, um gegen die russische Politik in Bezug auf diese Staaten zu protestieren. Eine Demonstration russischer Staatsbürger verlangte das Ende der Repressionen gegen Alexei Nawalny durch die russische Regierung.
Die Genfer Behörden verweigerten im Vorfeld des Gipfeltreffens mehreren Kundgebungen die Bewilligung, was zum Vorwurf der Grundrechtseinschränkung führte.[25]