Eine Gaszentrifuge, oder auch Gas-Ultrazentrifuge genannt, ist eine Zentrifuge, die der physikalischen Trennung verschieden schwerer Gase mit Hilfe der Trägheit dient. Gaszentrifugen sind wesentliche Einrichtungen im nuklearen Brennstoffkreislauf zur Anreicherung von Uran für die Verwendung in Kernreaktoren.
Sie wird industriell unter anderem bei der Uran-Anreicherung eingesetzt, um gasförmiges Uranhexafluorid in Fraktionen mit höherem Anteil an 238U auf der einen sowie einem höheren Anteil am etwas leichteren 235U auf der anderen Seite zu trennen.
Zur nennenswerten Anreicherung muss eine große Anzahl von Gaszentrifugen hintereinandergeschaltet werden. Das in Spuren vorhandene 234U, welches aus 238U entsteht (Alphazerfall des 238U gefolgt von zwei Betazerfällen), wird dabei sogar verhältnismäßig noch stärker angereichert als 235U, was zum „Fingerprinting“ von Uran aus Wiederaufarbeitung genutzt werden kann.
Die physikalische Trennung der Isotope anhand ihrer Atommassen ist erforderlich, da ihre chemischen Eigenschaften so gut wie identisch sind und daher chemische Verfahren wie Reduktion oder Ausfällung nicht anwendbar sind.
Aufgrund der sehr geringen Masseunterschiede der verschiedenen Isotope muss eine Gaszentrifuge mit sehr hohen Drehzahlen arbeiten und aus hochfesten Werkstoffen bestehen. Laut dem „Lexikon für Physik“[1] hat eine Zentrifuge mit einer Drehzahl von 76.000/min und einem Radius von 6,5 cm einen Anreicherungsgrad von 1,16.
Gegenüber anderen Anreicherungsverfahren erfordern Gaszentrifugen einen geringeren Energieeinsatz. Er beträgt etwa 200 kWh/kg angereichertem Uran[1] und ist im Vergleich zu dessen bei der Spaltung freiwerdender Energie vernachlässigbar.
Geschichte
Die Konstruktion der Zentrifugen ist technisch anspruchsvoll und spielte in der Zeit des Kalten Krieges eine große Rolle im Wettlauf zur Entwicklung von Kernwaffen. Im Zweiten Weltkrieg spielte hingegen die Gasdiffusionsmethode eine primäre Rolle, z. B. an Standorten Paducah oder Oak Ridge (K-25).
Gaszentrifugen wurden ab 1945 in der Sowjetunion maßgeblich durch den nach Sochumi verbrachten deutschen Wissenschaftler Max Steenbeck bis zur technischen Anwendbarkeit entwickelt und sind heute das Standardverfahren zur Urananreicherung. Die Technik wird ebenfalls mit dem Ingenieur Jesse W. Beams und Gernot Zippe in Verbindung gebracht.
Der deutsche Physiker Fritz Lange entwickelte ebenfalls ein Verfahren, genannt „ZD-Trennrohr“ bzw. Zirkulationsdiffusions-Rohr, welches aber keine Gaszentrifuge war, sondern auf Diffusion und Strömung beruhte. Er hatte sein Wissen im sowjetischen Atomprojekt auch in Bezug auf die Separation von Uranisotopen angewendet. Das Verfahren wurde jedoch für biologische Zwecke angepasst, insbesondere für die die Fraktionierung von Makromolekülen und die Trennung von Biomolekülen.[2]
Die USA hielten nach dem Zweiten Weltkrieg die „Dual-Use Technologie“ der Gaszentrifugen sogar vor Verbündeten geheim, so dass Kanada als zweites Land, dessen (Forschungs-)Kernreaktoren Kritikalität erreichten, sich gezwungen sah, den Schwerwasserreaktor vom Typ CANDU zu entwickeln, welcher mit Natururan betrieben werden kann.
Heute sind Gaszentrifugen Teil des nuklearen Brennstoffkreislaufs und ermöglichen die Anreicherung von Uran für verschiedene Reaktortypen. Weltweit gibt es nur wenige Unternehmen, die diese Technologie beherrschen und kommerziell betreiben.
Hintergrund: Der Iran hat im Zuge der Genfer Atomkonferenz und der Atoms for Peace Rede sein ziviles Atomprogramm 1957 gestartet.[3] Es wurde ein Forschungszentrum und Forschungsreaktor errichtet und kommissioniert. Im Jahr 1974 unterschrieb der Iran, als einer der Staaten, die den Atomsperrvertrag (NVV) unterschrieben haben, das NPT-Safeguards Agreement,[4] welches der Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) die Inspektion von Nuklearanlagen ermöglicht. Zu nennen ist hier das Kernkraftwerk Bushehr, an dessen Bau auch die deutsche Kraftwerk Union (KWU) beteiligt war.
Im Jahr 2002 wurden Details zu einem bisher unbekannten Atomprogramm bzw. Nuklearanlagen bekannt. Die neuen Anlagen sind in Natanz und eine Produktionsanlagen für schweres Wasser in Arak. Die Letztere ist auf dem Gelände des Reaktors IR-40. Der damalige Präsident Chātami bestätigte diese Informationen und lud die IAEO zu Kontrollen ein. Seitdem gibt es kontroverse Informationen über das Nuklearprogramm des Iran hinsichtlich einer zivilen oder möglichen militärischen Nutzung der Kernenergie. Eine besondere Rolle spielen dabei eine oder mehrere unterirdische Urananreicherungsanlagen. Als kritisch gilt dabei die Anreicherung von Uran-235 auf über 20 %. Für Kernwaffen sind jedoch über 80 % erforderlich.
Im Jahr 2010 wurden iranische Anlagen mit Gaszentrifugen durch den ComputerwurmStuxnet angegriffen. Durch die von außen veränderte Drehzahl wurden zahlreiche Zentrifugen destabilisiert und zerstört.[5]
Die IAEO und die „P5+1-Staaten“ versuchen, mit dem Iran ein Abkommen zur zivilen Nutzung der Kernenergie auszuarbeiten. Seit 2015 wird an dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) gearbeitet, der auf dem Vorgänger, dem Iran nuclear deal framework, aufbaut.
Am 13. September 2024 veröffentlichte die staatliche Nachrichtenagentur Korean Central News Agency einen bisher unbekannten Einblick in eine Anlage zur vermuteten Anreicherung von Uran.[6] Es gibt keine weiteren Informationen zu der Anlage. Als Experte des Atomprogramms von Nordkorea, welcher das Land und ein Teil seiner Anlagen bereits besucht hat, gilt der Kernwaffen- und Plutoniumexperte Siegfried Hecker.
Kommerzielle Entwicklungen
Im Jahr 2023 wurde eine kommerzielle (zivile) Urananreicherungsanlage, die erste in Jahrzehnten, in den USA eingeweiht. Die Anlage befindet sich in Piketon. Sie wird von der Firma Centrus Energy und dem Teilunternehmen American Centrifuge Operating betrieben.[7]
Literatur
Siegfried S. Hecker: Hinge Points: An Inside Look at North Korea’s Nuclear Program. Stanford University Press, Stanford, California 2023, ISBN 978-1-5036-3445-9 (englisch).
Pantelis F. Ikonomou: Global Nuclear Developments: Insights from a Former IAEA Nuclear Inspector. Springer International Publishing, Cham 2020, ISBN 978-3-03046996-2, doi:10.1007/978-3-030-46997-9 (englisch).
↑Dieter Hoffmann: Fritz Lange, Klaus Fuchs, and the Remigration of Scientists to East Germany. In: Physics in Perspective. Band11, Nr.4, Dezember 2009, ISSN1422-6944, S.405–425, doi:10.1007/s00016-009-0427-5 (englisch, springer.com [abgerufen am 17. September 2024]).
↑Stuxnet - Software gegen Atome.Heinz Nixdorf MuseumsForum, 16. Juni 2020, abgerufen am 30. Juli 2021: „Das Schadprogramm ließ die Zentrifugen abwechselnd schneller und langsamer rotieren, ohne dass es die iranischen Ingenieure bemerkten. Nach einiger Zeit fielen die Geräte irreparabel aus.“