Fritz Kummer wurde am 1. Juni 1875 in Albrechts als Sohn eines sozialdemokratisch orientierten Nagelschmieds geboren. Er erlernte in Suhl – nach anderen Angaben: in Erfurt[1] – das Schlosserhandwerk. Frühzeitig schloss er sich der Arbeiterbewegung an. 1898 wählte ihn der deutsche Arbeiterverein in Genf zu seinem Präsidenten.[2] Kummer war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Von 1900 bis 1903 war er Auslandskorrespondent der sozialdemokratischen Zeitung „Vorwärts“. Aus der Schweiz zog Kummer weiter nach Belgien,[3] wo er wohl in den Jahren 1902/1903 gelebt[4] und u. a. auch für die sozialdemokratische Wochenzeitschrift „Die Neue Zeit“ geschrieben hat. Er muss (vor seiner Weltreise) zeitweilig auch in Österreich[5] und in Frankreich gelebt und gearbeitet haben.[6]
Wahrscheinlich zwischen 1907 und 1911 – der genaue Zeitraum seiner Reise ist heute nicht mehr bekannt – unternahm Kummer eine dreijährige Weltreise,[7] mit längeren Aufenthalten vor allem in den USA, aber auch in Japan. Er stach von Bremerhaven aus auf dem Dampfschiff Fidelia der Reederei „Norddeutscher Lloyd“ nach New York City in See.[8] und durchquerte dann die USA von ihrer Ost- zur Westküste, wobei er u. a. durch Pittsburg, Chicago, St. Louis, Denver und Salt Lake City kam und schließlich San Francisco erreichte. Kummer besuchte anschließend Hawaii, das damals noch nicht zu den USA gehörte und auch als die (nördlichen) Sandwich-Inseln bezeichnet wurde.
Über seine Reise verfasst Fritz Kummer das Buch „Eines Arbeiters Weltreise“, das in erster Auflage im Jahr 1913 im Verlag von Alexander Schlicke & Co. in Stuttgart erschien, dem Verlag der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall), der auch die „Metallarbeiter-Zeitung“ verlegte. Die zweite Auflage (11.–16. Tausend) seines Reiseberichts erschien im Dezember 1924 in der Thüringer Verlagsanstalt und Druckerei in Jena. Ein Neudruck, herausgegeben von Horst Groschopp, erschien 1984 im Gustav Kiepenheuer Verlag in einer Auflage von 8.000 Exemplaren[10]. In seinem Reisebericht schildert Kummer detailliert die Lebensumstände und Lebensweise der Arbeiterschaft der von ihm bereisten Staaten sowie ihre politische und gewerkschaftliche Organisation. In seinem Bericht aus den USA beschreibt er unter anderem auch die Lage der deutschen Einwanderer.
Kummers Reisebericht ist mit mehr als hundert, zu einem großen Teil von ihm selbst aufgenommenen Fotografien illustriert.
Bereits seit 1900 und bis 1925 arbeitete Kummer als Mitarbeiter verschiedener europäischer und amerikanischer Arbeiterzeitungen und -zeitschriften. Auch unterwegs schrieb und versandte er Artikel, die teils unter seinem Pseudonym „Chagrin“ (frz. f.: Kummer) erschienen.[11] Bereits vor Antritt seiner Reise beherrschte Kummer die französische Sprache und lernte spätestens auf der Reise auch Englisch.[11] Nach Rückkehr von seiner Weltreise war Kummer in Frankfurt am Main von 1911 bis 1913 Beisitzer im Vorstand des Metallarbeiterverbandes.[12] Über Kummers Verbleib während des Ersten Weltkriegs ist wenig bekannt. Möglicherweise war er als Schlosser in einem metallverarbeitenden Betrieb tätig, der Granaten herstellte.[13]
Kummer gehörte zu den Unterzeichnern des „Appeal to British fair play“ aus dem Jahr 1920, der sich gegen einzelne Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages richtete.[14][15] Im Oktober 1921 wurde Kummer Schriftleiter der auflagenstarken „Metallarbeiter-Zeitung“.[16] Mit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Januar 1933 wurde die politische Lage in Deutschland für den sozialdemokratischen Gewerkschafter Kummer gefährlich. Er wurde im Mai 1933 für zwei Monate in „Schutzhaft“ genommen und kam in ein Konzentrationslager im Steinbruch bei Bad Sulza. Danach konnte Kummer in die Tschechoslowakische Republik (ČSR) fliehen. Nach einer kurzen Tätigkeit als Redakteur in Prag floh er 1934 in die USA.[17] Im September 1937 kam Fritz Kummer bei einem Verkehrsunfall in seinem New Yorker Exil ums Leben. 1938 wurde er von den Nazis in Abwesenheit zum Tode verurteilt.[17]
Publikationen (Auswahl)
Kummer, Fritz, Die Erfolge der belgischen Sozialisten: Die belgischen Wahlen[18]
Kummer, Fritz, Die Gewerkschaftsbewegung Belgiens[19]
Chagrin [= Kummer, Fritz], Über die Kunst der Metallbearbeitung[20]
Kummer, Fritz, Zu Nogis Tod (über Kiten Nogi, einen japanischen Feldmarschall, der am 12. September 1912 durch rituelle Selbsttötung bei der Leichenfeier für den japanischen Kaiser Mutsuhito aus dem Leben schied).[32]
Kummer, Friedrich, in: Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Band 1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben. München: Saur 1980, S. 403
Einzelnachweise
↑Horst Groschopp, „Der »proletarische Weltenbummler« F. Kummer. Zur deutschen Arbeiterreiseliteratur bis 1933“, in: Weimarer Beiträge (WB), Aufbau-Verlag 1985, H. 12, S. 2030
↑Indiz (wenn auch kein Beweis) dafür ist die Tatsache, dass Fritz Kummer in den Jahren 1902 und 1903 Artikel über Wahlen und Gewerkschaften in Belgien in der sozialdemokratischen Wochenzeitschrift „Die Neue Zeit“ veröffentlicht hat
↑„Allgemein gesprochen, sind die Behausungen der fremden Proletarier des pennsylvanischen Industriegebietes besser als ihr Ruf. Ich habe in Belgien, Österreich und Deutschland in schlechteren gewohnt.“, schreibt Fritz Kummer in: Eines Arbeiters Weltreise, 2. Auflage, Jena 1924, Thüringer Verlagsanstalt und Druckerei G.m.b.H, im Kapitel Die Koysten der Weltreise auf Seite 98
↑„In Frankreich wurde durch die Freundlichkeit meiner Schraubstock-Kollegen die blöde, in der preußischen Schule eingeimpfte Abneigung gegen den »Erbfeind« in Zuneigung für ihn verwandelt;…“, schreibt Fritz Kummer in: Eines Arbeiters Weltreise, 2. Auflage, Jena 1924, Thüringer Verlagsanstalt und Druckerei G.m.b.H, im Kapitel Die Koysten der Weltreise auf Seite 417
↑siehe: Das Bundesarchiv, BStU, Ministerium für Kultur [der DDR] - Teil 3: HV Verlage und Buchhandel - Druckgenehmigungsvorgänge - 1 Druckgenehmigungsvorgänge zu Publikationen von Verlagen in der DDR 1947 - 1991 - 1.4 alphabetisch nach Verlagen 1953 - 1991 (darunter alphabetisch nach Autoren oder nach Titeln) – 1.4.1 belletristische Verlage (digitalisiert) – 1.4.1.7 Gustav Kiepenheuer Verlag Leipzig und Weimar – DR 1/3704 Gustav Kiepenheuer Verlag Leipzig und Weimar, 1987 https://www.bundesarchiv.de/digitalisate/dr1_druck/DR_1_3704/DR_1_3704_177.png
↑1. Auflage: 1913 im Verlag von Alexander Schlicke & Co. in Stuttgart 1913; 2. Auflage (11.–16. Tausend): Dezember 1924 in der Thüringer Verlagsanstalt und Druckerei in Jena 1924. Neudruck, herausgegeben von Horst Groschopp, im Gustav Kiepenheuer Verlag, Berlin und Weimar, 1986
↑in: Mathias, Regine; Kudō, Akira; Tajima, Nobuo; Pauer, Erich (Hrsg.), Japan and Germany : two latecomers to the world stage, 1890 - 1945, (3 Bände), Verlag: Global Oriental, Kent 2009, ISBN 978-90-04-21788-1, S. 406–430
↑Neuausgabe von 1986 im Verlag Gustav Kiepenheuer, Berlin und Weimar, 1986, ab S. 398, Zur Biographie Fritz Kummers ab S. 402 (S. 5 der PDF-Datei)
↑in: Mitteilung des Internationalen Metallarbeiterbundes, Bern 14, 1. Januar 1938, S. 1
↑hrsg. vom Rat des Bezirkes Suhl, Abteilung Kultur, Ausgabe Nr. 7, 1986, S. 5