Vischer wurde als Sohn des evangelischen Stadtpfarrers von Ludwigsburg – im Range eines Oberhelfers (vgl. Superintendent) – Christian Friedrich Benjamin Vischer und der Christiane Stäudlin, Schwester des Dichters Gotthold Stäudlin geboren. Der Vater war ein frei denkender Theologe, humorvoll, wohlwollend und erzog seine Kinder mit Liebe und Strenge. Als württembergischer Patriot hasste er Napoleon und schrieb leidenschaftliche Gedichte gegen den Imperator. Während seines Einsatzes als Militärseelsorger erkrankte er an Flecktyphus und starb 1814, 46 Jahre alt. Die Stadt Ludwigsburg errichtete ihm zu Ehren ein Grabdenkmal.
Die Mutter musste das Pfarrhaus verlassen und bezog mit den Kindern in Stuttgart einige Dachzimmer in der Hospitalstraße. Vischer besuchte das Eberhard-Karls-Gymnasium und lernte dort vor allem Latein und das Verfassen lateinischer Texte. Er hatte eine Neigung für die Malerei und das Theater. Die Mutter ermöglichte ihm in Werkstätten von Künstlern, die sie kannte, eigene Malversuche zu machen und am Stuttgarter Theater Vorstellungen zu besuchen. Doch reichte seine Begabung nicht aus – wie der Maler Eberhard von Wächter meinte –, um Maler zu werden. Außerdem forderten die ärmlichen finanziellen Verhältnisse der Familie, einen einträglichen Beruf anzustreben.
Vischers Kusine Emilie Vischer (1799–1881) heiratete 1820 Ludwig Uhland.[2]
Vischer sollte wie der Vater Pfarrer werden. Ab 1821 besuchte er mit David Friedrich Strauß, einem Freund aus Ludwigsburg, das niedere Seminar Blaubeuren für zukünftige Pfarrer. Hier wurde er bei freier Unterkunft und Verpflegung in einer gymnasialen Oberstufe aufs Abitur vorbereitet, das Vischer 1825 ablegte. Während seiner Zeit in dieser evangelischen Klosterschule fiel er durch seinen Witz und Humor sowie durch sein zeichnerisches Talent, v. a. mit Karikaturen auf.
Nach dem ersten Examen ging Vischer in das Vikariat nach Horrheim. 1831 wurde er Repetent am Evang.-theol. Seminar in Maulbronn. Nach der Promotion begab er sich auf eine Magisterreise über Göttingen, Berlin, Dresden, Prag und Wien nach München. 1834 wurde Vischer Repetent am Tübinger Stift, wozu er eine erfolgreiche Bewerbung auf eine Pfarrstelle in Herrenberg rückgängig machen musste. Bei Antritt der Repetentenstelle war Vischer innerlich bereits der Universitätstheologie entfremdet.
Vom Sommer 1839 bis in den Herbst 1840 bereiste Vischer Italien und Griechenland und hielt darauf dann Vorlesungen zur Kunstgeschichte und Malerei, aber auch viel beachtete Kollegien zu Goethe, insbesondere zum Faust, und über Shakespeare. 1844 wurde er zum ordentlichen Professor ernannt und erhielt den neu geschaffenen Lehrstuhl für Ästhetik und deutsche Literatur. Das in der Antrittsvorlesung hervorgebrachte Bekenntnis zum Pantheismus führte zu einer zweijährigen Suspendierung bei vollen Bezügen.
Politik
Eine kurz darauf folgende erste Sammlung politischer Beiträge erschien unter dem Titel Kritische Gänge. Sie wurde nach der Veröffentlichung indiziert. Ab 1847 hielt Vischer wieder Vorlesungen. 1848 wurde er als Abgeordneter der OberamtsbezirkeReutlingen/Urach für die Linksdemokraten in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt.
Familie
Vischer heiratete 1844 Thekla Heinzl (1812–1878). Das Paar hatte zwei Söhne, von denen der erste sehr früh verstarb. Der zweite, Robert Vischer, war Kunsthistoriker und Ästhetiker und gab posthum Schriften seines Vaters heraus. Das Ehepaar trennte sich 1855.[4][5]
In den Jahren 1858 und 1860 unternahm Vischer weitere Studienreisen nach Italien. 1862 begab er sich zu einem Kur-Aufenthalt nach Norderney. In diesen Jahren verfasste er die Satire auf Goethes Faust II mit dem Titel Faust. Der Tragödie dritter Teil.
1879 erschien der bei den zeitgenössischen Rezensenten heftig umstrittene RomanAuch Einer, in dem er unter anderem den Ausdruck „Die Tücke des Objekts“ prägte.
Darüber hinaus schrieb Vischer das Theaterstück Nicht Ia in schwäbischer Mundart, in dem er die Prüfung und Anstellung eines württembergischen Pfarrers satirisch darstellte. Dieses Stück erschien zuerst 1884 und erlebte mehrere Auflagen.
1864 wurde Vischer in die Königlich Bayerische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. 1866 wurde er erneut als ordentlicher Professor nach Tübingen berufen. 1867, 1870 und noch einmal 1881 unternahm Vischer weitere Reisen in den Norden Italiens. 1870 erfolgte eine (erfolglose) Kandidatur für den württembergischen Landtag. Im selben Jahr verlieh ihm der Württembergische König das Ritterkreuz I. Klasse des mit dem Personaladel verbundenen Orden der Württembergischen Krone. Anlässlich seines 80. Geburtstages erhielt Vischer von König Karl das Komturkreuz des Friedrichsordens. Vischer, der bis ins hohe Alter lehrte, verstarb auf dem Weg nach Venedig in Gmunden nach einer schweren Infektion.
Ueber das Erhabene und Komische und andere Texte zur Philosophie des Schönen. Imle & Krauß, Stuttgart 1837.
1844: Kritische Gänge
1846: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen. 6 Teile
1860: Kritische Gänge. Neue Folge. 6 Hefte
1862: Faust. Der Tragödie dritter Theil. Treu im Geiste des zweiten Theils des Goethe’schen Faust gedichtet von Deutobold Symbolizetti Allegoriowitsch Mystifizinsky.
Theodor Klaiber: Friedrich Theodor Vischer. Eine Darstellung seiner Persönlichkeit und eine Auswahl aus seinen Werken. Strecker & Schröder, Stuttgart 1920 (Digitalisat).
Barbara Potthast, Alexander Reck: Friedrich Theodor Vischer. Leben – Werk – Wirkung. Heidelberg 2011 (Beihefte zum Euphorion 61).
Petra Mayer: Zwischen unsicherem Wissen und sicherem Unwissen. Erzählte Wissensformationen im realistischen Roman: Stifters 'Der Nachsommer' und Vischers 'Auch Einer'. Bielefeld 2014.
Fritz Schlawe: Friedrich Theodor Vischer. Stuttgart 1959.
Gustav Keyßner (Hrsg.): Einleitung zu Ausgewählte Werke, Bd. 3 (1918), S. 9–122.
Friedrich T. Vischer: Mein Lebensgang. In: Kritische Gänge, Bd. 6 (1922), S. 439–505.
Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 6: T–Z. Winter, Heidelberg 2005, ISBN 3-8253-5063-0, S. 138–140.