Der Schlüsselraum Murten, zwischen dem Jura und der Saane bei Laupen, bildet ein Engnis («Passage obligé») auf der Hauptdurchgangsachse vom Genfer- zum Bodensee. Der Raum wird von den beiden Hügelzügen Jolimont und Mont Vully beherrscht. Hier hatten zwischen 200 und 50 vor Christus die Helvetier befestigte Plätze (Oppidum von Bas-Vully) errichtet. Die Römer bauten in Aventicum den Hauptort der römischen Civitas Helvetiorum und die Zähringer zur Kontrolle dieses Schlüsselraumes Murten.
Die rund 30 km breite Passage zwischen Neuenburgersee und Saane war eine wichtige Verkehrsverbindung und militärstrategischer Ort zahlreicher nationaler und internationaler kriegerischer Aktionen: Laupenkrieg, Gefecht gegen die Gugler, Schlacht bei Murten, Franzoseneinfall und der Stecklikrieg bei Faoug.[1]
Während des Ersten Weltkrieges wurden die tief gestaffelten drei Abschnitte der Fortifikation Murten hintereinander im Gebiet Zihlkanal, Mont Vully, Murten-Laupen/Saane errichtet.
Der Fortifikationsabschnitt Jolimont zwischen Bieler- und Neuenburgersee bestand aus drei ausgebauten, gestaffelten Verteidigungslinien und hatte einen gegnerischen Übergang über den Zihlkanal zu verhindern. Die vorderste Linie bestand aus drei Infanterie-Stützpunkten und zahlreichen Maschinengewehr-Bunkern zum Schutz der Zihlübergänge. Die zweite Linie verlief durch das Niederholz nördlich von Gals und entlang dem Fuss des Jolimont. Die «Waldstellung» am Jolimont wurde ab 1916 als dritte und Hauptverteidigungslinie gebaut. Am südlichen Hinterhang des Jolimont wurden 1914 Artilleriebatterien gebaut.
In den Fortifikationsabschnitten Mont Vully und Murten–Saane bestanden die Verteidigungslinien aus auf sich gegenseitig deckenden Infanterie-Stützpunkten, die durch weiter hinten aufgestellte Artillerie unterstützt wurden. Sie hatten den Raum Mont Vully zwischen Neuenburger- und Murtensee zu sperren sowie einen Stoss zwischen Murtensee und Saanelauf bei Bösingen aufzufangen.[2]
Geschichte
Nach der Wahl zum Generalstabschef der Schweizer Armee nahm Theophil Sprecher von Bernegg 1906 wegen der zunehmenden Spannungen in Europa eine Beurteilung der Bedrohungslage für die Schweiz vor, wobei er zu folgenden Schlüssen kam: Deutschland würde von sich aus kein schweizerisches Gebiet verletzen, während Frankreich mit einem Umfassungsangriff durch die Schweiz in Richtung der unbefestigten deutschen Südgrenze vorstossen könnte. Die Dreiländergrenze befand sich damals im Jura bei Bonfol, weil das Elsass zu Deutschland gehörte.
Aufgrund dieser Analyse erarbeiteten Ingenieuroffiziere detaillierte Pläne für die Schlüsselräume West (Sperrstellung Murten) und Nord (Brückenkopf Olten mit der Fortifikation Hauenstein), die bis zum Kriegsbeginn 1914 bereit waren. Nach dem Krieg stellte sich heraus, dass die französische Armee im Dezember 1915 einen "Plan H" (H = Helvétie) mit einer Stossrichtung durch die Schweiz Richtung Süddeutschland entwickelt hatte[3].
Auftrag
Der Schaffhauser Ständerat und Milizoffizier Oberst Bolli wurde zum Kommandanten, der Generalstabshauptmann und spätere Divisionär Eugen Bircher zum Stabschef der Fortifikation Murten ernannt.
Der „Befehl für das Fortifikationskommando Murten“ wurde vom Generalstabschef am 8. August 1914 erstellt:
Die Aufgabe der Fortifikation Murten war der Schutz der Stadt Bern als Zugang zum schweizerischen Mittelland vor gegnerischen Angriffen über die Zihl und aus dem Kanton Waadt sowie die Schaffung von Operationsfreiheit für die Armee, damit sie bei einem Übergang zum Angriff östlich der Saane oder nördlich des Bielersees eine sichere Flankendeckung findet.
Die kürzeste Eisenbahn- und Strassenverbindung von Frankreich nach Bern führte durch das Val de Travers mit der 1901 eröffneten Eisenbahnstrecke über Pontarlier. Die 1913 eröffnete Eisenbahnstrecke Lötschberg-Simplontunnel liess sich als militärgeografisch wichtige Verkehrsachse (zweite Alpentransversale neben dem Gotthardtunnel) an der Zihl gut sperren.
Vorbereitung der Stellungen
Im September 1914 bauten rund 16.000 Milizsoldaten für die Fortifikation Murten mit Hindernissen umgebene Schützengrabensysteme in Halbmondform, Artilleriegeschütz-Batterien, Beton-Bunker für Maschinengewehre oder für Geschütze, unterirdische Mannschaftsunterkünfte und Munitionslager sowie in Fels gehauene Infanteriekampfstände mit Stollenanlagen.
Eine Entspannung an den Grenzen erlaubte die Einrichtung eines Ablösungsdienstes, um der Landwirtschaft und der Wirtschaft die notwendigen Arbeitskräfte wieder zur Verfügung zu stellen. Von Oktober 1914 bis 1917 war die Fortifikation mit durchschnittlich 2.000 Mann besetzt, die in den in Schulhäusern und Restaurants der umliegenden Dörfern untergebracht waren. Der Bau der Fortifikation Murten kostete zwischen 22 und 26 Millionen Franken nach heutigem (Jahr 2000) Wert.
Ausbesserungsarbeiten an einem Schützengraben, Twannberg
Kommandoposten Abschnitt II und Artillerie-Beobachtungsposten 118 Plan Châtel: Richtung West, Mont Vully (1939–1945 Fliegerbeobachtung) ⊙46.9640277.093311
Artillerie-Beobachtungsposten Plan Châtel: Richtung Murten-Saane, Mont Vully ⊙46.9633717.095931
sechs Unterkunftskasematten Plan Châtel, Mont Vully ⊙46.9637877.096216
Helvetischer Schutzwall, 100 v. Chr, Mont Vully ⊙46.9619547.091997
Artilleriestellung V Mont Vuilly ⊙46.9582337.084125
12-cm-Fussartillerie VI Sur les Planches , «Champ Ribaud», Mont Vully ⊙46.9595697.091658
Infanteriestützpunkt 10 Vuilly le Haut ⊙46.9590237.072243
Infanteriestützpunkt La Fin des Fourches 11 ⊙46.9554347.074948
Infanteriestützpunkt 12 Réduit du Vully ⊙46.9566917.07733
Infanteriestützpunkt Sur le Mont 13 ⊙46.9556477.082684
Infanteriestützpunkt «La Lamberta» 13, Mont Vully ⊙46.9540487.086544
Helvetischer Schutzwall (Oppidum)
Beobachtungsstand 118 Plan Châtel
12-cm-Artilleriestellung Champ Ribaud
Positionsgeschütz Artilleriestellung Mont Vully
Sandsteinhöhlen am Mont Vully: Fort de la Lombertaz, im Ersten Weltkrieg mit Kampf- und Beobachterständen, Munitionslager und Unterkunftshöhlen gebaut
Abschnitt Murten–Saane
Im gleichen Gebiet sind Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg vorhanden*
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Schlüsselraum Murten als vorgeschobene Stellung des Reduit mit zusätzlichen Verstärkungen aufgerüstet und von der Grenzbrigade 2 und der Leichten Brigade 1 betrieben. Die Murten-Stellung bildete einen Eckpfeiler der Vorgeschobenen Stellungen des Reduit. Am Mont Vully wurden neue, gegen Panzerkampfwagen wirksame Befestigungen gebaut. Die Bunkerlinie wurde etwas weiter westlich als die Linien der Fortifikation Murten angelegt. Im Rahmen der zweiten Juragewässerkorrektion wurde die Aufstauung der Seen im Kriegsfall geplant und teilweise realisiert. Dies hätte bei rechtzeitiger Auslösung eine massive Geländeverstärkung der Zihl- und Broyelinie durch Ueberflutung und Versumpfung bewirkt[5].
Im Kalten Krieg behielt der Raum Murten seine strategische Bedeutung. Das Motorinfanterie Regiment 2 der Mechanisierten Division 1 war für die Belegung des Infanterie Sperrriegels zwischen seinen beiden Panzerregimentern vorgesehen. 1987 wurde eine Werkkompanie als Besatzung für die im Aktivdienst 1939–1945 erstellten Anlagen aufgestellt. Mit der Armee 95 wurden die Werke ausgemustert[6].
Sperrstelle Jolimont BE
Die Sperrstelle besteht aus den Abschnitten Gampelen, Gals, Neuhaus, Erlach. Sie hatte den sieben Kilometer breiten Raum zwischen Neuenburger- und Bielersee zu sperren.
Infanteriebunker Weihermatten Nord Ouest A 1031 Gampelen ⊙47.017897.051034
Infanteriebunker Weihermatten centre A 1032 Gampelen ⊙47.0171827.051789
Gedeckte Schützengalerie und Beobachtungsbunker Hohlenreben Gampelen ⊙47.0197.04815
Infanteriebunker Vanelwald A 1034 Gampelen ⊙47.0105127.042421
Infanteriebunker Vanelwald A 1035 Gampelen ⊙47.0094087.04331
Infanteriebunker Vanelwald A 1036 Gampelen ⊙47.0095817.041231
Infanteriebunker Vanelwald A 1037 Gampelen ⊙47.008327.040636
Infanteriebunker Vanelwald A 1038 Gampelen ⊙47.0073297.040301
Infanteriebunker Chräjeberg Mg A 1027 Gals ⊙47.0234827.050139
Infanteriebunker Pak A 1028 Gals ⊙47.0228877.049643
Infanteriebunker sechseckig A 1065 Wartstude, Gals ⊙47.023337.05606
Infanteriebunker sechseckig A 1066 Wartstude, Gals ⊙47.022257.05623
Infanteriebunker sechseckig A 1067 Wartstude, Gals ⊙47.021817.05537
Infanteriebunker sechseckig A 1068 Wartstude, Gals ⊙47.0212497.054811
Infanteriebunker MG Beob A 1022 Neuhaus ⊙47.0374377.070221
Infanteriebunker Chlostermüli A 1023 Hauptwerk Neuhaus ⊙47.0381677.070571
Infanteriebunker sechseckig A 1044 Neuhaus ⊙47.0338077.071562
Infanteriebunker sechseckig A 1045 Neuhaus ⊙47.0343197.071216
Infanteriebunker sechseckig A 1046 Tüfelsburdi, Neuhaus ⊙47.034987.07318
Infanteriebunker sechseckig A 1047 Tüfelsburdi, Neuhaus ⊙47.034577.0727
Infanteriebunker sechseckig A 1048 Tüfelsburdi, Neuhaus ⊙47.034737.07236
Infanteriefestung A 1041 Hauptwerk mit 4 Bunkern mit Stollen verbunden, Chlosterwald ⊙47.0387237.078778
Sechseck-Bunker Chlosterwald 1 A 1041 ⊙47.0392187.07859
Mg-Bunker Chlosterwald 2 A 1041 ⊙47.0391877.077433
Mg-Bunker Chlosterwald 3 A 1041 ⊙47.0397477.078205
Sechseck-Bunker Chlosterwald 4 A 1041 ⊙47.0395977.079193
Infanteriebunker A 1020 Schloss Erlach ⊙47.044497.093833
Infanteriebunker Pak A 1021 Hauptwerk Erlach ⊙47.0436857.092364
GPH Gampelen
Beobachter Jolimont Mitte
Sechseckiger Infanteriebunker A 1048 Chlosterwald
Infanteriefestung A 1041 Chlosterwald
Infanteriebunker A 1020 Schloss Erlach
Sperrstelle Cudrefin-Vallamand VD
Mit dieser Sperrstelle wird die Verteidigungslinie, die im Ersten Weltkrieg zwischen Murten- und Neuenburgersee auf dem Mont Vully errichtet wurde, verdoppelt. Sie verbindet Cudrefin und Vallamand (Neuenburgersee und Murtensee) mit einem Panzerhindernis, auf das sich 15 Bunker richten, welche die Durchgänge und Strassen zu verteidigen hatten.[7]
Infanteriebunker A 1100 Cudrefin ⊙46.937686.987248
Infanteriebunker 1 Vers le Gibet A 1101: Mg, Infanteriekanone (Ik) ⊙46.9482877.006481
Infanteriebunker 2 Champmartin A 1102: Mg, Ik ⊙46.9467257.009738
Infanteriebunker 3 A 1103: Mg, Ik ⊙46.9419427.01503
Infanteriebunker 4 Planche à la Tanne A 1104 Hauptwerk: Mg, Ik ⊙46.9397997.016925
Infanteriebunker 5 Planche à la Tanne A 1105: 2 Mg, Lmg ⊙46.9390647.015289
Infanteriebunker 6 La Troche A 1107 Bas de Trimble ⊙46.9395037.019541
Infanteriebunker 7 La Troche A 1108 ⊙46.9398927.020273
Infanteriebunker 8 Bois de la Côte A 1106 Bas de Trimble ⊙46.9396277.023952
Infanteriebunker 9 Bois de l'Allou A 1111 Bas de Trimble ⊙46.9352947.027269
Infanteriebunker 10 Bois de l'Allou A 1115 Mg ⊙46.933427.031643
Infanteriebunker 11 Bois de l'Allou A 1116: Mg, Ik ⊙46.9347597.033616
Infanteriebunker 12 Vallamand-Dessous A 1119: Mg, Ik ⊙46.9333597.042504
Infanteriebunker 13 Vallamand-Dessous A 1120 ⊙46.9320937.044912
Infanteriebunker 13 Vallamand-Dessous A 1120 (oberhalb der Schweizerfahne)
Hans Rudolf Fuhrer: Die Schweizer Armee im Ersten Weltkrieg, Bedrohung, Landesverteidigung und Landesbefestigung. NZZ-Verlag, Zürich 1999
Hans Rudolf Fuhrer: Die Fortifikationen Hauenstein und Murten im Ersten Weltkrieg. In: Max Mittler (Hrsg.): Die Geschichte der Schweizerischen Landesbefestigung. Zürich 1992
Hans Rudolf Fuhrer, Jürg Keller: Schlüsselraum West. Bern 2005
Juri Jaquemet: Wenn durch des Jura’s Pforten der Feind in Massen dringt. Die Landesbefestigung gegen Westen im Seeland, Murtenbiet und am angrenzenden Jurasüdfuss 1815–1918. Historisches Institut der Universität Bern 2008
Günther D. Reiss: Die Fortifikation Murten 1914–1918 – eine behelfsmässig befestigte Stellung. In: Volker Schmidtchen, Volker (Hrsg.): Forschen Erhalten Pflegen Nutzen – Vom Umgang mit Wehrarchitektur. Wesel 1991
Juri Jaquemet: Befestigtes Seeland: Die Fortifikation Murten 1914–1918. Jahresheft «100 Jahre Fortifikation Murten» des Vereins Historische Militäranlagen, Freiburg/Bern 2014.