Ernst Klein besuchte das Gymnasium in Wien, Hamburg und Bremen. Nach der Mittleren Reife studierte er Jura und Geschichte in Wien und Paris. Im Jahr 1898 diente er als Einjährig-Freiwilliger im k. u. k. Infanterie-Regiment Nr. 43 und wurde Reserve-Offizier. Danach arbeitete er als Journalist in Wien und begann seine schriftstellerische Tätigkeit mit dem erfolgreichen Lustspiel Die Erziehung zum Don Juan.
Von Wien siedelte Klein nach Berlin über und arbeitete dort für den Berliner Lokalanzeiger. Unter Pseudonym verfasste er in seiner Berliner Zeit den Skandal von Graz[2] und weitere pornografische Romane für den Verleger Willy Schindler[3]; größeren kommerziellen Erfolg als die schnell beschlagnahmten Schindler-Privatdrucke hatten seine (ebenfalls unter Pseudonym verfassten) „Sensationsdramen“ wie Der seltsame Fall (nach StevensonsDr. Jekyll und Mr. Hyde), welches allein in Berlin über 350-mal aufgeführt wurde, und Der Selbstmörderklub. In der jüngeren Forschung wird aufgrund einer historischen und stilometrischen Untersuchung davon ausgegangen, dass er der Autor des anonym erschienenen pornographischen Romans Josefine Mutzenbacher ist.[1]
1908 war Klein als Korrespondent für den Berliner Lokalanzeiger und Moriz Benedikts Wiener Neue Freie Presse auf dem Balkan tätig und war dort Augenzeuge des Ausbruchs der jungtürkischen Revolution in Monastir. Im Sommer 1911 verfolgte er im Auftrag des Berliner Lokalanzeigers im Olymp die Bemühungen um die Befreiung des von Kleften entführten Jenaer Ingenieurs Edwart Richter. Im selben Jahr berichtete er vom Aufstand der Albaner im Kosovo. 1912 kehrte er als Leitartikler der NFP nach Wien zurück. Bei Ausbruch des ersten Balkankriegs im Oktober 1912 ging er als Korrespondent nach Sofia. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 berichtete Klein aus dem österreichisch-ungarischen Hauptquartier; später meldete er sich zur Front. Gegen Ende des Krieges war er als Leiter der österreichisch-ungarischen Propaganda in der Schweiz eingesetzt.
Nach der Kapitulation der Mittelmächte im November 1918 ging Klein wieder nach Berlin. Dort arbeitete er als Korrespondent der Basler Nachrichten und schrieb eine Vielzahl erfolgreicher Fortsetzungsromane für die Feuilletons Berliner Zeitungen. Ein Dutzend seiner Romane wurden in den 1920er Jahren auch verfilmt, darunter Titel wie Der Herr Generaldirektor, Die tolle Herzogin und Die Dame mit dem Tigerfell. Sein 1912 veröffentlichtes Drama Am Ende der Welt brachte es 1921 sogar zu einer amerikanischen Verfilmung (At the End of the World) unter der Regie des Malers Penrhyn Stanlaws.[4]
Klein stand dem nationalsozialistischen Regime kritisch gegenüber. Der deutsche Gesandte in der Schweiz Ernst von Weizsäcker intervenierte 1934 beim Chef der Basler NachrichtenAlbert Oeri, er solle Klein entlassen und durch einen „Arier“ ersetzen, was Oeri ablehnte.[5] Klein wurde dann im August 1935 als erstes Opfer einer Kampagne von Goebbels’ Propagandaministerium gegen missliebige ausländische Journalisten aus Deutschland ausgewiesen.[6] Er ging wieder nach Wien und emigrierte 1938 in die USA. Im Jahr 1940 veröffentlichte er Road to Disaster, ein Pamphlet gegen Hitlerdeutschland und das Preußentum.
(als „Fedor Essai“) Sadistische Novellen. o. O., um 1902.
(als „Fedor Essée“) Schlimme Mädchen. o. O., um 1906.
(als „L. Robinson“) Salon d’Albert. Flagellantische Mysterien eines Wiener Hauses. o. O., um 1907.
(als „Fedor Essée“) Ruten-Reigen. Familienszenen nach berühmtem Vorbild.[12] o. O., um 1909.
(als „Fedor Essée“) Geschichten von der Birkenrute. Verlag flagellantischer Bücher, o. O., um 1910.
(als „Fedor Essée“) Peitschen- und Liebesorgien. o. O., um 1920.
(als „Fedor Essée“) Kinderheilanstalt. Erotisch-flagellantische Novelle aus dem modernen Berlin. Einem Freunde nacherzählt. o. O., um 1920.
(als „F. Essée“) Schloß Minnebirk. o. O., 1921.
Pornografische Romane als Richard Werther etc.:
(unsicher, anonym) Josefine Mutzenbacher oder Die Geschichte einer Wienerischen Dirne von ihr selbst erzählt. [Erstausgabe.] Privatdruck [Wien], 1906.
(anonym) Der Skandal von Graz oder Der nackte Ball. Enthüllungen aus den Geheimnissen einer österreichischen Provinzhauptstadt. Graz 1907 (später auch als Das Tanzkränzchen im Evakostüm, Der Skandal in Graz und in umgearbeiteter Fassung als Der skandalöse Ball).
(als „James Grunert“[13]) James Grunert. Ein Roman aus Berlin W. Mit 6 Bildern von Emil Sartori. Schindler, Berlin 1908.[14]
(als „Richard Werther“) Durchtollte Nächte, durchjubelte Tage. Der Roman einer Berliner Lebedame. Schindler, Berlin 1908 (später auch als Lore. Das Liebesleben einer kleinen Berlinerin und Liebesnächte. Geständnisse einer Berliner „Fanny Hill“).
(als „W. v. St.“) Aus den Erinnerungen eines Detektivs. Erotische Abenteuer eines Kriminal-Kommissars. 2 Bände. Schindler, Berlin 1908 (später auch als Der lüsterne Detektiv).
(als „F. S.“) Die Beichte eines Sünders. Memoiren eines Erotomanen. Schindler, Berlin 1908.
(als „Richard Werther“) Das Freudenmädchen. Tagebuch einer Bordelldirne. Schindler, Berlin 1909.
(anonym) Bekenntnisse eines Schriftstellers. Schindler, Berlin 1909.
(als „Richard Werther“) Aus den Memoiren eines Arztes. Schindler, Berlin um 1909 (später auch als Denkwürdigkeiten aus den hinterlassenen Papieren eines Arztes, Aus dem Tagebuch eines Arztes und Erlebnisse eines Frauenarztes unter dem Pseudonym „Phesoy Reyewsch“[15]).
(als „X. Y. Z.“[16]) Comtesse Marga. Ein erotischer Roman aus der Wiener Gesellschaft. Schindler, Berlin 1909.
Übersetzungen klassischer Pornografie:
(als „Richard Werther“) Die Liebessektierer. Nach den Akten einer privaten französischen Gesellschaft von ***. Angeblich aus dem Französischen übersetzt. Band 1: Die Familie der Liebe. Band 2: Die Werberinnen. Schindler, Berlin 1908 (= Dokumente zur Sittengeschichte der Menschheit, Bd. 14).
(als „Richard Werther“) Flossie, die fünfzehnjährige Venus. Von Einem, der die entzückende Göttin gekannt und an ihrem Altar geopfert hat. Übersetzung von Flossie, a Venus of Fifteen. By One Who Knew This Charming Godess and Worshipped at Her Shrine[17]. Schindler, Berlin 1908 (= Dokumente zur Sittengeschichte der Menschheit, Bd. 15).
(als „Richard Werther“) „E. D.“: Das Glashaus. Sittenschilderungen aus der Zeit des 2. Kaiserreichs. Übersetzung von La maison de verre. Schindler, Berlin 1908.
(als „Tom Swift“) „Maurice Guy Vicomte de Varause“: Die lüsternen Schwestern. Übersetzung von Les nonnes lubriques. Fritz Freund, Wien 1910.
Anmerkungen
↑ abLaura Untner, Murray G. Hall: Josefine Mutzenbacher: Ein pornographischer Roman von Ernst Klein. In: Jahrbuch für Internationale Germanistik. Band55, Nr.1, 2023, S.1–28.
↑Der Berliner Verleger Willy Schindler gab unter dem Pseudonym „Dr. Willy Heine“ von 1906 bis 1911 eine Anzahl pornografischer Werke heraus, zum Teil in Reihen wie den Dokumenten zur Sittengeschichte der Menschheit. Die Bände erschienen als Privatdruck in Auflagen von 300 bis 500 Exemplaren, oft mit fiktiven Verlagsorten, und wurden an Mitglieder seiner Vereinigung deutscher und österreichischer Bibliophilen (ab 1908: Vereinigung zum Studium der Sexualwissenschaft) verkauft.
↑Stephan Schwarz: Ernst Freiherr von Weizsäckers Beziehungen zur Schweiz (1933–1945). Ein Beitrag zur Geschichte der Diplomatie. Bern : Lang, 2007, ISBN 978-3-03911-207-4, S. 167f.
↑Im Ausstellungskatalog Österreichische Autoren in Amerika: Geschick und Leistung der österreichischen literarischen Emigration ab 1938 in den Vereinigten Staaten (Amerika-Haus, Wien 1970) werden noch zwei weitere Romane aufgeführt (Die Tochter des Valero, ohne Jahr, und Schüsse am Genfer See, 1932), die aber als Buchausgaben nicht nachweisbar sind.
↑Der Spielfilm Die Schuld der Lavinia Morland entstand 1920 unter der Regie von Joe May, der dann 1926 die Verfilmung von Kleins Roman Derby (Regie: Max Reichmann) produzierte.
↑Die Zuschreibung dieses Romans ist nicht völlig sicher: Im selben Verlag erschien zwar 1931 auch eine Neuauflage von Die Schuld der Lavinia Morland, von 1932 bis 1936 (und danach in anderen Leipziger Verlagen) dann aber eine Serie von Abenteuerromanen eines Autors Ernst Klein, die wohl einen anderen Verfasser haben. Die Reihe umfasst die Romane Der Mann mit den vielen Namen (1932), Die schwarze Drei (1933), Die Weiberfarm (1935), Der Geächtete (1935), Pronto (1935), Jim räumt auf (1936), Die Schatzgräber (1936), Umweg zu Isabel (1937), Hank Reds Vermächtnis (1937), Jeff Durands Millionen (1937), Hallo, Meggy, aufgepaßt! (1938), Frank Skinners Gäste (1938), Die Nacht zum 4. August (1938), Der singende Berg (1938) und Der Mann ohne Namen (1939). Im Kürschner (Werner Schuder: Kürschners Deutscher Literatur-Kalender: Nekrolog 1936–1970. de Gruyter, Berlin 1973, ISBN 3-11-004381-5) wird als Autor dieser Werke ein Ernst Klein (* 5. Juli 1907 in Metz; † um 1949 in Stuttgart), Redakteur in Recklinghausen, angeführt, der auch 1934 ein Glorifizierungsheftchen Das Werk der ersten Bannerträger des Nationalsozialismus in Recklinghausen publizierte. Noch unklarer ist die Autorschaft des 1939 erschienenen Werks Der Tor von Nazareth (1939), das mehrfach und unplausibel dem österreichischen Klein zugeschrieben wurde.
↑Die Zuschreibung der unter dem Pseudonym Fedor Essée oder Essai verfassten Werke kann nicht als völlig gesichert gelten. Verschiedene Pseudonymenlexika geben Klein als Autor dieser dem Flagellantismus-Genre zugehörigen Werke an; andernorts wird aber ein Wiener Autor namens Franz Wolfbauer (1871–?) als Verfasser angenommen.
↑Die Verfasserschaft dieses Romans über die erotischen Eskapaden eines Bankierssohns wurde, wohl aus aufmerksamkeitsökonomischen Gründen, häufig einem Nachfahren des berühmten Bankiers Gerson von Bleichröder (wahlweise dessen Enkelsohn Hans von Bleichröder oder einem Werner von Bleichröder) zugeschrieben. Die Angaben zur Autorschaft Kleins an diesem Roman, der Comtesse Marga und den als „Richard Werther“ veröffentlichten Werken folgen dem 1931 erschienenen Band 4 (Ergänzungsband) des Bilder-Lexikon der Erotik, herausgegeben vom Wiener Institut für Sexualforschung. Der dortige Artikel zu Werther (online@1@2Vorlage:Toter Link/www.med9.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)) beruht auf Mitteilungen von Willy Schindler an den Artikelautor „Schr.“ (d. i. Leo Schidrowitz (1894–1956), in dessen Verlag für Kulturforschung das Bilder-Lexikon ab 1928 erschien).